WINTER
37 l
Zu tragen Geisteslicht in Weltenwinternacht
Erstrebet selig meines Herzens Trieb,
Dass leuchtend Seelenkeime
In Weltengründen wurzeln,
Und Gotteswort im Sinnesdunkel
Verklärend alles Sein durchtönt.
Eine bedeutungsvolle Unregelmäßigkeit der Jahreszeiten im Seelenkalender
Der Jahreskreis umfasst 52 Wochen, die sich zu je 13 in die Vierteljahre gliedern. Auch der Seelenkalender zählt 52 Mantren, die in Frühling, Sommer, Herbst und Winter gegliedert sind. Im Sommer-Halbjahr zählen die Vierteljahre wie zu erwarten 13 Wochen, im Winter-Halbjahr findet sich eine überraschend andere Aufteilung und zwar in 10 und 16 Wochen. Die entsprechende Überschrift über Zahl und Buchstabe des Mantras verdeutlicht den Beginn des jeweiligen Vierteljahres wie folgt: der Frühling beginnt ab dem Mantra 1 A, der Sommer ab dem Mantra 14 N, der Herbst ab dem Mantra 27 a, der Winter jedoch schon ab dem Mantra 37 l. Das ist erstaunlich, da die anderen Grenzen der Jahreszeiten mit Schwellen zusammenfallen.
Der Frühling beginnt nach dem Übergang vom Winter- zum Sommer-Halbjahr, der Sommer mit der Sommerschwelle 14 N, der Herbst nach Michaeli mit dem Eintritt in das Winter-Halbjahr. Warum beginnt das Winter-Vierteljahr nicht ebenso nach 13 Wochen, sondern viel eher? Warum also beginnt das Winter-Vierteljahr nicht — wie zu erwarten — mit dem Spruch nach der Winterschwelle (39 n), also mit 40 o? Durch diese Unregelmäßigkeit hat das Herbst-Vierteljahr nur 10 Wochen, das Winter-Vierteljahr dafür 16 Wochen!
Im Winter-Vierteljahr, das bis zur Karwoche reicht, sind dadurch drei Sprüche überzählig. Diese drei Mantren sind: 37 l, 38 m, 39 n. Was bedeutet das? Durch diese Unregelmäßigkeit erlebe ich diese drei Mantren wie herausgehoben aus dem Reigen der anderen. Das mittlere Mantra ist der Weihnachtsspruch 38 m, über den Rudolf Steiner 24. Dezember, d.h. Heilig Abend geschrieben hat. Da Heilig Abend stets in der Woche des vierten Advent liegt, gehört das Mantra 38 m auch zum vierten Adventssonntag. Die beiden anderen Mantren (37 l und 39 n) flankieren dieses Fest-Mantra 38 m und dehnen die herausgehobene Zeit auf drei Wochen aus. Die erste dieser Wochen “außerhalb der Zeit” beginnt mit dem 3. Advent (Mantra 37 l). Die zweite beginnt mit dem 4. Advent und schließt Heilig Abend ein (Mantra 38 m). Die dritte Woche beginnt am folgenden Sonntag und beinhaltet stets Sylvester (39 n). Damit ist sie die Woche der Winterschwelle und begleitet durch den zweiten bzw. mittleren Teil der 12 Heiligen Nächte, die mal mehr, mal weniger in die zu Dreikönig gehörende Woche 40 o hineinragen.
Das Mantra 37 l wird durch seine Zugehörigkeit zu den Weihnachts-Mantren zur hinführenden, vorbereitenden Entität des Festes — wie das Mantra 39 n zur vollendenden, bevor mit dem Mantra 40 o ein Neuanfang gesetzt wird und die letzten 13 Mantren des Seelenkalender-Jahres beginnen.
Weltenwinternacht — die Weltenmitternachtsstunde des Daseins?
Nach der Darstellung der drei herausgehobenen Wochen möchte ich noch tiefer fragen: Worauf könnten diese drei Mantren 37 l, 38 m, 39 n hinweisen? Welcher seelisch-geistige Prozess kommt hier zur Darstellung? Im Gang der Seele durch die geistige Welt beschreibt Rudolf Steiner eine ganz besondere Zeit, die durchlaufen wird, bevor der Impuls zur neuen Inkarnation eintritt. Diese Zeit nennt er die Weltenmitternachtsstunde. Zum Verständnis dieser außerhalb von Zeit und Raum vorzustellenden Weltenmitternachtsstunde liegt es nahe, die Christgeburt heranzuziehen, da die Qualität der Heiligen Nacht der Christgeburt seit alters her mit der Mitternachtsstunde verbunden ist. Im Mantra 37 l kommt “Weltenwinternacht” vor und ich frage mich, ob auch hier die geistige Qualität der irdisch dunkelsten Stunde gemeint ist. Rudolf Steiner sagt: „Geendet haben wir bei dem, was ich mir zu benennen erlaubte «die große Weltenmitternachtsstunde des geistigen Daseins zwischen dem Tod und einer neuen Geburt», jene Mitternachtsstunde, wo das menschliche innere Erleben am intensivsten wird und das, was wir geistige Geselligkeit nennen können, das Zusammenhängen mit der geistigen Außenwelt, den niedrigsten Grad erreicht hat, so dass in gewisser Beziehung während dieser Mitternachtsstunde des geistigen Daseins Finsternis um uns ist. Aber gesagt worden ist, dass die Sehnsucht nach Außenwelt wiederum in uns wirkt und dass diese Sehnsucht durch den Geist, der in geistigen Welten wirkt, aktiv wird und dass diese Sehnsucht ein neues Seelenlicht aus uns erzeugt, so dass es uns möglich wird, jetzt eine Außenwelt von ganz besonderer Art zu erblicken. Diese Außenwelt, die wir dann erblicken, ist unsere eigene Vergangenheit, wie sie durch frühere Inkarnationen und die Zwischenzeiten zwischen den Toden und den neuen Geburten sich vollzogen hat, und die wir jetzt als eine äußere Welt überschauen, indem wir zurückblicken auf das, was wir aus dem Weltendasein gehabt haben, genossen haben, und auf das, was wir diesem Weltendasein schuldig geblieben sind.“ (Lit.: GA 153, S. 163, Hervorhebung von A.F.)
Könnte es also sein, dass diese drei Mantren drei Aspekte der Weltenmitternachtsstunde enthalten, differenziert nach der Dreifaltigkeit? Zunächst fällt ins Auge, dass das Mantra 38 m der Weihnachts-Spruch ist und deshalb mit dem Sohnes-Gott-Aspekt verbunden ist.
Darauf folgt das Mantra 39 n, das die Erweckung des Selbstgefühls beschreibt, eine Tat, die der Heilige Geist in der Weltenmitternacht am Menschen vollzieht (siehe das folgende Zitat).
Das bedeutet, das im Mantra 37 l der Vater-Gott Aspekt zu finden sein sollte. Er ist darin erkennbar, indem Gott seinen Sohn in die Welt sendet durch Maria (bei den Ägyptern der alten Zeit Isis), die berufen ist, den Sohn — das Geisteslicht — in die Welt zu tragen.
- 37 l Tat des Vatergottes
- 38 m Tat des Sohnesgottes
- 39 n Tat des Heiligen Geistes
Tatsächlich verbindet Rudolf Steiner diese drei Gott-Aspekte mit der Weltenmitternachtsstunde im Rosenkreuzer Spruch. Dieser lautet:
- <EX DEO NASCIMUR — Aus Gott werden wir geboren,
- IN CHRISTO MORIMUR — In Christus sterben wir,
- PER SPIRITUM SANCTUM REVIVISCIMUS — Durch den Heiligen Geist werden wir wiedererweckt>.
Rudolf Steiner sagt: „Und hat uns der Christus-Impuls bis in die Weltenmitternacht gebracht, und ist die Weltenmitternacht in geistiger Einsamkeit von der Seele erlebt worden, weil das Seelenlicht jetzt nicht erstrahlen kann von uns selber aus, ist Weltenfinsternis eingetreten, hat uns der Christus bis dahin geführt, so tritt jetzt aus der Weltenmitternacht, aus unserer Sehnsucht, ein Geistiges heraus, erschaffend ein neues Weltenlicht, über unsere eigene Wesenheit hin ein Leuchten verbreitend, durch das wir uns neu ergreifen im Weltendasein, durch das wir neu erwachen im Weltendasein. Den Geist der geistigen Welt, der uns erweckt, wir lernen ihn kennen, indem aus der Weltenmitternacht ein neues Licht hervorleuchtet, über unsere verflossene Menschheit erstrahlend. In dem Christus sind wir gestorben — durch den Geist, durch den leiblosen Geist, der mit einem technischen Wort der Heilige Geist genannt wird, das heißt, der ohne den Leib Lebende, denn das ist mit dem Wort «heilig» gemeint, ohne die Schwächen eines im Leibe lebenden Geistes, durch diesen Geist werden wir in unserer Wesenheit wiedererweckt aus der Weltenmitternacht heraus.
Durch den Heiligen Geist werden wir also in der Weltenmitternacht erweckt. Per spiritum sanctum reviviscimus.“ (Lit.: GA 153, S. 161f)
Im Folgenden Zitat beschreibt Rudolf Steiner die Mitternachtsstunde des Daseins so, dass man unmittelbar an das Mantra 37 l erinnert wird: „Es werden in jener Weltenmitternacht Dinge erlebt, die tief, tief verborgen unter der Oberfläche nicht nur der Sinneswelt liegen, sondern auch unter der Oberfläche mancher Welt, in die ein anfängliches Hellsehen hineinführt. Es entzieht sich der Sinneswelt, aber auch noch manchem hellsichtigen Blick, der gewisse Schichten unter der Sinneswelt schon durchschaut, dasjenige, was man — wir werden davon noch weiter sprechen — die Notwendigkeiten im Weltengeschehen nennen kann, jene Notwendigkeiten, die in den Untergründen der Dinge wurzeln, in denen allerdings auch die tiefsten Untergründe der menschlichen Seele wurzeln, aber die sich dem Sinnlichen und auch dem anfänglichen hellseherischen Blicke entziehen und sich dem letzteren erst dann ergeben, wenn so etwas durchlebt wird, wie es bildhaft in der Saturnzeit geschildert wird. Dann darf man sagen, daß es für einen solchen hellseherischen Blick, der zuerst auftreten muß in der Zeit zwischen Tod und einer neuen Geburt, wirklich so ist, wie wenn Blitze das ganze Blickfeld der Seele überziehen würden, die in ihrem schrecklichen Leuchten die Weltennotwendigkeiten überleuchten, die aber zugleich so blendend hell sind, daß die Erkenntnisblicke durch das helle Leuchten ersterben und aus den ersterbenden Erkenntnisblicken sich Bildformen bilden, die sich dann in das Weltenweben einweben als die Formen, aus denen die Schicksale der Weltenwesen erwachsen. Man durchschaut die Gründe der menschlichen und anderer Weltenwesen Schicksale in den Untergründen der Notwendigkeiten erst dann, wenn man mit solchen Erkenntnisblicken schaut, die im Erkennen durch die aufleuchtenden Blitze ersterben und sich wie zu erstorbenen Formen umbilden, die dann fortleben als die Schicksalsimpulse des Lebens. Und alles das, was eine wahre Selbsterkenntnis in sich findet — nicht jene Selbsterkenntnis, von der auf theosophischem Felde so viel geschwatzt wird, sondern jene hochernste Selbsterkenntnis, die sich im Verlaufe des okkulten Lebens eben ergibt -, alles, was die Seele in sich selber erblickt mit allen Unvollkommenheiten, die sich die Seele zuschreibt, es wird gehört zur Weltenmitternacht wie verwoben in hinrollendem Weltendonner, der in den Untergründen des Daseins verrollt.“ (Lit.: GA 147, S. 19f, Hervorhebungen A.F.)
Geisteslicht und Sphärenharmonie
Rudolf Steiner unterscheidet das Geisteslicht vom Licht der Seele. “Wie das Auge Licht und Finsternis unterscheidet, wie das Auge verschiedene Farben unterscheidet, so unterscheidet das geistige, das entwickelte, geöffnete Auge des Okkultisten das höhere, glänzende Licht des Geistes, das kein sinnliches Licht ist, das ein heller erstrahlendes Licht in höheren Welten, in höheren Sphären ist, und dieses strahlende Licht des Geistes, das ist für den Okkultisten ebenso Wirklichkeit, wie unser Sonnenlicht für unsere Betrachtung Wirklichkeit ist. Und wir sehen bei einzelnen Dingen, daß das Sonnenlicht zurückgestrahlt, reflektiert wird. So unterscheidet der Okkultist das strahlende Selbstleuchten des Geistes von dem eigentümlichen Glimmern des Lichtes, welches zurückgestrahlt wird von der Welt der Gestalten, als seelische Flamme. Seele heißt, zurückstrahlendes Geisteslicht, Geist heißt, ausstrahlendes schöpferisches Licht. Diese drei Gebiete sind Geisteswelt, Seelenwelt und Gestaltenwelt, denn so erscheinen sie dem Okkultisten. Nicht nur sind verschieden die Gebiete des Daseins. — Die äußere Gestalt ist für den Okkultisten die Leere, die Finsternis, dasjenige, was im Grunde genommen nichts ist, und die große, einzige Wirklichkeit ist das hehre, erstrahlende Licht des Geistes. Und dasjenige, was wir als glänzendes Licht fühlen, was sich um die Gestalten herumlegt und eingesogen wird, das ist die Welt des Seelischen, welches immer und immer wieder geboren wird, bis es erreicht wird von dem Geist, bis der es ganz zu sich hinaufgezogen hat und sich mit ihm vereint. Dieser Geist erscheint in mannigfaltiger Gestalt in der Welt, aber die Gestalt ist nur der äußere Ausdruck des Geistes. Den Geist haben wir erkannt in seiner Tätigkeit, in seiner sich immer steigernden Tätigkeit, und diese Tätigkeit haben wir Karma genannt.” (Lit.: GA 052, S. 348f, Hervorhebungen A.F.)
Eine weitere Stufe geistiger Erkenntnis ist das Hören der Sphärenharmonie. „Außer dem, was durch «geistiges Sehen» in diesem «Geisterlande» wahrzunehmen ist, gibt es hier noch etwas anderes, das als Erlebnis des «geistigen Hörens» zu betrachten ist. Sobald nämlich der «Hellsehende» aufsteigt aus dem Seelen- in das Geisterland, werden die wahrgenommenen Urbilder auch klingend. Dieses «Klingen» ist ein rein geistiger Vorgang. Es muß ohne alles Mitdenken eines physischen Tones vorgestellt werden. Der Beobachter fühlt sich wie in einem Meere von Tönen. Und in diesen Tönen, in diesem geistigen Klingen drücken sich die Wesenheiten der geistigen Welt aus. In ihrem Zusammenklingen, ihren Harmonien, Rhythmen und Melodien prägen sich die Urgesetze ihres Daseins, ihre gegenseitigen Verhältnisse und Verwandtschaften aus. Was in der physischen Welt der Verstand als Gesetz, als Idee wahrnimmt, das stellt sich für das «geistige Ohr» als ein Geistig-Musikalisches dar. (Die Pythagoreer nannten daher diese Wahrnehmung der geistigen Welt «Sphärenmusik». Dem Besitzer des «geistigen Ohres» ist diese «Sphärenmusik» nicht bloß etwas Bildliches, Allegorisches, sondern eine ihm wohlbekannte geistige Wirklichkeit.) Man muß nur, wenn man einen Begriff von dieser «geistigen Musik» erhalten will, alle Vorstellungen von sinnlicher Musik beseitigen, wie sie durch das «stoffliche Ohr» wahrgenommen wird. Es handelt sich hier eben um «geistige Wahrnehmung», also um eine solche, die stumm bleiben muß für das «sinnliche Ohr». In den folgenden Beschreibungen des «Geisterlandes» sollen der Einfachheit halber die Hinweise auf diese «geistige Musik» weggelassen werden. Man hat sich nur vorzustellen, daß alles, was als «Bild», als ein «Leuchtendes» beschrieben wird, zugleich ein Klingendes ist. Jeder Farbe, jeder Lichtwahrnehmung entspricht ein geistiger Ton, und jedem Zusammenwirken von Farben entspricht eine Harmonie, eine Melodie und so weiter. Man muß sich nämlich durchaus vergegenwärtigen, daß auch da, wo das Tönen herrscht, das Wahrnehmen des «geistigen Auges» nicht etwa aufhört. Es kommt eben das Tönen zu dem Leuchten nur hinzu. Wo von «Urbildern» in dem Folgenden gesprochen wird, sind also die «Urtöne» hinzuzudenken. Auch andere Wahrnehmungen kommen hinzu, die gleichnisartig als «geistiges Schmecken» und so weiter bezeichnet werden können. Doch soll hier auf diese Vorgänge nicht eingegangen werden, da es sich darum handelt, eine Vorstellung von dem «Geisterlande» durch einige aus dem Ganzen herausgegriffene Wahrnehmungsarten in demselben zu erwecken.“ (Lit.: GA 9, S. 124)
Sankt Lucia — die Oktave des Sankt Nikolaus-Tages
Genau eine Woche nach dem Tag des Heiligen Nikolaus wird das Fest der Lucia, der Lichtbringerin am 13.12. gefeiert. Dieser Tag kann in der Woche 36 k oder 37 l liegen. Lucia (oder Luzia, von lateinisch lux, Licht) bedeutet “die Leuchtende”. Sie lebte in Syrakus, Italien (um 283 — 304 n. Chr.). Sie war eine frühchristliche geweihte Jungfrau und Märtyrerin. Man sagt, das weiße Kleid, dass die heutige “Lucia” trägt, zeigt sie als geweihte Jungfrau, das rote Band um die Taille als Märtyrerin. Der Kranz mit fünf bis sieben Lichtern sollte ihr damals ermöglichen, die Hände frei zu haben, um in der Dunkelheit den Armen zu helfen.
Das Lucia Fest ist auch in den skandinavischen Ländern, in denen es heute besonders gefeiert wird, kein altes Fest. Zwar gibt es (wie auch aus dem mitteleuropäischen Raum) aus dem Mittelalter stammende Berichte von Gebräuchen für den Tag der Lucia bzw. Frau Perchta (die “hell leuchtende”, eine mit Frau Holle verwandte Sagengestalt, die in der kontinentalgermanischen und slawischen Mythologie auftritt), doch die heute verbreitete Form des Festes ist jüngeren Datums. Es verdankt seine Entstehung dem Umstand, dass bis zum Jahr 1752 der Lucia-Tag am 13. Dezember etwa 100 Jahre lang der kürzeste Tag des Jahres war. Das lag daran, dass dem damals geltenden Julianischen Kalender Schalttage fehlten und die Sonnenwenden und Tag-und-Nachtgleichen sich stetig verschoben. Erst mit der Einführung des Gregorianischen Kalenders änderte sich dies und der kürzeste Tag bleibt seitdem der 22. Dezember. Das Lucia-Fest verdankt seine Entstehung also der Wintersonnenwende.
Für das Mantra 36 k hatte ich ausgeführt, dass Sankt Martin die Boas-Säule darstellt, Sankt Nikolaus die Jachin-Säule. Zu jeder Säule gehören bestimmte ätherische Aspekte, die weiblich dargestellt werden. Zur Jachin-Säule des Wahrnehmungs-Sommer-Halbjahres gehört der sogenannte hohe Äther, über den der Mensch seit dem Sündenfall nicht mehr verfügt: der Lebensäther und der chemische Äther. Zur Boas-Säule des seelischen Innenraumes und des Denkens gehören die niederen, gefallenen Ätherarten, die jedem zum persönlichen Gebrauch überlassen sind: der Licht- und der Wärmeäther.
Beim Weihnachtsfest kommt es darauf an, dass das heilige Kind im Herzen der Menschen, im Innenraum geboren wird. Die gebärende Kraft, die Maria, ist hier der Licht- und der Wärmeäther. Diese Ätherarten sind warm. Der hohe Äther ist dagegen eine kalte, der Ewigkeit zugehörige Kraft. Die weibliche Oktave der Jachin-Nikolaus-Säule ist die Lucia. Ich sehe sie als das Göttlich-Weibliche, die Eis- und Schnee-Jungfrau, die die Lebens- und Formkraft des Kosmos auf der Erde in jeder Schneeflocke zur Erscheinung bringt.
Deshalb trägt sie ein weißes Gewand. Und das rote Band deutet auf die rote Jachin-Säule, das rote Blut, das von Generation zu Generation das Leben weitergibt, auf die ätherische Urflut des Lebens. Für mein Gefühl ist das Bild dem Urbild am nächsten, wenn die Lucia eine Krone mit sieben Kerzen trägt, sechs im Kreis und eine in der Mitte, denn durch die Sieben wurde die Ganzheit der jungfräulichen Seelenkräfte ausgedrückt. Die sieben Plejaden galten als sieben Jungfrauen oder sieben Tauben, Atlas hatte sieben Töchter, ebenso Jitro, (Jethro) deren eine Moses verdienen wollte.
Zehn Tage vor dem Lucia-Tag ist am 4. 12. der Tag der Heiligen Barbara, der Heiligen der Bergleute in der Dunkelheit der Tiefen der Erde. In zehn Schritten, durch die zu den Säulen Jachin und Boas gehörenden zehn Sephiroth steigen wir von der Heiligen Barbara, von der Finsternis, in die lichten Höhen der Lucia auf.
Was beschreibt das Mantra 37 l?
Für mich spricht aus diesem Mantra die Seele der Menschheit, die himmlische Maria — oder genauer ihre Vorgängerin, die ägyptische Göttin Isis. Sie trug das göttliche Kind auf die Erde — Jahrhundert für Jahrhundert immer näher an die Erde heran, bis es schließlich in Bethlehem durch Maria geboren wurde. Durch sie verwirklicht sich der Wille des Vater-Gottes, sie trägt sein Kind, sie handelt in seinem Auftrag. Auch jetzt ist sie die vorbereitende Seelenkraft, durch die sich der Vater-Gott ausspricht. Sie führt zur Christgeburt. Für mich ist das Wesen, das im Mantra als Ich auftritt, weiblich. Für mich ist es das göttlich Weibliche, das hier als Ich-Sprecherin auftritt und den Willen des Vater-Gottes kundtut. Wir kennen dieses göttlich Weibliche als die Isis der alten ägyptischen Kultur und später als Maria, die Mutter Jesu. Im Mantra lebt die Christ-Erwartung, wie Maria oder Isis es aussprechen könnte. Ich lese das Mantra als ihre wörtliche Rede. Gemäß der zweiten Zeile des Mantras ist es der selige Trieb, das selige Bestreben ihres menschheitlich-himmlischen Herzens, Geisteslicht in die Dunkelheit der Weltenwinternacht zu tragen.
Seligkeit beschreibt die dritte Stufe eines Einweihungsweges. Rudolf Steiner führt aus: „Man unterschied bei der Einführung in die Mysterien drei Stufen, durch die der Mensch hindurchgehen mußte. Die erste Stufe war die Dumpfheit, die zweite Stufe war der «Zwifel», die dritte Stufe war die «Saelde». Die erste Stufe war die, auf welcher der Mensch von allem Vorurteil der Welt hinweggeführt wurde, hingewiesen wurde auf die Kraft seiner eigenen Seele, seine eigene Liebeskraft, damit er das innere Licht leuchten sehen konnte. Die zweite Stufe war der Zwifel, Zweifel. Dieser Zweifel an allem kommt auf der zweiten Stufe der Einweihung, und er wird auf einer höheren Stufe hinaufgehoben in die innere Seligkeit = Saelde. Dies war die dritte Stufe, das bewußte Zusammenführen mit den Göttern.“ (Lit.: GA 97, S. 266) Die Ich-Sprecherin befindet sich also auf der dritten und höchsten Stufe der Einweihung. Sie wirkt aus der Einheit mit dem Göttlichen.
Es ist nicht ihr, der Ich-Sprecherin Plan, Geisteslicht in Weltenwinternacht zu tragen. Es ist nicht ihr persönliches, mit dem Verstand erdachtes Ziel, dies zu tun. Keinerlei Ehrgeiz oder Eitelkeit motivieren sie. Es ist der Trieb, das unbewusst-unschuldige Streben ihres Herzens, es sind die leitenden Untergründe des Schicksals, die sie führen. Leise klingt in dem Bild des Seelen-Triebes auch der pflanzliche Trieb, der Spross an. Der Pflanzen-Trieb erinnert an das Bild des Stammbaumes, der mit jeder neuen Geburt einen neuen Trieb bildet. Im Weihnachtslied “Es ist ein Ros entsprungen” besingen wir diesen sprossenden Trieb.
Geisteslicht trägt die Ich-Sprecherin in die kalte, dunkle Nacht des Welten-Winters, in die gleich dem gefrorenen Eis hart und undurchdringlich gewordene physische Welt. Das Geisteslicht, das alles enthält, woraus sich irdische Wesen bilden, trägt sie in die Leere der Finsternis. Und sie hat ein Ziel. Leuchtende Seelenkeime sollen in Weltengründen wurzeln. Das einheitliche Geisteslicht versprüht dabei in lauter Lichtfunken, die wie Licht-Samen in die Finsternis fallen, dort keimen und nun zu Seelenkeimen geworden sind — zu Keimen neuen Lebens. Indem das Geisteslicht sich in Leben wandelt, wird es ein widerstrahlendes, leuchtendes Seelenlicht (siehe Zitat oben). Dieses Leben ist pflanzlicher Natur, es wurzelt. Die leuchtenden Seelenkeime wurzeln in den Gründen, den tiefsten Punkten der Welten.
Es ist nicht nur von einer Welt und ihrem Grund die Rede, sondern von mehreren — von Weltengründen. Ich denke, dass es sich um die drei Welten, die in vielen alten Kulturen bekannt waren, handelt: von der Oberwelt, der mittleren Welt und der Unterwelt. In der germanischen Mythologie herrschen in der Oberwelt, in Asgard, die Götter, in der mittleren Welt, in Midgard, leben die Menschen und in der Unterwelt hausen die Riesen sowie die Verstorbenen bei Hel. Die Oberwelt ist hell, klar und strukturgebend wie das Denken. Die mittlere Welt ist durchzogen von Freude und Leid und damit der Ort des Fühlens. In der Unterwelt verbildlichen die Riesen die urgewaltigen Vegetationskräfte, gleichzeitig sind die Toten hier zu Hause. Leben und Tod, die willenshafte schöpferische Kraft des “Stirb und Werde” wirkt aus der Unterwelt, der Welt des tief unterbewussten Willens. Indem die Seelenkeime beginnen sich zu entwickeln, wurzeln sie dreifach, wie es von der Esche Yggdrasil erzählt wird. Jede ihrer Wurzeln ist in einer anderen Welt verankert. So wurzeln die Seelenkeime in drei Welten, in den Untergründen des Denkens, Fühlens und Wollens.
Indem die Leben in die Welt tragende weibliche Kraft die Seelenkeime in die Welt trägt, wirkt sie in vollkommener Harmonie mit dem Männlich-Göttlichen, den Logos- oder Wortkräften. Sie ermöglicht es der alles gestaltenden, strukturierenden Kraft des göttlichen Wortes, das Sein — die Urmaterie — zu durchtönen, Leben zu ermöglichen und Harmonie entstehen zu lassen zwischen Geist und Materie. Dieses “Tönen” wird als Sphärenharmonie bezeichnet und ist Ausdruck der hohen Äthermacht des chemischen- oder Tonäthers, wie die sinnstiftende, gestaltende Kraft des göttlichen Wortes Ausdruck ist der noch höheren Äthermacht, des Lebensäthers. Das Sinnesdunkel des Urchaos wird dadurch gestaltend durchtönt, tönend gestaltet — und dadurch verklärt. Es wird klar und licht durch die Verwirklichung der göttlichen Absicht.
Das Gotteswort ist unvorstellbar mächtig. Im Zitat oben spricht Rudolf Steiner vom “hinrollenden Weltendonner”, der in der Weltenmitternacht gehört wird. Was hier donnernd erlebt wird, sind die nach karmischem Ausgleich rufenden Taten früherer Leben, die das kommende vorbereiten. Es sind die Verfinsterungen der Seele, die durch kommende Schicksale zur Klarheit geführt werden können.
Das Mantra erhebt sich in diesen Zeilen von der bildlich-imaginativen Sprache am Anfang zum Lauschen, zur Wahrnehmung der Inspiration. Durch diese zweite Stufe der rein geistigen Wahrnehmung wird die Welt der Sphärenharmonie hörbar. Im Gotteswort wird auf die höchste Stufe geistiger Erkenntnis gedeutet, der Wesensbegegnung in der Intuition. Jedes Wort entstammt einem Wesen, dem ich durch das Verstehen des Wortes begegne.
Beziehe ich das Mantra auf mich als Leser, so erlebe ich das Geisteslicht in meinem Denken. Im menschlichen Denken wirkt das göttliche Wort als die Fähigkeit, die Strukturen zu erkennen und sinnvoll zu deuten, sinntragende Bedeutungszusammenhänge zu erschaffen: es wirkt — kurz gesagt — als Intelligenz. Immer wenn ich nachdenke und etwas verstehe, erhellt sich mein Bewusstsein ein Stück. Dann trage auch ich Geisteslicht in Weltenwinternacht. Mein neu gewonnenes Verständnis wird Seelenkeim, wird Same, der in Seelengründen wurzelt, indem er Gefühle, Willensimpulse und weitere Erkenntnisse begründet. Rudolf Steiner sagt, dass im Ätherherzen all diese Früchte des Lebens aufbewahrt werden für eine zukünftige Inkarnation. “Dieses bleibende Ätherherz [nach der Geschlechtsreife], das ist aber erst ganz geeignet, unsere Tätigkeit voll aufzunehmen. … Das richtige Bilden des Karmas geschieht …, wo das astralische Herz in das ätherische Herz voll eingreift, wo sich diese zusammenschalten. Aber es ist das auch, wenn ich so sagen darf, der Organismus der Karmabildung.” (GA 212, S. 126f) Das bedeutet, das Herz strebt danach, es treibt mein Leben in die mir gemäße, karmisch bestimmte Richtung und sorgt gleichzeitig durch die Vorbereitung künftigen Karmas für die notwendige Harmonisierung.
Es ist ein hohes Ziel für den Menschen, selber die Harmonie zu verwirklichen, sodass auch seine Schöpfungen alles Sein verklärend — nicht störend — durchtönen.