39 n

An Geis­te­sof­fen­barung hingegeben

Gewinne ich des Wel­tenwe­sens Licht.

Gedankenkraft, sie wächst

Sich klärend mir mich selb­st zu geben,

Und weck­end löst sich mir

Aus Denker­ma­cht das Selbstgefühl.

Das Datum des Jahreswechsels und der Name Silvester

Das Jahre­sende, das wir heute Sil­vester nen­nen, wurde bere­its im Römis­chen Reich gefeiert, erst­mals als der Jahres­be­ginn 153 v. Chr. vom 1. März auf den 1. Jan­u­ar ver­legt wurde. Es war eine römis­che Sitte, das Jahr nach dem zehn­ten Monat, dem Monat Dezem­ber (lateinisch decem = zehn) neu zu begin­nen, denn in diesem Monat wurde das Fest der unbe­siegten Sonne, Sol invic­tus, die Win­ter-Son­nen­wende gefeiert. Seinen Namen “Sil­vester” (Wald­men­sch, lateinisch sil­va = Wald) erhielt der let­zte Tag des Jahres erst 1582 mit der Gre­go­ri­an­is­chen Kalen­der­reform. Bis dahin war der 24. Dezem­ber der let­zte Tag des Jahres. Da der 31. Dezem­ber der Todestag von Sil­vester I. († 31. Dezem­ber 335) und seit 812 auch sein Namen­stag ist, wurde dieser Tag mit seinem Namen verbunden.

39 n — das Schwellen-Mantra des Winter-Halbjahres

So wie der Tag des Heili­gen Abends immer in der Woche 38 m liegt, ist Sil­vester immer in der Woche 39 n. An Sil­vester ste­hen wir vor der Schwelle zum neuen Jahr. In den meis­ten Jahren reicht die Woche mehr oder weniger in das neue Jahr hinein. Die Jahre 2023 und 2022 zeigen die Extrem­si­t­u­a­tio­nen. Im Jahr 2022 geleit­ete uns das Mantra 39 n nur bis zur Schwelle, denn Sil­vester fiel auf einen Sam­stag. Im Jahr 2023 ist Sil­vester ein Son­ntag und damit der Beginn der Woche 39 n, deren größter Teil im neuen Jahr liegt.

Das Mantra 39 n ist das 13. Mantra im 26 Mantren umfassenden Win­ter-Hal­b­jahr und ste­ht damit vor dem Scheit­elpunkt dieses Hal­bkreis­bo­gens. Beschreibt das Herb­st-Viertel­jahr den Abstieg in die eigene Seele, so sind wir mit dem let­zten Mantra dieses Vier­tels am Grund der Seele angekom­men. Was danach fol­gt wen­det sich wieder zum Aufstieg.

So wie mit dem entsprechen­den Mantra im Som­mer-Hal­b­jahr (14 N) ist auch mit dem Schwellen-Mantra des Win­ter-Hal­b­jahres (39 n) eine Beson­der­heit ver­bun­den, die sich im Auf­bau des See­lenkalen­ders zeigt. Was sich son­st auf zwei kor­re­spondierende Mantren aufteilt, fällt hier in eins: Das zum Mantra 39 n gram­matikalisch spiegel­nde Mantra 14 N trägt außer­dem den gle­ichen Buch­staben und ist dadurch sowohl Spiegel- als auch Gegen­spruch. Lebt die Seele füh­lend im gegen­wär­ti­gen Spruch, ist mit dem Spiegel­spruch ins­beson­dere das Denken ver­bun­den, mit dem Gegen­spruch der Wille. Denken und Wille verbinden sich in diesem Fall im Mantra 14 N. Und das gle­iche geschieht, wenn wir im Som­mer-Hal­b­jahr sind mit dem Mantra 39 n. Aus diesem Grund nenne ich die Mantren 14 N und 39 n Schwellen­sprüche.

Das Zusam­men­wirken von Denken und Wille nen­nt Rudolf Stein­er eine der Voraus­set­zun­gen, um die Schwelle zur geisti­gen Welt zu über­schre­it­en: “Denkübun­gen auf der einen Seite, Wil­len­sübun­gen auf der anderen Seite muß man machen, wenn sich das Tor öff­nen soll zur übersinnlichen Welt, in die wir ein­treten müssen, wenn wir uns unser­er­seits, als Men­schen, nach unserem Ewigen erken­nen wollen, und wenn wir die Welt nach dem Ewigen erken­nen wollen. Die Denkübun­gen, sie wer­den ger­ade dadurch vol­l­zo­gen, daß wir uns darauf besin­nen, wie immer Wil­len­sar­tiges in das Denken hinein­spielt; die Wil­len­sübun­gen, indem wir das Hinein­spie­len des Denkens in den Willen beacht­en. Nur im gewöhn­lichen Leben beacht­en wir dieses Wil­len­sar­tige nicht. Um zur mod­er­nen Ini­ti­a­tion zu kom­men, müssen wir ger­ade den leisen Willen, der in dem Vorstel­lungsleben darin­nen ist, beacht­en. Das müssen wir nach und nach erre­ichen durch die Übun­gen, die ich beschrieben habe in meinem Buche «Wie erlangt man Erken­nt­nisse der höheren Wel­ten?». Das ist es ger­ade, was ich hier andeuten will: Wir müssen das, was für gewöhn­lich ger­ade das Wichtig­ste ist, den Gedanken­in­halt zurück­treten lassen und den Willen im Denken bewußt gebrauchen ler­nen.” (Lit.: GA 211, S. 144)

Des Weltenwesens Licht

Im Mantra 39 n wird von dem zu gewin­nen­den Licht gesprochen. Dieses Licht entstammt dem Wel­tenwe­sen und wird durch Geis­te­sof­fen­barung gewon­nen. Um welch­es Wel­tenwe­sen han­delt es sich hier? Rudolf Stein­er führt dazu fol­gen­des aus und benutzt tat­säch­lich gegen Ende des Zitats auch den Begriff “Wel­tenwe­sen­heit­en” für die im Kos­mos wirk­enden Instanzen des Wel­tenwil­lens, Wel­tenfüh­lens und Wel­tendenkens. Das Wel­tenfühlen wird im Men­schen zum inneren Licht. Vorher spricht er vom Wel­tenwillen, nach­fol­gend vom Wel­tendenken. Der Voll­ständigkeit hal­ber zitiere ich die Aus­führun­gen zu allen drei kos­mis­chen Seelenfähigkeiten.

„Wenn wir nun aber des Mor­gens … aufwachen, … wo wir an dem Hüter der Schwelle vor­beigekom­men sind, dann merken wir, daß alles das­jenige, was wir in unserem Leben an Willen, an Gefühl, an Denken in uns entwick­eln kön­nen, eine Kleinigkeit ist gegenüber der Kraft der Gedanken, der Kraft des Füh­lens und der Kraft des Wol­lens, die in der geisti­gen Welt aus­ge­bre­it­et sind, aus der wir am Mor­gen her­auskom­men im Moment des Aufwachens; und wir merken, daß wir das brauchen, was wir in der Nacht einge­so­gen haben, denn wir wür­den nicht weit kom­men, wenn wir nur das­jenige an Gedanken und Gefühlen und an Wollen entwick­el­ten, was wir durch das Tagesleben entwick­eln kön­nen. Da muß uns wie eine Gabe aus geisti­gen Wel­ten, aus den höheren Kräften des Wel­tendenkens, des Wel­tenfüh­lens, des Wel­tenwol­lens die ganze Nacht über zus­trö­men das­jenige, was nun mit uns in unser eigenes Innere hin­un­ter­steigt. Wenn wir uns zuerst bewußt gewor­den sind, daß wir einge­so­gen haben in unsere Seele Wel­tenwollen, Wel­tenfühlen, Wel­tendenken, dann merken wir, daß diese drei Grund­kräfte nicht das­jenige sind, was wir uns sel­ber aus dem Leben angeeignet haben an Denken, Fühlen und Wollen, son­dern etwas, was ohne unser Zutun uns zus­trömt vom Ein­schlafen bis zum Aufwachen.

Indem wir mit unser­er Seele, die sich gle­ich­sam vollge­so­gen hat mit diesen Eigen­schaften, unter­tauchen in unsere eigene Leib­lichkeit, merken wir, daß sich diese Grund­kräfte ver­wan­deln und ein anderes Gesicht bekom­men. Und zwar merken wir, daß sich das­jenige, was wir in einem schwachen Abbilde als Willen unser­er Seele ken­nen, was wir uns aber mit­brin­gen aus einem unendlich viel größeren Maß von Wel­tenwillen, daß sich das im Ein­strö­men ver­wan­delt in etwas, was uns die Möglichkeit gibt, bewegliche Wesen zu sein, die aus ihrem Inneren her­aus die Fähigkeit haben, die Glieder zu bewe­gen, im kleinen und im großen. Es strömt in uns ein die Möglichkeit und die Fähigkeit, die wir äußer­lich zutage treten sehen, wenn wir einen Men­schen sehen, der die Arbeit des Tages mit seinen Bewe­gun­gen ver­richtet. Was da in uns hine­in­strömt, was wir aus dem Wel­tenwillen her­aus­nehmen, das wird äußer­lich sicht­bar in der Bewe­gung unser­er Glieder, in unser­er gesamten Beweglichkeit. Es kommt das­jenige, was Wel­tenwille ist, in uns als Kraft, als innere, uns erfül­lende Kraft zum Vorschein. Wir sehen jet­zt, wie tat­säch­lich die uns durch­set­zende Kraft, die wir son­st nur see­len­haft ver­spüren, uns aus dem Wel­tenwillen her­aus zus­trömt. Jet­zt wird es für uns eine Wahrheit, daß Wille die Welt durch­strömt, daß der Wille der Welt uns durch­strömt, und daß wir nur dadurch bewegliche Men­schen sind, Men­schen, die ihre Glieder bewe­gen kön­nen, Men­schen, die Selb­st­tätigkeit haben, daß uns am Mor­gen zufließt Wel­tenwille, den wir einge­so­gen haben in unsere Seele im Schlafzu­s­tand. Diesen Wel­tenwillen, der in uns ein­strömt am Mor­gen, ver­brauchen wir während des Tages. Dieses Ein­strö­men fühlen wir nicht im gewöhn­lichen nor­malen Leben. Aber wenn wir an dem Hüter der Schwelle vor­beigekom­men sind, dann fühlen wir fortwirken in uns sel­ber den ganzen Willen des Makrokos­mos, da fühlen wir uns ein­heitlich mit dem Wel­tenwillen zusam­mengewach­sen. Es ist ein unendlich bedeut­sames Gefühl, das wir da durch­machen. Wie ver­bun­den, wie eingeschal­tet in den gesamten Wel­tenwillen fühlen wir uns in diesem Momente.

Das­jenige aber, was wir im gewöhn­lichen See­len­leben ken­nen als die Kraft des Füh­lens, das haben wir aus einem gle­ich­sam unendlichen Reser­voir von Wel­tenfühlen her­aus­ge­so­gen, und das strömt jet­zt in uns ein. Und das ver­wan­delt sich so, daß es für den, welch­er so weit entwick­elt ist, inner­lich so sicht­bar wird, wie wenn ihn in diesem Wel­tenge­fühl etwas durch­strömte, was sich, wenn man es ver­gle­ichen will mit etwas im Leben, nur ver­gle­ichen läßt mit dem Licht. Wie wenn wir inner­lich durch­leuchtet wür­den, so ist es, wenn man hin­blickt auf das, was in uns ein­strömt als die Wirkung des im Schlafe aufgenomme­nen Wel­tenge­fühls. Das ein­strö­mende Wel­tenge­fühl wird Licht in uns, inneres Licht; äußer­lich ist es nicht sicht­bar, aber der hellse­herisch gewor­dene Men­sch sieht, wenn er an dem kleinen Hüter der Schwelle vor­beigekom­men ist, daß tat­säch­lich das Licht, das er braucht zu seinem inneren Erleben, das nichts anderes ist als ein Ergeb­nis dessen, was er in der Nacht einge­so­gen hat als Wel­tenge­fühl. Damit sehen wir schon, wie der Men­sch, wenn er hingegeben ist seinem eige­nen Inneren, über seine Seele etwas ganz Neues erfährt. Er erfährt, was aus dem Makrokos­mos ihm zus­trömt und was daraus in seinem Inneren wird. Und man hat das­jenige, was astralis­ch­er Leib ist, wahrhaftig und wesen­haft vor sich, wenn man die Kräfte und Fähigkeit­en der äußeren Wel­tenwe­sen­heit­en in sich ein­strö­men fühlt.

Das, was die Kraft des Denkens ist, das nimmt sich dann so aus, daß es in uns wie ein Ord­ner, wie ein Reg­u­la­tor wirkt zwis­chen dem, was uns als Kraft der Bewe­gung, und dem, was uns als inneres Licht zus­trömt. Zwis­chen diesen bei­den muß eine Art Gle­ichgewicht geschaf­fen wer­den, daß niemals ein unrichtiges Ver­hält­nis entste­ht zwis­chen dem, was als inneres Gefühl und was als Tätigkeits­drang entste­ht. Würde nicht das richtige Ver­hält­nis geschaf­fen sein zwis­chen innerem Licht und Tätigkeits­drang, so würde die men­schliche Leib­lichkeit nicht in der richti­gen Weise von innen her­aus ver­sorgt wer­den. Wenn das eine oder das andere im Über­fluß vorhan­den wäre, dann müßte der Men­sch zugrunde gehen. Nur beim richti­gen Gle­ichgewicht kann der Men­sch seine inneren Kräfte so ent­fal­ten, daß sie sein­er äußeren Exis­tenz in der richti­gen Weise dienen.

So sehen wir diese drei Kräfte am Men­schen im Schlafzu­s­tande arbeit­en, und sie wirken so in uns fort, daß sie unseren äußeren Men­schen vom Mor­gen bis zum Abend so anfeuern, daß er voll­brin­gen kann, was er voll­brin­gen soll. Wenn wir dies ins Auge fassen, dann kön­nen wir uns sagen, es ist in der Tat unsere Seele recht klein gegenüber dem, was da in der großen Welt ist, in die wir aus­gegossen waren während des Schlafzu­s­tandes; aber es ist unsere Seele dem doch ähn­lich. So wie in unser­er Seele sich nach und nach zu immer höher­er und höher­er Stufe entwick­eln Denken, Fühlen und Wollen, so ist draußen in der unsicht­baren, übersinnlichen Welt das aus­gegossen, was Wel­tenfühlen, Wel­tendenken, Wel­tenwollen ist.” (GA 119, viert­er Vor­trag Wien, 24. März 1910, S. 113ff, Her­vorhe­bun­gen A.F.)

Der Jahres­lauf in der Ei-Ori­en­tierung gibt eine Idee für ein ein­heitlich­es wol­len­des, füh­len­des und denk­endes Wel­tenwe­sen. Die Per­son­ifizierung ist die Maria auf der Mond­sichel, die das Kind trägt. Der Zusam­men­hang des Füh­lens mit dem Licht wird durch das son­nen­gle­iche Zen­trum des Jahres­laufes deut­lich, der zur Bewe­gung führende Wel­tenwille durch die bewegliche Oster­scholle. Stellt die Osterzeit den Mond, d.h. den Willen im Jahr dar und das Zen­trum des Jahreskreis­es die Sonne, d.h. das Fühlen, so verdeut­lich das ober­ste Drit­tel mit dem von mir gewählten Sechsstern das Denken. Seine Auf­gabe ist es, die Kraft der Bewe­gung, den Willen und das innere Licht, das Fühlen zu ord­nend zu reg­ulieren. Die zwei ineinan­der geschobe­nen Dreiecke repräsen­tieren diese ord­nende Tätigkeit des Denkens stimmig.

Jahres­lauf in Ei-Ori­en­tierung mit der Maria auf der Mond­sichel und den drei Bere­ichen des Wel­tendenkens, Wel­tenfüh­lens und Weltenwollens 

 

Ein zweit­er Aspekt ist das Ver­hält­nis der äußeren Sonne zu dieser inneren, was Rudolf Stein­er fol­gen­der­maßen schildert: „Im äußeren Bewusst­sein schaut der Men­sch das äußere Son­nen­licht an, wie es ihm zurück­ge­wor­fen wird von der äußeren Erde. Was das äußere Son­nen­licht äußer­lich an den Din­gen der Erde tut, das nimmt das äußere, das alltägliche Bewusst­sein des Erden­men­schen wahr. Was das Son­nen­licht an ihm sel­ber tut, was es tut, indem es seinen mit­tleren Men­schen möglich macht, was es tut, indem es hinein­dringt in den mit­tleren Men­schen mit sein­er Wirk­samkeit, das erscheint als flu­ten­des Licht vor dem Men­schen, wenn er okkul­tistis­ch­er Aspi­rant wird. Er sieht die Sonne in sich sel­ber in genau der­sel­ben Weise, wie er die Sonne äußer­lich sieht, wenn der Tag begin­nt und solange der Tag dauert. Und wie er die Gegen­stände um sich herum sieht, indem das Son­nen­licht zurück­geschickt wird von den äußeren Gegen­stän­den, so sieht der okkul­tistis­che Aspi­rant das Son­nen­hafte, wie es ihm von seinem eige­nen Inneren zurück­gegeben wird, wenn er zu ein­er gewis­sen Stufe des Hellse­hens gelangt ist. Es ist gle­ich­sam die Gestalt seines mit­tleren Men­schen, die sich in ihrer Durch­leuchteth­eit zeigt“ (GA 137, S. 131f, Her­vorhe­bung A.F.).

Der mit­tlere Men­sch ist der auf dem rhyth­mis­chen Sys­tem basierende Brustko­rb-Men­sch, der Fühl-Men­sch. Dieses Fühlen strahlt vom Men­schen aus wie die Sonne. Es tastet die seel­is­che Umge­bung ab und reagiert mit ver­schiede­nen Graden von Sym­pa­thie oder Antipathie auf alles, was in die füh­lende Wahrnehmung tritt. Dadurch erwacht das Bewusst­sein. So wie das äußere Licht erst sicht­bar wird, wenn es auf etwas auftrifft, wenn es ein Beleuchtetes gibt, braucht die Seele dieses Außen, auf das sie reagiert, um ihr Bewusst­seinslicht zu erleben. Dieses innere Licht ist nicht das Denken. Es ist eine Voraus­set­zung, um das Denkver­mö­gen zu betätigen.

Einen drit­ten Aspekt dieses geisti­gen Licht-Erlebens schildert Rudolf Stein­er als eine Stufe der Ein­wei­hung und verbindet dieses Erleben mit der Win­ter­son­nen­wende: “Wie der Mys­tik­er die Fähigkeit hat, in sein eigenes Inneres hin­un­terzusteigen, so erlangten sie (die nördlichen, mit­teleu­ropäis­chen Völk­er) die Fähigkeit …, die Materie zu durch­schauen, das heißt, sie kon­nten nicht bloß das sehen, was man als Ober­fläche wahrn­immt, son­dern sie kon­nten durch diese hin­durch­schauen, vor allen Din­gen ver­mocht­en sie in der Zeit von Son­nenun­ter­gang bis Son­nenauf­gang durch unsere Erde hin­durchzuschauen, und durch die durch­sichtige Erde hin­durch erglänzte ihnen lebendig die Sonne. Das nan­nte man in den alten Mys­te­rien das Schauen der Sonne um Mit­ter­nacht. Allerd­ings kon­nte die Sonne in ihrer größten Fülle und Her­rlichkeit nur dann geschaut wer­den, wenn man sich mit sein­er Seele in der Zeit der Win­ter­son­nen­wende jen­em Zus­tande genähert hat­te, wo der ganze äußere Sinnestep­pich abgestor­ben war. Dann hat­te man die Fähigkeit errun­gen, die Sonne zu schauen, jet­zt nicht als eine blendende Wesen­heit, wie sie bei Tag erscheint, son­dern alles Blendende an der Sonne war abgeschwächt; man sah die Sonne nicht mehr als physis­ches Wesen draußen, son­dern als geistiges Wesen. Man schaute den Son­nengeist. Was als physis­che Wirkung wie eine Blendung wirk­te, war aus­gelöscht durch die Materie der Erde. Diese war durch­sichtig gewor­den, und sie ließ nur das Geistige der Sonne durch.” (GA 119, Wien, 23. März 1910, S. 99f, Her­vorhe­bung A.F.)

Selbstgefühl

Das Mantra führt zum “Selb­st­ge­fühl”. Selb­st­be­wusst­sein und Selb­st­sicher­heit sind uns heute geläu­fig. Doch was ist mit “Selb­st­ge­fühl” wirk­lich gemeint? Nach Rudolf Stein­er ist das Selb­st­ge­fühl die Wahrnehmung des “Ich bin”. Diese Wahrnehmung in der eige­nen Innen­welt entwick­elte sich auf Kosten der Wahrnehmung des Geisti­gen in der Außen­welt. “Wenn wir also zurück­ge­hen in Zeit­en, in denen für die Zivil­i­sa­tion die alten ori­en­tal­is­chen Anschau­un­gen tonangebend waren, so war es eben so, daß die Men­schen im alltäglichen Leben eine beseelte Natur emp­fan­den, aber ein ganz schwach­es, fast gar kein Selb­st­ge­fühl hat­ten, gar nicht dieses Selb­st­ge­fühl in der Überzeu­gung «Ich bin» zusam­men­faßten, daß aber einzelne Men­schen, welche durch die Mys­te­rien­anstal­ten geschult wur­den, dazu gebracht wur­den, dieses «Ich bin» zu erleben.” (GA 211, Dor­nach, 25. März 1922, S. 50, Her­vorhe­bun­gen A.F.)

„Der Grieche hat­te immer­hin noch die Fähigkeit, die zwei Gesicht­spunk­te nebeneinan­der zu erleben, und zwar ohne beson­dere Schu­lung. Der Grieche erlebte noch deut­lich, wenn auch schwäch­er als die Men­schen älter­er Zeit­en, in Quelle, im Fluß, im Berg, im Baum das Geistig-Seel­is­che. Aber zu gle­ich­er Zeit kon­nte er abse­hen von dem Geistig-Seel­is­chen, auch das Tote in der Natur erleben und ein Selb­st­ge­fühl haben. Das gibt namentlich dem Griechen­tum seinen beson­deren Charak­ter. Der Grieche hat­te noch nicht eine solche Anschau­ung der Welt wie wir. Er kon­nte zwar schon solche Begriffe und Ideen von der Welt entwick­eln wie wir, aber er kon­nte zu gle­ich­er Zeit diejeni­gen Anschau­un­gen ernst nehmen, die noch in Bildern gegeben waren.” (GA 211, Dor­nach, 25. März 1922, S. 52, Her­vorhe­bung A.F.)

Rudolf Stein­er benutzt den Begriff des Selb­st­ge­fühls auch für eine Stufe auf dem Weg vom Tod zu ein­er neuen Geburt. Das Kamalo­ka (die Zeit der Reini­gung) hat er bere­its durch­schrit­ten und lebt nun im Son­nen­bere­ich, der eigentlichen Geist­welt. Da mir hier eine deut­liche Par­al­lele auf­fällt zu der oben ange­führten Schilderung der Bewusst­sein­sen­twick­lung hin zum Selb­st­ge­fühl, zitiere ich eben­falls etwas ausführlicher:

„Der Men­sch ist Geist unter Geis­tern. Aber das­jenige, was er als seine Welt jet­zt erblickt, ist das Wun­der der men­schlichen Organ­i­sa­tion sel­ber als Kos­mos, als ganze Welt. Wie hier Berge, Flüsse, Sterne, Wolken unsere Umge­bung sind, so ist dann, wenn wir als Geist unter Geis­tern leben, der Men­sch in sein­er wun­der­baren Organ­i­sa­tion unsere Umge­bung, unsere Welt. Wir blick­en hin­aus, wir blick­en – wenn ich mich bild­haft aus­drück­en darf – in der geisti­gen Welt links und blick­en rechts: wie hier über­all Felsen, Flüsse, Berge sind, so ist dort über­all Men­sch. Der Men­sch ist die Welt. Und an dieser Welt, die eigentlich Men­sch ist, sind wir beschäftigt. …

Das ist das große Geheim­nis, dass die Him­mels­beschäf­ti­gung des Men­schen darin­nen beste­ht, den großen Geistkeim für den späteren Erden­men­schen sel­ber zu weben mit den Geis­tern der höheren Hier­ar­chien zusam­men. Und jet­zt weben wir – aber in riesiger Größe in dem Geistkos­mos darin­nen – das Gewebe unseres eige­nen Erden­men­schen, der wir dann sind, wenn wir wiederum zum Erden­leben heruntersteigen. …

Dann tritt ein ander­er Zus­tand ein. Das­jenige, was vorher war, war so, dass man die einzel­nen Geist­we­sen als Indi­vid­u­al­itäten wirk­lich geschaut hat. Man lernte sozusagen von Angesicht zu Angesicht, indem man mit ihnen arbeit­ete, die Geist­we­sen ken­nen. Dann tritt ein­mal ein Zus­tand ein, wo – ich möchte sagen, es ist nur bildlich gesprochen, aber man kann für diese Dinge ja nur Bilder anwen­den – diese Geist­we­sen immer undeut­lich­er und undeut­lich­er wer­den und mehr ein all­ge­meines Geist­ge­bilde auftritt. Man kann das so aussprechen, dass man sagt: Eine gewisse Zeit zwis­chen dem Tod und ein­er neuen Geburt erlebt man so, dass man unmit­tel­bar mit den Geist­we­sen lebt. Dann kommt eine Zeit, wo man nur in der Offen­barung der Geist­we­sen lebt, wo sie sich einem offen­baren. … (man lebt) ich möchte sagen mehr auf pan­the­is­tis­che Weise in ein­er all­ge­meinen geisti­gen Welt.

Indem Sie jet­zt in ein­er all­ge­meinen geisti­gen Welt leben, taucht aber aus Ihrem Inneren ein stärk­eres Selb­st­ge­fühl auf, als Sie vorher hat­ten. Vorher waren Sie in Ihrem Selb­st so, dass Sie gewis­ser­maßen eins waren mit der geisti­gen Welt, die Sie in Ihren Indi­vid­u­al­itäten erlebten. Jet­zt fühlen Sie die geistige Welt gewis­ser­maßen nur wie eine all­ge­meine Geistigkeit. Aber Sie fühlen sich stärk­er. Es erwacht die Inten­sität des eige­nen Selb­st­ge­füh­les. Und damit tritt langsam und allmäh­lich im Men­schen wiederum das Bedürf­nis auf nach einem neuen Erden­da­sein. Mit dem Erwachen des Selb­st­ge­fühls tritt das Bedürf­nis auf nach einem neuen Erdendasein. …

In dem Moment, wo die geistige Welt gewis­ser­maßen in ihren Indi­vid­u­al­itäten ineinan­der ver­schwimmt und der Men­sch die geistige Welt im all­ge­meinen wahrn­immt, erwacht in ihm das Inter­esse für die Erden­welt wiederum.“ (Stein­er, GA 226, Men­schen­we­sen, Men­schen­schick­sal und Wel­tentwick­lung, 2. Vor­trag, 17. 5. 1923, S. 26, 27, 29ff, Her­vorhe­bun­gen A.F.)

Nun zieht sich der Geistkeim zusam­men und die Suche nach einem geeigneten Eltern­paar begin­nt. Das Erwachen des Selb­st­ge­fühls gibt also den Impuls für die neue Inkar­na­tion. Die Bewe­gungs­dy­namik erhält dadurch den Impuls zur Umkehr – von der Aus­dehnung des geisti­gen Men­schen­we­sens bis in die Sat­urn­sphäre – oder auch darüber hin­aus in den Fixstern­raum — zum erneuten Zusam­men­ziehen, um schließlich den neuen men­schlichen Leib zu bilden.

Welchen Prozess beschreibt das Mantra 39 n?

Im Mantra wird der Weg von der Hingabe an die Geis­te­sof­fen­barung zur Wahrnehmung von sich sel­ber, dem Selb­st­ge­fühl geschildert. Dieser Weg entspricht der Bewusst­sein­sen­twick­lung der Men­schheit von der Ein­heit mit dem Göt­tlichen bis zur Ein­samkeit im eige­nen Ich. Was ein gewaltiger Prozess über sehr lange Zeiträume war, ist hier zusam­menge­drängt in die weni­gen Zeilen des Mantras.

Es begin­nt, indem der Ich-Sprech­er des Mantras und damit auch ich als Leser Licht gewinne durch die Hingabe an die Geis­te­sof­fen­barung. Wahrnehmend vol­lkom­men hingegeben an die Geis­te­sof­fen­barung schweigt das eigene Denken. Der Ich-Sprech­er ist eins mit der geisti­gen Wahrnehmung — sie offen­bart sich ihm. Sie schenkt sich ihm und er nimmt sie auf, ohne ihr erken­nend gegenüberzuste­hen. Dieser Zus­tand der Hingabe an die Wahrnehmung entspricht dem von Rudolf Stein­er geschilderten Ein­schlafen in die Wahrnehmung. Auch wenn wir eine äußere Wahrnehmung haben, schlafen wir ein für unsere Innen­welt und erwachen erst, wenn zur Wahrnehmung der Begriff hinzutritt — wenn das Denken einsetzt.

Durch die Hingabe an die Geis­te­sof­fen­barung gewin­nt der Ich-Sprech­er (und im Mitvol­lzug ich als Leser) das Licht des Wel­tenwe­sens. Wer ist dieses Wel­tenwe­sen, dessen Licht ich gewinne? Es ist, dem obi­gen Zitat Rudolf Stein­ers fol­gend, das Wel­tenfühlen, das in mir zum Licht wird, zu mein­er geisti­gen Son­nenkraft (siehe oben).

Ich gewinne dieses Licht. Das Verb gewin­nen weckt die Assozi­a­tion der Goldgewin­nung durch Ver­hüt­tung. Das Gold ist vorhan­den im Gestein, doch muss es her­aus­gelöst, geschmolzen wer­den. Im obi­gen Zitat zum Wel­tenfühlen beschreibt Rudolf Stein­er, dass dieses Licht des Nachts in mich ein­strömt. Wenn ich schlafend — das Mantra sagt an die Geis­te­sof­fen­barung, — d.h. in die Wahrnehmung hinein­schlafend hingegeben bin, gewinne ich dieses Licht; dann fließt es mir zu vom Wel­tenwe­sen des Wel­tenfüh­lens. Dann löse ich dieses Licht aus dem kos­mis­chen Zusam­men­hang her­aus und mache es zu meinem indi­vidu­ellen Licht.

Durch die Verbindung des Fühl-Men­schen, des mit­tleren Men­schen mit der Sonne kann ich auch annehmen, dass mit dem besagten Licht, das in mich ein­strömt während ich schlafe, oder anders aus­ge­drückt, das ich vom Wel­tenwe­sen gewinne, das kos­mis­che Son­nen­we­sen gemeint ist, der Chris­tus. Diese Aus­sage ste­ht mit der obi­gen Abbil­dung nicht im Wider­spruch, da der Son­nen­bere­ich der Maria auch für ihr Kind ste­ht und geistige Wesen nicht nebeneinan­der beste­hen, son­dern sich durchdringen.

Das geistige Licht ist für mein Ver­ständ­nis das Licht des Bewusst­seins jedoch noch bevor die Denk­tätigkeit ein­set­zt. Indem ich füh­lend mir mein­er Umwelt, d.h. alles dessen, das sich von meinem Eigen­sein abgren­zt, bewusst­werde, erwacht auch das Bewusst­sein für mich sel­ber — dafür, dass “ich bin”.

Jahve hat­te sich Moses im nie ver­löschen­den Dorn­busch offen­bart als der “Ich bin der Ich-Bin”. Rudolf Stein­er nen­nt diese Gotte­ser­fahrung eine Vorausspiegelung der Chris­tuser­fahrung. In sieben Ich-Bin-Worten gibt der Chris­tus sich seinen Jüngern zu erken­nen. Eines davon lautet direkt: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nach­fol­gt, wird nicht in der Fin­ster­n­is umherge­hen, son­dern wird das Licht des Lebens haben.“ (Joh. 8,12 EU) Vom Chris­tus gewinne ich also das Licht meines Bewusstseins.

Das Mantra fährt fort: “Gedankenkraft, sie wächst …” Das ist ver­ständlich, denn durch mein zunehmendes Bewusst­seinslicht wächst meine Gedankenkraft. Je kraftvoller die Gedanken geführt wer­den kön­nen, umso klar­er wird das Denken. Logisch zu denken bedeutete im alten Griechen­land, dem Logos gemäß zu denken. Rudolf Stein­er fordert, den Willen ins Denken zu brin­gen (siehe oben). Er meint damit den Wil­len­san­teil im Denken wahrzunehmen, der benötigt wird, um nicht assozia­tiv, son­dern sachgemäß die Denkschritte zu führen. Ein solch wil­lentlich geführtes Denken wird ein klares Denken, ein unter­schei­dungskräftiges Denken. Immer klar­er ste­he ich dadurch der Welt gegenüber und unter­schei­de mich von ihr. Das ist der Bewusst­sein­szu­s­tand des mod­er­nen Menschen.

Das Mantra sagt: Die Gedankenkraft gibt mir mich selb­st. Im Denken erfasst der Men­sch sein Ich. “Mir mich selb­st” klingt wie eine Ken­nung Odhins. In Odins Runen­lied, dem Hávamál der Lieder-Edda heißt es: „Vom Speer ver­wun­det, dem Odin gewei­ht, mir sel­ber ich selb­st, am Ast des Baums, dem man nicht anse­hen kann, aus welch­er Wurzel er spross.“ (Odhins Runen­lied 138, zitiert nach G. Jäger, Die Bild­sprache der Edda, 2010, Her­vorhe­bung A.F.) Odhin hing an der Esche Yggdrasil, dem Ich-Baum, wie Rudolf Stein­er ihn nen­nt, bis ihm die Runen erscheinen. Die Ich-Wahrnehmung, die für uns alltäglich­es Erleben ist, war für Odhin Ergeb­nis ein­er Ein­wei­hung. Die Wahrnehmung geistiger Wesen in der Natur erstar­rte ihm zur Rune. Zwar kon­nte er diese Runen lesen, die Spuren der Wirk­samkeit geistiger Wesen deuten, doch opferte er die unmit­tel­bare Geist­wahrnehmung, wurde ein Einäugiger. Erst dadurch wurde er wahrnehmungs­fähig für das Erleben des eige­nen Ichs. Durch die erstor­bene Außen­welt erwachte er für sein Ich. (Siehe diesen Zusam­men­hang im Zitat oben)

Das mod­erne Denken, das auf den ersten Blick wie eine Sack­gasse in der Men­schheit­sen­twick­lung wirkt, bere­it­et laut Rudolf Stein­er im Ver­bor­ge­nen den Fortschritt vor. Möglicher­weise nimmt das Mantra mit den Worten der wach­senden, sich klären­den Gedankenkraft darauf Bezug. Rudolf Stein­er führt aus: “… man kann den «Fall» in den Mate­ri­al­is­mus nur allein beacht­en, und dann über ihn trau­rig sein. Aber während das Anschauen dieses Zeital­ters sich auf die äußere physis­che Welt beschränken mußte, ent­fal­tete sich im Innern der Seele eine gere­inigte, in sich selb­st beste­hende Geistigkeit des Men­schen als Erleben. … Der Men­sch hat eine gewisse Zeit hin­durch das eigene Geistige mit dem Materiellen der Natur erfüllt; er soll es wieder mit ure­igen­er Geistigkeit als kos­mis­chen Inhalt erfüllen. Die Gedanken­bil­dung ver­lor sich eine Weile an die Materie des Kos­mos; sie muß sich in dem kos­mis­chen Geiste wieder find­en. In die kalte, abstrak­te Gedanken­welt kann Wärme, kann wesenser­füllte Geist-Wirk­lichkeit eintreten. …

Was im Zeichen des Mate­ri­al­is­mus an Natur­erken­nt­nis gewon­nen wor­den ist, kann in geist­gemäßer Art im inneren See­len­leben erfaßt wer­den. Michael, der «von oben» gesprochen hat, kann «aus dem Innern», wo er seinen neuen Wohn­sitz auf­schla­gen wird, gehört wer­den. Mehr imag­i­na­tiv gesprochen, kann dies so aus­ge­drückt wer­den: Das Son­nen­hafte, das der Men­sch durch lange Zeit­en nur aus dem Kos­mos in sich auf­nahm, wird im Innern der Seele leuch­t­end wer­den. Der Men­sch wird von ein­er «innern Sonne» sprechen ler­nen. Er wird sich deshalb in seinem Leben zwis­chen Geburt und Tod nicht weniger als Erden­we­sen wis­sen; aber er wird das auf der Erde wan­del­nde eigene Wesen als son­nenge­führt erken­nen. Er wird als Wahrheit empfind­en ler­nen, daß ihn im Innern eine Wesen­heit in ein Licht stellt, das zwar auf das Erden­da­sein leuchtet, aber nicht in diesem entzün­det wird.” (GA 26, Leit­sätze S. 66f)

Das Mantra endet nicht beim heute üblichen Ich-Erleben, bei dem uns unsere Gedankenkraft fort­laufend uns selb­st gibt. Ein weit­er­er Schritt schließt sich mit “Und” an. Es heißt weit­er: “Und weck­end löst sich mir aus Denker­ma­cht das Selb­st­ge­fühl.” Das “Und” sagt, dass ich noch nicht am Ziel bin, wenn ich mir selb­st durch die Gedankenkraft gegeben werde. Im Mantra wird deut­lich, dass ich noch schlafe, denn das fol­gende Selb­st­ge­fühl löst sich weck­end. Eine Erweck­ung ist mit diesem zunächst schw­er nachvol­lziehbarem Prozess verbunden.

Das Selb­st­ge­fühl löst sich mir aus Denker­ma­cht. Aus der wach­senden Gedankenkraft ist Denker­ma­cht gewor­den. Macht ist auch ohne direk­te Betä­ti­gung vorhan­den, Kraft nur, wenn sie einge­set­zt wird. Durch die Ver­wand­lung der Gedankenkraft zur Denker­ma­cht wird aus ein­er sit­u­a­tiv­en Kraftent­fal­tung eine bleibende Macht, deren bloße Gegen­wart wirkt. Ver­birgt sich hin­ter der Gedanken­macht die reine Geistigkeit, von der Rudolf Stein­er oben spricht? Ist damit vielle­icht gemeint, leibfrei denken zu kön­nen? Leibfrei bedeutet, abstrak­te Ideen erfassen zu kön­nen, die nicht aus irdis­ch­er, unmit­tel­bar­er Wahrnehmung stam­men; z. B. Liebe, Frei­heit oder eben alle von Rudolf Stein­er mit­geteil­ten geisti­gen Zusam­men­hänge — und so auch mich selb­st als rein geistiges Wesen.

Im Gegen­satz zu meinem alltäglich wahrgenomme­nen Selb­st­ge­fühl beruht das sich lösende Selb­st­ge­fühl nicht auf der Wahrnehmung mein­er Kör­per­lichkeit. Denn was ich an Selb­st­ge­fühl durch Kör­per­wahrnehmungen erlange, das kann sich nicht lösen. Es erlis­cht, sobald die kör­per­lich ver­mit­telte Wahrnehmung aufhört. Anders ver­hält es sich mit dem im Mantra geschilderten Selb­st­ge­fühl. Es entstammt stattdessen mein­er Macht zu denken. Es löst sich aus Denker­ma­cht. Damit erlöst, befre­it es sich auch aus der Macht irdis­chen Denkens.  Wird mit diesem sich lösenden, weck­enden Selb­st­ge­fühl auf eine reine Geistigkeit gedeutet, die unab­hängig ist vom Kör­p­er und vom irdis­chen Denken? Ist mit diesem Selb­st­ge­fühl eine Ich-Wahrnehmung gemeint, die jen­seits aller irdis­chen Bed­ingth­eit­en liegt und deshalb auch ungetrübt ist von ego­is­tis­ch­er Begren­zung? Im Bild gesprochen: Schlüpft das Selb­st­ge­fühl — der geistige Men­sch sozusagen aus der Denker­ma­cht, wie der Schmetter­ling aus der Puppe?

Für mich liegt in diesem Mantra die Erfahrung der Erleuch­tung, der Erweck­ung aus dem träu­menden, von der Täuschung der Maya gefan­genen Bewusstsein.