WINTER

37 l

Zu tra­gen Geis­tes­licht in Weltenwinternacht

Erstre­bet selig meines Herzens Trieb,

Dass leuch­t­end Seelenkeime

In Wel­tengrün­den wurzeln,

Und Gotteswort im Sinnesdunkel

Verk­lärend alles Sein durchtönt.

Eine bedeutungsvolle Unregelmäßigkeit der Jahreszeiten im Seelenkalender

Der Jahreskreis umfasst 52 Wochen, die sich zu je 13 in die Viertel­jahre gliedern. Auch der See­lenkalen­der zählt 52 Mantren, die in Früh­ling, Som­mer, Herb­st und Win­ter gegliedert sind. Im Som­mer-Hal­b­jahr zählen die Viertel­jahre wie zu erwarten 13 Wochen, im Win­ter-Hal­b­jahr find­et sich eine über­raschend andere Aufteilung und zwar in 10 und 16 Wochen. Die entsprechende Über­schrift über Zahl und Buch­stabe des Mantras verdeut­licht den Beginn des jew­eili­gen Viertel­jahres wie fol­gt: der Früh­ling begin­nt ab dem Mantra 1 A, der Som­mer ab dem Mantra 14 N, der Herb­st ab dem Mantra 27 a, der Win­ter jedoch schon ab dem Mantra 37 l. Das ist erstaunlich, da die anderen Gren­zen der Jahreszeit­en mit Schwellen zusammenfallen.

Der Früh­ling begin­nt nach dem Über­gang vom Win­ter- zum Som­mer-Hal­b­jahr, der Som­mer mit der Som­mer­schwelle 14 N, der Herb­st nach Michaeli mit dem Ein­tritt in das Win­ter-Hal­b­jahr. Warum begin­nt das Win­ter-Viertel­jahr nicht eben­so nach 13 Wochen, son­dern viel eher? Warum also begin­nt das Win­ter-Viertel­jahr nicht — wie zu erwarten — mit dem Spruch nach der Win­ter­schwelle (39 n), also mit 40 o? Durch diese Unregelmäßigkeit hat das Herb­st-Viertel­jahr nur 10 Wochen, das Win­ter-Viertel­jahr dafür 16 Wochen!

Im Win­ter-Viertel­jahr, das bis zur Kar­woche reicht, sind dadurch drei Sprüche überzäh­lig. Diese drei Mantren sind: 37 l, 38 m, 39 n. Was bedeutet das? Durch diese Unregelmäßigkeit erlebe ich diese drei Mantren wie her­aus­ge­hoben aus dem Reigen der anderen. Das mit­tlere Mantra ist der Wei­h­nachtsspruch 38 m, über den Rudolf Stein­er 24. Dezem­ber, d.h. Heilig Abend geschrieben hat. Da Heilig Abend stets in der Woche des vierten Advent liegt, gehört das Mantra 38 m auch zum vierten Adventsson­ntag. Die bei­den anderen Mantren (37 l und 39 n) flankieren dieses Fest-Mantra 38 m und dehnen die her­aus­ge­hobene Zeit auf drei Wochen aus. Die erste dieser Wochen “außer­halb der Zeit” begin­nt mit dem 3. Advent (Mantra 37 l). Die zweite begin­nt mit dem 4. Advent und schließt Heilig Abend ein (Mantra 38 m). Die dritte Woche begin­nt am fol­gen­den Son­ntag und bein­hal­tet stets Sylvester (39 n). Damit ist sie die Woche der Win­ter­schwelle und begleit­et durch den zweit­en bzw. mit­tleren Teil der 12 Heili­gen Nächte, die mal mehr, mal weniger in die zu Dreikönig gehörende Woche 40 o hineinragen.

Das Mantra 37 l wird durch seine Zuge­hörigkeit zu den Wei­h­nachts-Mantren zur hin­führen­den, vor­bere­i­t­en­den Entität des Festes — wie das Mantra 39 n zur vol­len­den­den, bevor mit dem Mantra 40 o ein Neuan­fang geset­zt wird und die let­zten 13 Mantren des See­lenkalen­der-Jahres beginnen.

Weltenwinternacht — die Weltenmitternachtsstunde des Daseins?

Nach der Darstel­lung der drei her­aus­ge­hobe­nen Wochen möchte ich noch tiefer fra­gen: Worauf kön­nten diese drei Mantren 37 l, 38 m, 39 n hin­weisen? Welch­er seel­isch-geistige Prozess kommt hier zur Darstel­lung? Im Gang der Seele durch die geistige Welt beschreibt Rudolf Stein­er eine ganz beson­dere Zeit, die durch­laufen wird, bevor der Impuls zur neuen Inkar­na­tion ein­tritt. Diese Zeit nen­nt er die Wel­ten­mit­ter­nachtsstunde. Zum Ver­ständ­nis dieser außer­halb von Zeit und Raum vorzustel­len­den Wel­ten­mit­ter­nachtsstunde liegt es nahe, die Christ­ge­burt her­anzuziehen, da die Qual­ität der Heili­gen Nacht der Christ­ge­burt seit alters her mit der Mit­ter­nachtsstunde ver­bun­den ist. Im Mantra 37 l kommt “Wel­tenwin­ter­nacht” vor und ich frage mich, ob auch hier die geistige Qual­ität der irdisch dunkel­sten Stunde gemeint ist. Rudolf Stein­er sagt: „Geen­det haben wir bei dem, was ich mir zu benen­nen erlaubte «die große Wel­ten­mit­ter­nachtsstunde des geisti­gen Daseins zwis­chen dem Tod und ein­er neuen Geburt», jene Mit­ter­nachtsstunde, wo das men­schliche innere Erleben am inten­sivsten wird und das, was wir geistige Gesel­ligkeit nen­nen kön­nen, das Zusam­men­hän­gen mit der geisti­gen Außen­welt, den niedrig­sten Grad erre­icht hat, so dass in gewiss­er Beziehung während dieser Mit­ter­nachtsstunde des geisti­gen Daseins Fin­ster­n­is um uns ist. Aber gesagt wor­den ist, dass die Sehn­sucht nach Außen­welt wiederum in uns wirkt und dass diese Sehn­sucht durch den Geist, der in geisti­gen Wel­ten wirkt, aktiv wird und dass diese Sehn­sucht ein neues See­len­licht aus uns erzeugt, so dass es uns möglich wird, jet­zt eine Außen­welt von ganz beson­der­er Art zu erblick­en. Diese Außen­welt, die wir dann erblick­en, ist unsere eigene Ver­gan­gen­heit, wie sie durch frühere Inkar­na­tio­nen und die Zwis­chen­zeit­en zwis­chen den Toden und den neuen Geburten sich vol­l­zo­gen hat, und die wir jet­zt als eine äußere Welt über­schauen, indem wir zurück­blick­en auf das, was wir aus dem Wel­tenda­sein gehabt haben, genossen haben, und auf das, was wir diesem Wel­tenda­sein schuldig geblieben sind.“ (Lit.: GA 153, S. 163, Her­vorhe­bung von A.F.)

Kön­nte es also sein, dass diese drei Mantren drei Aspek­te der Wel­ten­mit­ter­nachtsstunde enthal­ten, dif­feren­ziert nach der Dreifaltigkeit? Zunächst fällt ins Auge, dass das Mantra 38 m der Wei­h­nachts-Spruch ist und deshalb mit dem Sohnes-Gott-Aspekt ver­bun­den ist.

Darauf fol­gt das Mantra 39 n, das die Erweck­ung des Selb­st­ge­fühls beschreibt, eine Tat, die der Heilige Geist in der Wel­ten­mit­ter­nacht am Men­schen vol­lzieht (siehe das fol­gende Zitat).

Das bedeutet, das im Mantra 37 l der Vater-Gott Aspekt zu find­en sein sollte. Er ist darin erkennbar, indem Gott seinen Sohn in die Welt sendet durch Maria (bei den Ägyptern der alten Zeit Isis), die berufen ist, den Sohn — das Geis­tes­licht — in die Welt zu tragen.

  • 37 l Tat des Vatergottes
  • 38 m Tat des Sohnesgottes
  • 39 n Tat des Heili­gen Geistes

Tat­säch­lich verbindet Rudolf Stein­er diese drei Gott-Aspek­te mit der Wel­ten­mit­ter­nachtsstunde im Rosenkreuzer Spruch. Dieser lautet:

  • <EX DEO NASCIMUR — Aus Gott wer­den wir geboren,
  • IN CHRISTO MORIMUR — In Chris­tus ster­ben wir,
  • PER SPIRITUM SANCTUM REVIVISCIMUS — Durch den Heili­gen Geist wer­den wir wiedererweckt>.

Rudolf Stein­er sagt: „Und hat uns der Chris­tus-Impuls bis in die Wel­ten­mit­ter­nacht gebracht, und ist die Wel­ten­mit­ter­nacht in geistiger Ein­samkeit von der Seele erlebt wor­den, weil das See­len­licht jet­zt nicht erstrahlen kann von uns sel­ber aus, ist Wel­tenfin­ster­n­is einge­treten, hat uns der Chris­tus bis dahin geführt, so tritt jet­zt aus der Wel­ten­mit­ter­nacht, aus unser­er Sehn­sucht, ein Geistiges her­aus, erschaf­fend ein neues Wel­tenlicht, über unsere eigene Wesen­heit hin ein Leucht­en ver­bre­i­t­end, durch das wir uns neu ergreifen im Wel­tenda­sein, durch das wir neu erwachen im Wel­tenda­sein. Den Geist der geisti­gen Welt, der uns erweckt, wir ler­nen ihn ken­nen, indem aus der Wel­ten­mit­ter­nacht ein neues Licht her­vor­leuchtet, über unsere ver­flossene Men­schheit erstrahlend. In dem Chris­tus sind wir gestor­ben — durch den Geist, durch den leiblosen Geist, der mit einem tech­nis­chen Wort der Heilige Geist genan­nt wird, das heißt, der ohne den Leib Lebende, denn das ist mit dem Wort «heilig» gemeint, ohne die Schwächen eines im Leibe leben­den Geistes, durch diesen Geist wer­den wir in unser­er Wesen­heit wieder­erweckt aus der Wel­ten­mit­ter­nacht heraus.

Durch den Heili­gen Geist wer­den wir also in der Wel­ten­mit­ter­nacht erweckt. Per spir­i­tum sanc­tum reviviscimus.“ (Lit.: GA 153, S. 161f)

Im Fol­gen­den Zitat beschreibt Rudolf Stein­er die Mit­ter­nachtsstunde des Daseins so, dass man unmit­tel­bar an das Mantra 37 l erin­nert wird: „Es wer­den in jen­er Wel­ten­mit­ter­nacht Dinge erlebt, die tief, tief ver­bor­gen unter der Ober­fläche nicht nur der Sinneswelt liegen, son­dern auch unter der Ober­fläche manch­er Welt, in die ein anfänglich­es Hellse­hen hine­in­führt. Es entzieht sich der Sinneswelt, aber auch noch manchem hell­sichti­gen Blick, der gewisse Schicht­en unter der Sinneswelt schon durch­schaut, das­jenige, was man — wir wer­den davon noch weit­er sprechen — die Notwendigkeit­en im Wel­tengeschehen nen­nen kann, jene Notwendigkeit­en, die in den Unter­grün­den der Dinge wurzeln, in denen allerd­ings auch die tief­sten Unter­gründe der men­schlichen Seele wurzeln, aber die sich dem Sinnlichen und auch dem anfänglichen hellse­herischen Blicke entziehen und sich dem let­zteren erst dann ergeben, wenn so etwas durch­lebt wird, wie es bild­haft in der Sat­urnzeit geschildert wird. Dann darf man sagen, daß es für einen solchen hellse­herischen Blick, der zuerst auftreten muß in der Zeit zwis­chen Tod und ein­er neuen Geburt, wirk­lich so ist, wie wenn Blitze das ganze Blick­feld der Seele überziehen wür­den, die in ihrem schreck­lichen Leucht­en die Wel­tennotwendigkeit­en über­leucht­en, die aber zugle­ich so blendend hell sind, daß die Erken­nt­nis­blicke durch das helle Leucht­en erster­ben und aus den erster­ben­den Erken­nt­nis­blick­en sich Bild­for­men bilden, die sich dann in das Wel­tenweben ein­weben als die For­men, aus denen die Schick­sale der Wel­tenwe­sen erwach­sen. Man durch­schaut die Gründe der men­schlichen und ander­er Wel­tenwe­sen Schick­sale in den Unter­grün­den der Notwendigkeit­en erst dann, wenn man mit solchen Erken­nt­nis­blick­en schaut, die im Erken­nen durch die aufleuch­t­en­den Blitze erster­ben und sich wie zu erstor­be­nen For­men umbilden, die dann fortleben als die Schick­sal­sim­pulse des Lebens. Und alles das, was eine wahre Selb­sterken­nt­nis in sich find­et — nicht jene Selb­sterken­nt­nis, von der auf theosophis­chem Felde so viel geschwatzt wird, son­dern jene hochern­ste Selb­sterken­nt­nis, die sich im Ver­laufe des okkul­ten Lebens eben ergibt -, alles, was die Seele in sich sel­ber erblickt mit allen Unvol­lkom­men­heit­en, die sich die Seele zuschreibt, es wird gehört zur Wel­ten­mit­ter­nacht wie ver­woben in hin­rol­len­dem Wel­tendon­ner, der in den Unter­grün­den des Daseins ver­rollt.“ (Lit.: GA 147, S. 19f, Her­vorhe­bun­gen A.F.)

Geisteslicht und Sphärenharmonie

Rudolf Stein­er unter­schei­det das Geis­tes­licht vom Licht der Seele. “Wie das Auge Licht und Fin­ster­n­is unter­schei­det, wie das Auge ver­schiedene Far­ben unter­schei­det, so unter­schei­det das geistige, das entwick­elte, geöffnete Auge des Okkul­tisten das höhere, glänzende Licht des Geistes, das kein sinnlich­es Licht ist, das ein heller erstrahlen­des Licht in höheren Wel­ten, in höheren Sphären ist, und dieses strahlende Licht des Geistes, das ist für den Okkul­tisten eben­so Wirk­lichkeit, wie unser Son­nen­licht für unsere Betra­ch­tung Wirk­lichkeit ist. Und wir sehen bei einzel­nen Din­gen, daß das Son­nen­licht zurück­ges­trahlt, reflek­tiert wird. So unter­schei­det der Okkul­tist das strahlende Selb­stleucht­en des Geistes von dem eigen­tüm­lichen Glim­mern des Licht­es, welch­es zurück­ges­trahlt wird von der Welt der Gestal­ten, als seel­is­che Flamme. Seele heißt, zurück­strahlen­des Geis­tes­licht, Geist heißt, ausstrahlen­des schöpferisches Licht. Diese drei Gebi­ete sind Geis­teswelt, See­len­welt und Gestal­tenwelt, denn so erscheinen sie dem Okkul­tisten. Nicht nur sind ver­schieden die Gebi­ete des Daseins. — Die äußere Gestalt ist für den Okkul­tisten die Leere, die Fin­ster­n­is, das­jenige, was im Grunde genom­men nichts ist, und die große, einzige Wirk­lichkeit ist das hehre, erstrahlende Licht des Geistes. Und das­jenige, was wir als glänzen­des Licht fühlen, was sich um die Gestal­ten herum­legt und einge­so­gen wird, das ist die Welt des Seel­is­chen, welch­es immer und immer wieder geboren wird, bis es erre­icht wird von dem Geist, bis der es ganz zu sich hin­aufge­zo­gen hat und sich mit ihm vere­int. Dieser Geist erscheint in man­nig­faltiger Gestalt in der Welt, aber die Gestalt ist nur der äußere Aus­druck des Geistes. Den Geist haben wir erkan­nt in sein­er Tätigkeit, in sein­er sich immer steigern­den Tätigkeit, und diese Tätigkeit haben wir Kar­ma genan­nt.” (Lit.: GA 052, S. 348f, Her­vorhe­bun­gen A.F.)

Eine weit­ere Stufe geistiger Erken­nt­nis ist das Hören der Sphären­har­monie. „Außer dem, was durch «geistiges Sehen» in diesem «Geis­ter­lande» wahrzunehmen ist, gibt es hier noch etwas anderes, das als Erleb­nis des «geisti­gen Hörens» zu betra­cht­en ist. Sobald näm­lich der «Hellse­hende» auf­steigt aus dem See­len- in das Geis­ter­land, wer­den die wahrgenomme­nen Urbilder auch klin­gend. Dieses «Klin­gen» ist ein rein geistiger Vor­gang. Es muß ohne alles Mit­denken eines physis­chen Tones vorgestellt wer­den. Der Beobachter fühlt sich wie in einem Meere von Tönen. Und in diesen Tönen, in diesem geisti­gen Klin­gen drück­en sich die Wesen­heit­en der geisti­gen Welt aus. In ihrem Zusam­men­klin­gen, ihren Har­monien, Rhyth­men und Melo­di­en prä­gen sich die Urge­set­ze ihres Daseins, ihre gegen­seit­i­gen Ver­hält­nisse und Ver­wandtschaften aus. Was in der physis­chen Welt der Ver­stand als Gesetz, als Idee wahrn­immt, das stellt sich für das «geistige Ohr» als ein Geistig-Musikalis­ches dar. (Die Pythagoreer nan­nten daher diese Wahrnehmung der geisti­gen Welt «Sphären­musik». Dem Besitzer des «geisti­gen Ohres» ist diese «Sphären­musik» nicht bloß etwas Bildlich­es, Alle­gorisches, son­dern eine ihm wohlbekan­nte geistige Wirk­lichkeit.) Man muß nur, wenn man einen Begriff von dieser «geisti­gen Musik» erhal­ten will, alle Vorstel­lun­gen von sinnlich­er Musik beseit­i­gen, wie sie durch das «stof­fliche Ohr» wahrgenom­men wird. Es han­delt sich hier eben um «geistige Wahrnehmung», also um eine solche, die stumm bleiben muß für das «sinnliche Ohr». In den fol­gen­den Beschrei­bun­gen des «Geis­ter­lan­des» sollen der Ein­fach­heit hal­ber die Hin­weise auf diese «geistige Musik» wegge­lassen wer­den. Man hat sich nur vorzustellen, daß alles, was als «Bild», als ein «Leuch­t­en­des» beschrieben wird, zugle­ich ein Klin­gen­des ist. Jed­er Farbe, jed­er Licht­wahrnehmung entspricht ein geistiger Ton, und jedem Zusam­men­wirken von Far­ben entspricht eine Har­monie, eine Melodie und so weit­er. Man muß sich näm­lich dur­chaus verge­gen­wär­ti­gen, daß auch da, wo das Tönen herrscht, das Wahrnehmen des «geisti­gen Auges» nicht etwa aufhört. Es kommt eben das Tönen zu dem Leucht­en nur hinzu. Wo von «Urbildern» in dem Fol­gen­den gesprochen wird, sind also die «Urtöne» hinzuzu­denken. Auch andere Wahrnehmungen kom­men hinzu, die gle­ich­nis­ar­tig als «geistiges Schmeck­en» und so weit­er beze­ich­net wer­den kön­nen. Doch soll hier auf diese Vorgänge nicht einge­gan­gen wer­den, da es sich darum han­delt, eine Vorstel­lung von dem «Geis­ter­lande» durch einige aus dem Ganzen her­aus­ge­grif­f­ene Wahrnehmungsarten in dem­sel­ben zu erweck­en.“ (Lit.: GA 9, S. 124)

Sankt Lucia — die Oktave des Sankt Nikolaus-Tages

Genau eine Woche nach dem Tag des Heili­gen Niko­laus wird das Fest der Lucia, der Licht­bringerin am 13.12. gefeiert. Dieser Tag kann in der Woche 36 k oder 37 l liegen. Lucia (oder Luzia, von lateinisch lux, Licht) bedeutet “die Leuch­t­ende”. Sie lebte in Syrakus, Ital­ien (um 283 — 304 n. Chr.). Sie war eine frühchristliche gewei­hte Jungfrau und Mär­tyrerin. Man sagt, das weiße Kleid, dass die heutige “Lucia” trägt, zeigt sie als gewei­hte Jungfrau, das rote Band um die Taille als Mär­tyrerin. Der Kranz mit fünf bis sieben Lichtern sollte ihr damals ermöglichen, die Hände frei zu haben, um in der Dunkel­heit den Armen zu helfen.

Das Lucia Fest ist auch in den skan­di­navis­chen Län­dern, in denen es heute beson­ders gefeiert wird, kein altes Fest. Zwar gibt es (wie auch aus dem mit­teleu­ropäis­chen Raum) aus dem Mit­te­lal­ter stam­mende Berichte von Gebräuchen für den Tag der Lucia bzw. Frau Per­ch­ta (die “hell leuch­t­ende”, eine mit Frau Holle ver­wandte Sagengestalt, die in der kon­ti­nen­tal­ger­man­is­chen und slaw­is­chen Mytholo­gie auftritt), doch die heute ver­bre­it­ete Form des Festes ist jün­geren Datums. Es ver­dankt seine Entste­hung dem Umstand, dass bis zum Jahr 1752 der Lucia-Tag am 13. Dezem­ber etwa 100 Jahre lang der kürzeste Tag des Jahres war. Das lag daran, dass dem damals gel­tenden Julian­is­chen Kalen­der Schalt­tage fehlten und die Son­nen­wen­den und Tag-und-Nacht­gle­ichen sich stetig ver­schoben. Erst mit der Ein­führung des Gre­go­ri­an­is­chen Kalen­ders änderte sich dies und der kürzeste Tag bleibt seit­dem der 22. Dezem­ber. Das Lucia-Fest ver­dankt seine Entste­hung also der Wintersonnenwende.

Für das Mantra 36 k hat­te ich aus­ge­führt, dass Sankt Mar­tin die Boas-Säule darstellt, Sankt Niko­laus die Jachin-Säule. Zu jed­er Säule gehören bes­timmte ätherische Aspek­te, die weib­lich dargestellt wer­den. Zur Jachin-Säule des Wahrnehmungs-Som­mer-Hal­b­jahres gehört der soge­nan­nte hohe Äther, über den der Men­sch seit dem Sün­den­fall nicht mehr ver­fügt: der Leben­säther und der chemis­che Äther. Zur Boas-Säule des seel­is­chen Innen­raumes und des Denkens gehören die niederen, gefal­l­enen Äther­arten, die jedem zum per­sön­lichen Gebrauch über­lassen sind: der Licht- und der Wärmeäther.

Beim Wei­h­nachts­fest kommt es darauf an, dass das heilige Kind im Herzen der Men­schen, im Innen­raum geboren wird. Die gebärende Kraft, die Maria, ist hier der Licht- und der Wärmeäther. Diese Äther­arten sind warm. Der hohe Äther ist dage­gen eine kalte, der Ewigkeit zuge­hörige Kraft. Die weib­liche Oktave der Jachin-Niko­laus-Säule ist die Lucia. Ich sehe sie als das Göt­tlich-Weib­liche, die Eis- und Schnee-Jungfrau, die die Lebens- und Formkraft des Kos­mos auf der Erde in jed­er Schneeflocke zur Erschei­n­ung bringt.

Deshalb trägt sie ein weißes Gewand. Und das rote Band deutet auf die rote Jachin-Säule, das rote Blut, das von Gen­er­a­tion zu Gen­er­a­tion das Leben weit­ergibt, auf die ätherische Urflut des Lebens. Für mein Gefühl ist das Bild dem Urbild am näch­sten, wenn die Lucia eine Kro­ne mit sieben Kerzen trägt, sechs im Kreis und eine in der Mitte, denn durch die Sieben wurde die Ganzheit der jungfräulichen See­lenkräfte aus­ge­drückt. Die sieben Ple­jaden gal­ten als sieben Jungfrauen oder sieben Tauben, Atlas hat­te sieben Töchter, eben­so Jitro, (Jethro) deren eine Moses ver­di­enen wollte.

Zehn Tage vor dem Lucia-Tag ist am 4. 12. der Tag der Heili­gen Bar­bara, der Heili­gen der Bergleute in der Dunkel­heit der Tiefen der Erde. In zehn Schrit­ten, durch die zu den Säulen Jachin und Boas gehören­den zehn Sephi­roth steigen wir von der Heili­gen Bar­bara, von der Fin­ster­n­is, in die licht­en Höhen der Lucia auf.

Was beschreibt das Mantra 37 l?

Für mich spricht aus diesem Mantra die Seele der Men­schheit, die himm­lis­che Maria — oder genauer ihre Vorgän­gerin, die ägyp­tis­che Göt­tin Isis. Sie trug das göt­tliche Kind auf die Erde — Jahrhun­dert für Jahrhun­dert immer näher an die Erde her­an, bis es schließlich in Beth­le­hem durch Maria geboren wurde. Durch sie ver­wirk­licht sich der Wille des Vater-Gottes, sie trägt sein Kind, sie han­delt in seinem Auf­trag. Auch jet­zt ist sie die vor­bere­i­t­ende See­lenkraft, durch die sich der Vater-Gott ausspricht. Sie führt zur Christ­ge­burt. Für mich ist das Wesen, das im Mantra als Ich auftritt, weib­lich. Für mich ist es das göt­tlich Weib­liche, das hier als Ich-Sprecherin auftritt und den Willen des Vater-Gottes kund­tut. Wir ken­nen dieses göt­tlich Weib­liche als die Isis der alten ägyp­tis­chen Kul­tur und später als Maria, die Mut­ter Jesu. Im Mantra lebt die Christ-Erwartung, wie Maria oder Isis es aussprechen kön­nte. Ich lese das Mantra als ihre wörtliche Rede. Gemäß der zweit­en Zeile des Mantras ist es der selige Trieb, das selige Bestreben ihres men­schheitlich-himm­lis­chen Herzens, Geis­tes­licht in die Dunkel­heit der Wel­tenwin­ter­nacht zu tragen.

Seligkeit beschreibt die dritte Stufe eines Ein­wei­hungsweges. Rudolf Stein­er führt aus: „Man unter­schied bei der Ein­führung in die Mys­te­rien drei Stufen, durch die der Men­sch hin­durchge­hen mußte. Die erste Stufe war die Dumpfheit, die zweite Stufe war der «Zwifel», die dritte Stufe war die «Saelde». Die erste Stufe war die, auf welch­er der Men­sch von allem Vorurteil der Welt hin­wegge­führt wurde, hingewiesen wurde auf die Kraft sein­er eige­nen Seele, seine eigene Liebeskraft, damit er das innere Licht leucht­en sehen kon­nte. Die zweite Stufe war der Zwifel, Zweifel. Dieser Zweifel an allem kommt auf der zweit­en Stufe der Ein­wei­hung, und er wird auf ein­er höheren Stufe hin­aufge­hoben in die innere Seligkeit = Saelde. Dies war die dritte Stufe, das bewußte Zusam­men­führen mit den Göt­tern.“ (Lit.: GA 97, S. 266) Die Ich-Sprecherin befind­et sich also auf der drit­ten und höch­sten Stufe der Ein­wei­hung. Sie wirkt aus der Ein­heit mit dem Göttlichen.

Es ist nicht ihr, der Ich-Sprecherin Plan, Geis­tes­licht in Wel­tenwin­ter­nacht zu tra­gen. Es ist nicht ihr per­sön­lich­es, mit dem Ver­stand erdacht­es Ziel, dies zu tun. Kein­er­lei Ehrgeiz oder Eit­elkeit motivieren sie. Es ist der Trieb, das unbe­wusst-unschuldige Streben ihres Herzens, es sind die lei­t­en­den Unter­gründe des Schick­sals, die sie führen. Leise klingt in dem Bild des See­len-Triebes auch der pflan­zliche Trieb, der Spross an. Der Pflanzen-Trieb erin­nert an das Bild des Stamm­baumes, der mit jed­er neuen Geburt einen neuen Trieb bildet. Im Wei­h­nacht­slied “Es ist ein Ros entsprun­gen” besin­gen wir diesen sprossenden Trieb.

Geis­tes­licht trägt die Ich-Sprecherin in die kalte, dun­kle Nacht des Wel­ten-Win­ters, in die gle­ich dem gefrore­nen Eis hart und undurch­dringlich gewor­dene physis­che Welt. Das Geis­tes­licht, das alles enthält, woraus sich irdis­che Wesen bilden, trägt sie in die Leere der Fin­ster­n­is. Und sie hat ein Ziel. Leuch­t­ende See­lenkeime sollen in Wel­tengrün­den wurzeln. Das ein­heitliche Geis­tes­licht ver­sprüht dabei in lauter Licht­funken, die wie Licht-Samen in die Fin­ster­n­is fall­en, dort keimen und nun zu See­lenkeimen gewor­den sind — zu Keimen neuen Lebens. Indem das Geis­tes­licht sich in Leben wan­delt, wird es ein wider­strahlen­des, leuch­t­en­des See­len­licht (siehe Zitat oben). Dieses Leben ist pflan­zlich­er Natur, es wurzelt. Die leuch­t­en­den See­lenkeime wurzeln in den Grün­den, den tief­sten Punk­ten der Welten.

Es ist nicht nur von ein­er Welt und ihrem Grund die Rede, son­dern von mehreren — von Wel­tengrün­den. Ich denke, dass es sich um die drei Wel­ten, die in vie­len alten Kul­turen bekan­nt waren, han­delt: von der Ober­welt, der mit­tleren Welt und der Unter­welt. In der ger­man­is­chen Mytholo­gie herrschen in der Ober­welt, in Asgard, die Göt­ter, in der mit­tleren Welt, in Midgard, leben die Men­schen und in der Unter­welt hausen die Riesen sowie die Ver­stor­be­nen bei Hel. Die Ober­welt ist hell, klar und struk­turgebend wie das Denken. Die mit­tlere Welt ist durch­zo­gen von Freude und Leid und damit der Ort des Füh­lens. In der Unter­welt ver­bildlichen die Riesen die urge­walti­gen Veg­e­ta­tion­skräfte, gle­ichzeit­ig sind die Toten hier zu Hause. Leben und Tod, die wil­len­shafte schöpferische Kraft des “Stirb und Werde” wirkt aus der Unter­welt, der Welt des tief unter­be­wussten Wil­lens. Indem die See­lenkeime begin­nen sich zu entwick­eln, wurzeln sie dreifach, wie es von der Esche Yggdrasil erzählt wird. Jede ihrer Wurzeln ist in ein­er anderen Welt ver­ankert. So wurzeln die See­lenkeime in drei Wel­ten, in den Unter­grün­den des Denkens, Füh­lens und Wollens.

Indem die Leben in die Welt tra­gende weib­liche Kraft die See­lenkeime in die Welt trägt, wirkt sie in vol­lkommen­er Har­monie mit dem Männlich-Göt­tlichen, den Logos- oder Wortkräften. Sie ermöglicht es der alles gestal­tenden, struk­turi­eren­den Kraft des göt­tlichen Wortes, das Sein — die Urma­terie — zu durchtö­nen, Leben zu ermöglichen und Har­monie entste­hen zu lassen zwis­chen Geist und Materie. Dieses “Tönen” wird als Sphären­har­monie beze­ich­net und ist Aus­druck der hohen Äther­ma­cht des chemis­chen- oder Tonäthers, wie die sinns­tif­tende, gestal­tende Kraft des göt­tlichen Wortes Aus­druck ist der noch höheren Äther­ma­cht, des Leben­säthers. Das Sin­nes­dunkel des Urchaos wird dadurch gestal­tend durchtönt, tönend gestal­tet — und dadurch verk­lärt. Es wird klar und licht durch die Ver­wirk­lichung der göt­tlichen Absicht.

Das Gotteswort ist unvorstell­bar mächtig. Im Zitat oben spricht Rudolf Stein­er vom “hin­rol­len­den Wel­tendon­ner”, der in der Wel­ten­mit­ter­nacht gehört wird. Was hier don­nernd erlebt wird, sind die nach karmis­chem Aus­gle­ich rufend­en Tat­en früher­er Leben, die das kom­mende vor­bere­it­en. Es sind die Verfin­sterun­gen der Seele, die durch kom­mende Schick­sale zur Klarheit geführt wer­den können.

Das Mantra erhebt sich in diesen Zeilen von der bildlich-imag­i­na­tiv­en Sprache am Anfang zum Lauschen, zur Wahrnehmung der Inspi­ra­tion. Durch diese zweite Stufe der rein geisti­gen Wahrnehmung wird die Welt der Sphären­har­monie hör­bar. Im Gotteswort wird auf die höch­ste Stufe geistiger Erken­nt­nis gedeutet, der Wesens­begeg­nung in der Intu­ition. Jedes Wort entstammt einem Wesen, dem ich durch das Ver­ste­hen des Wortes begegne.

Beziehe ich das Mantra auf mich als Leser, so erlebe ich das Geis­tes­licht in meinem Denken. Im men­schlichen Denken wirkt das göt­tliche Wort als die Fähigkeit, die Struk­turen zu erken­nen und sin­nvoll zu deuten, sin­ntra­gende Bedeu­tungszusam­men­hänge zu erschaf­fen: es wirkt — kurz gesagt — als Intel­li­genz. Immer wenn ich nach­denke und etwas ver­ste­he, erhellt sich mein Bewusst­sein ein Stück. Dann trage auch ich Geis­tes­licht in Wel­tenwin­ter­nacht. Mein neu gewonnenes Ver­ständ­nis wird See­lenkeim, wird Same, der in See­len­grün­den wurzelt, indem er Gefüh­le, Wil­len­sim­pulse und weit­ere Erken­nt­nisse begrün­det. Rudolf Stein­er sagt, dass im Äther­herzen all diese Früchte des Lebens auf­be­wahrt wer­den für eine zukün­ftige Inkar­na­tion. “Dieses bleibende Äther­herz [nach der Geschlecht­sreife], das ist aber erst ganz geeignet, unsere Tätigkeit voll aufzunehmen. … Das richtige Bilden des Kar­mas geschieht …, wo das astralis­che Herz in das ätherische Herz voll ein­greift, wo sich diese zusam­men­schal­ten. Aber es ist das auch, wenn ich so sagen darf, der Organ­is­mus der Karma­bil­dung.” (GA 212, S. 126f) Das bedeutet, das Herz strebt danach, es treibt mein Leben in die mir gemäße, karmisch bes­timmte Rich­tung und sorgt gle­ichzeit­ig durch die Vor­bere­itung kün­fti­gen Kar­mas für die notwendi­ge Harmonisierung.

Es ist ein hohes Ziel für den Men­schen, sel­ber die Har­monie zu ver­wirk­lichen, sodass auch seine Schöp­fun­gen alles Sein verk­lärend — nicht störend — durchtönen.