HERBST
27 a
In meines Wesens Tiefen dringen:
Erregt ein ahnungsvolles Sehnen,
Dass ich mich selbstbetrachtend finde,
Als Sommersonnengabe, die als Keim
In Herbstesstimmung wärmend lebt
Als meiner Seele Kräftetrieb.
Die Trennung der Halbjahre
Wie die Bezeichnung des Mantras 27 a deutlich macht, beginnt das Alphabet nun zum zweiten Mal. Ein Halbjahr ist durch ein vollständiges Alphabet eine eigene Ganzheit. Mit dem Mantra 27 a beginnt deshalb etwas ganz Neues. Die Macht, die die Halbjahre trennt und zu selbständigen “Jahres-Wesen” macht, ist der Buchstabe, der Laut, der der Nummer des Mantras hinzugefügt ist.
Rudolf Steiner hat nach meiner Ansicht mit dem ersten apokalyptischen Siegel, das er für den Kongress 1907 von Clara Rettich malen ließ, diese trennende Logosmacht ins Bild gebracht. Künstlerisch gelungen fand Rudolf Steiner die insgesamt sieben Siegel nicht, wie er in einem Gespräch äußerte — dafür wären sie aber richtig, also in Übereinstimmung mit der geschauten Weisheit.
Für mich drückt jedes dieser Siegel einen Aspekt aus, unter dem der Jahreslauf angeschaut werden kann. Eine anregende und oft erhellende Stimmigkeit ergab sich mir für die ersten sieben Mantren des Winter-Halbjahres, weshalb ich die Siegel hier aufnehme.
Rudolf Steiner sagt über diese Darstellung: „Das erste Siegel stellt des Menschen ganze Erdenentwickelung im allgemeinsten dar. In der «Offenbarung St.Johannis» wird mit den Worten darauf hingedeutet: «Und als ich mich wandte, sah ich sieben güldne Leuchter, und mitten unter den sieben Leuchtern einen, der war eines Menschen Sohn gleich, der war angetan mit einem langen Gewände, und begürtet um die Brust mit einem güldenen Gürtel. Sein Haupt aber und sein Haar waren weiß wie weiße Wolle, als der Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme, und seine Füße gleich wie Messing, das im Ofen glühet, und seine Stimme wie groß Wasserrauschen, und hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand; und aus seinem Munde ging ein scharf, zweischneidig Schwert; und sein Angesicht leuchtete wie die helle Sonne.» In allgemeinen Zügen wird mit solchen Worten auf umfassendste Geheimnisse der Menschheitsentwickelung gedeutet. … [Es ist] ein großes Geheimnis des Daseins, das oftmals auch das «Mysterium des schaffenden Wortes» genannt wird. Es ist damit eine Hindeutung auf den Zukunftszustand dieses menschlichen Sprachorgans gegeben, das einmal, wenn der Mensch vergeistigt sein wird, geistiges Produktions-(Zeugungs-)organ wird. In den Mythen und Religionen wird diese geistige Produktion durch das sachgemäße Bild von dem aus dem Munde kommenden «Schwert» angedeutet.” (Lit.: GA 34, S. 596f)
Das erste apokalyptische Siegel im Jahreskreis (als Ei orientiert)
Mit dem Beginn der Woche 27 a sind wir über den Abgrund, über die Klinge des Schwertes gesprungen – oder wie auch immer man das Überschreiten der Grenze zwischen den Halbjahren imaginieren will. Nun beginnt der Weg in die eigene Seele.
Wie kann ich das Mantra 27 a verstehen?
Das Mantra 27 a ist das erste Mantra des Winter-Halbjahres. In einem zusammenfassenden Vorblick schildert es, worum es im ganzen Halbjahr gehen wird. Im Vorwort zur ersten Ausgabe des Seelenkalenders schreibt Rudolf Steiner: „Das Gegründetsein in sich selber und das Leben in der eigenen Gedanken- und Willenswelt kann er [der Mensch] empfinden als Winterdasein.“ Ab jetzt geht es um die Innenschau. Im Sommer-Halbjahre richtete sich die Aufmerksamkeit, das fühlende Gewahrsein nach außen, auf die Wahrnehmung. Nun im Winter-Halbjahr geht es um Urteile, um den Wahrheitsgehalt der eigenen Gedanken und um das, was ich über die Welt und über mich denke. Es geht auch um meine Motive für meine Handlungen und um die Kraft meines Willens.
Jetzt geht es um das Eindringen in die Tiefe des eigenen Wesens, in die eigene Seele. Das erfordert michaelischen Mut, denn nach meiner Erfahrung zeigt sich hier zunächst nur Dunkelheit. Es ist, als ob ich von einer sonnendurchfluteten Landschaft in einen wenig erhellten Innenraum eintrete. Es dauert, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben. Und wenn ich beginne, etwas in der Seele zu sehen, so sehe ich, wenn ich ehrlich auf mich schaue, meine Unvollkommenheit. Ich sehe mein Nicht-Genügen, gemessen an meinen eigenen Idealen. Die Gefühle, die sich aus meinen Dunkel-Bereichen aufbäumen, ähneln Dämonen oder Drachen. Sie drohen, meine Selbstachtung und mein Selbstbewusstsein zu verschlingen. Andererseits können auch meine Begierden, Leidenschaften und anderen Emotionen so stark sein, dass sie meine Fähigkeit der Selbstführung überwältigen, mich verbrennen. Nicht umsonst heißt es, dass Drachen feurigen Atem haben. Das Gemälde der Versuchung des heiligen Antonius auf dem Isenheimer Altar gibt ein anschauliches Bildpanorama solcher Erlebnisse.
In allen Mysterienschulen begann die Schulung mit dem Weg in die eigene Seele. In der germanischen Mythologie verlangt diese Stufe der Einweihung ein Loddfafnir, ein lodernder Drache zu werden (Gundula Jäger, Die Sprache der Edda, S. 112). Mit folgenden Worten wird der Einweihungsschüler angesprochen:
“Das rat ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir wenn du sie merkst.”
(Edda, Havamal, Loddfafnirs Lied)
Fafnir ist der Name des Drachen, den Siegfried besiegt und in dessen Blut er badet. Siegfried erlangt dadurch fast vollständige Unverwundbarkeit. Entsprechend bedeutet es ein Loddfafnir zu werden, in die Haut des Drachen Fafnir zu schlüpfen, die lodernden Emotionen kennen, durchleben und lenken zu lernen und dadurch seelische Unverwundbarkeit zu erlangen.
Mit dem Mantra 27 a beginnen wir einen solchen Einweihungsprozess. Von den oben erwähnten Gefahren und bedrohlichen Erlebnissen ist im Mantra jedoch nichts zu spüren. In der zweiten Zeile heißt es stattdessen, dass ein ahnungsvolles Sehnen erregt wird, wenn ich in die Tiefe meines Wesens eindringe. Einweihung sucht nur derjenige, der schon eine Ahnung von der unsichtbaren Welt in sich trägt. Die Sehnsucht nach dem Finden des Ewigen im Menschen muss ihn leiten. Das ist die Voraussetzung.
Wie gelingt es mir, in die Tiefe meines Wesens zu dringen? Der Prozess wird Embodiment genannt. Dieses Konzept der Wahrnehmung steht im Gegensatz zu der als Aufstieg bezeichneten Suche nach Erleuchtung, dem Streben nach leiblosem, somit reinem Bewusstsein. Embodiment meint das verkörperte Bewusstsein, das den Körper bewohnende Bewusstsein. Um dieses Bewusstsein zu erleben, wird eine vertiefte Verbindung mit dem eigenen Leib gesucht. Durch das Spüren des So-Seins im ersten Moment und des Anders-Seins im nächsten Moment, begegne ich mir selber, ohne sofort die Messlatte meiner Ideale anzulegen, mich zu be- und zu verurteilen. Ich erlebe mich als einzigartig, als eine Individualität.
Warum wird dieses ahnungsvolle Sehnen erregt – und nicht erweckt? Der Empfindungsleib, der Leib-Aspekt meiner Seele, ist ein erregbares Wesen. Jede Sinneswahrnehmung bewirkt einen Prozess, eine mehr oder weniger bewusst von mir wahrgenommene Erregung meines Leibes, worauf meine Empfindungsseele mit Sympathie oder Antipathie reagiert. Erst mit dem Urteil, dem von der Verstandesseele gefundenen Begriff zur Wahrnehmung, taucht dieser Prozess im Bewusstsein auf. Indem ich in die Tiefe meines Wesens bis zur Leib-Ebene hinunter dringe, nehme ich die Grenzfläche, die Membran wahr, die zwischen der äußeren Wahrnehmungswelt und der inneren Seelenwelt wie ein Trommelfell gespannt ist. Bevor das Bewusstsein erwacht, wird diese Grenzfläche erregt. Das Wort weist auf das „sich regen“ als Ausdruck des Lebens selber hin.
Ein Sehnen, eine Sehnsucht als Tätigkeit wird erregt. Sehnen erlebe ich als Sog-Kraft, die vom Ziel her wirkt. Sie ist dem Trieb entgegengesetzt, der auf das Ziel hindrängt. Eine Sehnsucht geht von einem Ideal und damit vom Bewusstseins-Menschen aus, während ein Trieb vom Körper herrührt. Die Sehnsucht richtet sich darauf, mich selbst zu finden. Mich zu finden heißt, mich zu be-greifen, mich zu erkennen. Ich habe Sehnsucht nach Selbsterkenntnis. Mein Geist sehnt sich danach, sich im Leib wiederzufinden.
Bis hierher schildert das Mantra Seelenregungen, die vertraut erscheinen. Doch was nun folgt, gibt Rätsel auf. Ich sehne mich danach, mich als Sommersonnengabe zu finden. Warum das? Bin ich als Geist nicht ein ewiges Licht? Warum bin ich eine Gabe der Sommer-Sonne? Erneuert diese Gabe mich Sommer für Sommer – was bedeuten würde, dass ich kein ewiges Licht bin? Ich will diese Fragen hier stehen lassen und zunächst dem Mantra folgen.
Was wird noch über die Sommersonnengabe gesagt, als die ich ersehne, mich zu finden? Die Sommersonnengabe lebt als Keim in mir. Sie ist der Kräftetrieb meiner Seele. So wie aus dem Samen der Keim austreibt und also im Samen die Kraft lebt, zu einem großen Baum zu werden, lebt die Sommersonnengabe als Anlage in meiner Seele, als Same. Sie ist der Entwicklungstrieb meiner Seele. Das Ziel der Seele ist es, Sonne zu werden – aus sich selber ausstrahlendes Bewusstseinslicht und Seelenwärme. Eine Seele zu werden, die keinen Körper und fortlaufende Sinnesanregungen benötigt, um zu leben. Die Sommersonnengabe ist das Geschenk der Anlage dazu. Diese Anlage lebt demzufolge einerseits als Keim und andererseits als zur Entwicklung antreibender Wille in der Seele.
Die seelische „Jahreszeit“ gleicht der äußeren: es herrscht Herbstesstimmung. Die Herbstesstimmung ist die Stimmung des Absterbens, der zunehmenden Kälte und Dunkelheit. Erkenntnis-Suche ist eine nüchterne, „kühle“ Angelegenheit. Im Bild des Herbstbaumes ausgedrückt zählt nur, was übrigbleibt, wenn das Blätterkleid hinweggefegt wurde. Das überdauernde, verholzte Leben ist das Verlässliche, das „harte Faktum“. In dieser Herbstesstimmung erweist sich der Sommersonnengabe-Keim als wärmend. Er besteht die Herbstesstimmungs-Prüfung und lebt wärmend, Wärme ausstrahlend. Er ist das Verlässliche, das Bestand hat in mir – das in Entwicklung befindliche Unveränderbare, mein anfängliches Sonne-Sein.
Die Sonne — und die Sommersonne besonders eindringlich – schenkt mir täglich den äußerlich sichtbaren Anblick des geistigen Urbildes, zu dem hin ich mich entwickeln darf. Ich finde mich als Sommersonnengabe. Es heißt nicht, ich erkenne mich als Sommersonnengabe, nein, ich finde mich. Finden geht genau genommen über das Erkennen hinaus. Erkennen ist ein Sehen eines inneren Bildes. Finden beinhaltet etwas zu sehen und es auch “aufzuheben”, es fortan zu besitzen. Außerdem klingt im Finden das Wiederfinden mit. Kann es sein, dass mir mein Sonne-Sein vorübergehend verloren gegangen war? Ist das der Grund, warum die Sommersonne mir in jedem Sommer das Geschenk dieser Erkenntnismöglichkeit gibt, damit ich mich als Sommersonnengabe (wieder) finden kann?
Das Ziel des Weges nach innen wurde in den verschiedenen Mysterienschulen das “Schauen der Sonne um Mitternacht” genannt. Rudolf Steiner sagt: „Derjenige, der wirklich eingeweiht ist, lernt die Sonne um Mitternacht wahrhaftig schauen, denn in ihm ist das Materielle ausgelöscht. Nur die Sonne des Geistes lebt in seinem Inneren und überstrahlt alle Dunkelheit der Materie.“ (Lit.: GA 96, S. 191f) Anfänglich erlebbar ist dieses innere Sonnenerlebnis im ausstrahlenden mitfühlenden Gewahrsein, im Bewusstseinslicht, das vom Herzen ausstrahlt. Dieses “Schauen der Sonne um Mitternacht”, wurde laut Rudolf Steiner im Tiefwinter zelebriert. Die Sehnsucht danach wird jedoch im Herbst erregt, wenn das Leben in der Natur stirbt und in der Seele die bange Frage auftaucht, wie das zu finden ist, was den Tod überdauert.
Mit dieser inneren Sonne steht Michael in direkter Beziehung, in dessen Festeszeit wir seit letzter Woche bzw. seit dem Michaeli-Tag am 29. September leben. Rudolf Steiner beschreibt, wie gerade das durch den Materialismus geschulte, klare Denken die innere Sonnenkraft vorbereitet. Dann sagt er: „Was im Zeichen des Materialismus an Naturerkenntnis gewonnen worden ist, kann in geistgemäßer Art im inneren Seelenleben erfaßt werden. Michael, der «von oben» gesprochen hat, kann «aus dem Innern», wo er seinen neuen Wohnsitz aufschlagen wird, gehört werden. Mehr imaginativ gesprochen, kann dies so ausgedrückt werden: Das Sonnenhafte, das der Mensch durch lange Zeiten nur aus dem Kosmos in sich aufnahm, wird im Innern der Seele leuchtend werden. Der Mensch wird von einer «innern Sonne» sprechen lernen. Er wird sich deshalb in seinem Leben zwischen Geburt und Tod nicht weniger als Erdenwesen wissen; aber er wird das auf der Erde wandelnde eigene Wesen als sonnengeführt erkennen. Er wird als Wahrheit empfinden lernen, daß ihn im Innern eine Wesenheit in ein Licht stellt, das zwar auf das Erdendasein leuchtet, aber nicht in diesem entzündet wird. Im Anbruche des Michael-Zeitalters mag es noch scheinen, als ob dies alles der Menschheit recht ferne liegen könne; doch es ist «im Geiste» nahe; es muß nur «gesehen» werden. Von dieser Tatsache, daß die Ideen des Menschen nicht nur «denkend» bleiben, sondern im Denken «sehend» werden, hängt unermeßlich viel ab.“ (Lit.: GA 26, 67f)
Der Jahrgott und die Göttin des Lebens
Als Beispiel um im Denken “sehend” zu werden, wie Rudolf Steiner es im obigen Zitat ausdrückt, sei ein Götterpaar (um 5000 v.Chr.) dargestellt, das gemeinsam in einem Grab in Rumänien gefunden wurde. Diese beiden Figuren scheinen mir sichtbar zu machen, wie Menschen früherer Zeiten das Jahr und den Wechsel der Halbjahre wesenhaft erlebten. Es handelt sich zum einen um eine männliche Figur, die als gealterter Gott der Vegetation, als Jahrgott beschrieben und allgemein als „Denker“ bezeichnet wird. Dieser Typ Gott ist im Frühling jung und stark, doch mit dem Herbst stirbt er, um im neuen Frühling wiedergeboren zu werden. Zum anderen handelt es sich um eine weibliche Figur, die als die ewig kraftvolle Spenderin des Lebens, als die große Muttergöttin gedeutet wird.
Als ich dieses Götterpaar betrachtete, sah ich plötzlich, dass der männliche Gott mit Schienbeinen und Unterarmen zwei Säulen bildet — aufgebaut aus vier “Stäben”. Und die Göttin formt mit ihren Armen und der Brust ein Dreieck – oder sogar ein Herz. Als Schamdreieck ist es zu dieser Zeit ein häufig verwendetes Zeichen für die Quelle allen Lebens. Das weckte mein Interesse. Ich schaute sie weiter an und stellte mir vor, wie die Göttin all ihre göttliche Lebenskraft aus dem Brustraum über die Arme in ihr aufgestelltes Bein fließen lässt – und wie sie vermutlich beim Wechsel der Halbjahre jeweils die Beine tauscht, um ihre Kraft nun in das andere Knie einströmen zu lassen. Vom Knie durch ihr Schienbein strömt die Lebenskraft dann senkrecht nach unten auf die Erde.
Göttin und Gott, gemeinsamer Grabfund am Schwarzen Meer, Rumänien um 5000 v.Chr.
Das “Framing”, die Figuren in den Jahreskreis zu stellen und diesen unterschiedlich auszurichten, sind meine Entscheidungen. Für die Göttin erlebe ich das „Ei“ als stimmig, weil ich ihre Beine als Halbjahre verstehe. Die Figur ist gespiegelt, um das Lebenskraft empfangende Bein dem Winter-Halbjahr, in dem wir gemäß dem Mantra 27 a leben, anzupassen.
Für den Gott erlebe ich den Kreis, den „Apfel“ als stimmig, weil Schienbeine und Unterarme die Vierteljahre andeuten. Zwischen Armen und Beinen kann außerdem die Halbjahresteilung erblickt werden. In den beiden „Säulen“ lässt sich die aufsteigende und absteigende Sonne im Jahreslauf vermuten. Auf seiner rechten Seite steigt sie auf, auf seiner linken ab. In beide Säulen vermittelt er Bewusstseinskräfte, Sonnenkräfte vom Kopf nach unten. Wir haben eine rechte und eine linke Gehirnhälfte mit jeweils unterschiedlichen Bewusstseinsfähigkeiten. Es lässt sich jedoch noch mehr erkennen. In der Silhouette der frontal betrachteten männlichen Figur ist ein langgestreckter Fünfstern erkennbar. Sogar die Linien des Pentagramms fallen nun ins Auge. Vom Fuß zum Kopf laufen die “Säulen” leicht spitz zusammen — diese beiden Linien bilden die erste Zacke und sind durchgängig zu sehen. Die Oberarme sind an dieser Stern-Zacke nicht beteiligt. Sie weisen in der Verlängerung auf den Fuß der Gegenseite — und deuten zwei weitere Stern-Linien an. Die fünfte Stern-Linie wird durch die Schulterkante dargestellt.
Beide Götterfiguren haben überlange Hälse und flache, scheibenartige Gesichter. Mich erinnern die Gesichter an das “Gesicht” im Vollmond. Es sind himmlische Gesichter — vielleicht die von Sonne und Mond. Und der lange Hals scheint zu sagen, dass ihre Köpfe und damit ihr jeweiliges Bewusstsein über die irdische Welt herausgehoben ist. Sie schauen andere Realitäten, als wir Menschen.
Mit dieser Woche 27 a hat die Göttin also ihr Bein gewechselt und der Jahrgott wird im kommenden Vierteljahr sein Leben aushauchen, um für das neue Jahr einem jungen, neuen Jahrgott Platz zu machen. Jedes Jahr ist ein eigener Zeitraum, eine individuelle Sonne — Körper eines eigenen Jahrgottes.
Auch wir erleben die Zeit als ein Voranschreiten von Zeitraum zu Zeitraum, von Jahr zu Jahr — von Tag zu Tag. Doch anders als die damaligen Menschen, die dadurch Geburt und Tod des Jahrgottes erlebten, trägt uns die Sicherheit eine Individualität zu sein, die die Zeiträume durchschreitet, die überdauert. Obwohl wir am Morgen die Geburt und mit dem Einschlafen den Tod unseres Bewusstseins erleben, empfinden wir Kontinuität und sind nicht jeden Morgen vollkommen neue Menschen. Unser Identitätsgefühl knüpft nahtlos dort an, wo es am Abend stehen geblieben ist. Diese erlebte biographische Kontinuität ist durch ein erstarktes Ich-Bewusstsein möglich, durch das Erleben der inneren Sonne.