Zugvögel

31 e

Das Licht aus Geistestiefen,

Nach außen strebt es sonnenhaft:

Es wird zur Lebenswillenskraft

Und leuchtet in der Sinne Dumpfheit,

Um Kräfte zu entbinden,

Die Schaf­fens­mächte aus Seelentrieben

Im Men­schen­werke reifen lassen.

Das fünfte apokalyptische Siegel

Das fün­fte apoka­lyp­tis­che Siegel im Jahres­lauf (als Ei orientiert)

Das fün­fte apoka­lyp­tis­che Siegel zeigt im Zen­trum eine strahlende Sonne. Es zeigt das Weib, mit der Sonne bek­lei­det, den Mond unter ihren Füßen und die Kro­ne der zwölf Ster­nen auf ihrem Haupt. So schildert der Evan­ge­list Johannes das Zukun­fts­bild der Seele. Diese Beschrei­bung ist das Vor­bild aller Madon­nen im Strahlenkranz auf der Mond­sichel, die in vielfältiger Aus­führung in Kirchen zu sehen sind.

Ich erblicke diese Imag­i­na­tion der Maria im Strahlenkranz auf der Mond­sichel im Jahres­lauf. Die zu Ostern gehören­den Wochen (blau) liegen wie ein Mond im Jahreskreis. Darüber befind­et sich das Zen­trum des Kreis­es, der zugle­ich der Schnittpunkt der 52 Wochenseg­mente ist. Dieser Mit­telpunkt, der zunächst aus der geometrischen Kon­struk­tion mit schwarzen Lin­ien als schwarzes Zen­trum erscheint, kann auch anders vorgestellt wer­den. Der Mit­telpunkt des Jahreskreis­es kann auch als Quelle des Jahres­laufes, als eine geistige Sonne ver­standen wer­den. Aus diesem Mit­telpunkt, von dieser geisti­gen Sonne leuchtet in jede Woche ein Strahl und beschenkt sie mit ihrer ganz eige­nen Lebensenergie.

Rudolf Stein­er sagt über dieses Siegel­bild: „Siegel V stellt dar eine höhere Entwick­lungsstufe des Men­schen, wie sie ein­treten wird, wenn die Erde sich wieder mit der Sonne vere­inigt haben und der Men­sch nicht mehr bloß mit den Erdenkräften, son­dern mit den Son­nenkräften arbeit­en wird. Das «Weib, das die Sonne gebiert» bezieht sich auf diesen Zukun­fts­men­schen. Gewisse Kräfte nieder­er Natur, welche im Men­schen leben und ihn an der vollen Ent­fal­tung sein­er höheren Geistigkeit hin­dern, wird er dann aus sich her­aus­ge­set­zt haben. Diese Kräfte stellen sich im Siegel ein­er­seits dar in dem Tiere mit den «sieben Köpfen und zehn Hörn­ern», ander­seits in dem Monde zu Füßen des Son­nen­men­schen. Der Mond ist für die Geis­teswis­senschaft der Mit­telpunkt gewiss­er nieder­er Kräfte, welche heute noch in der men­schlichen Wesen­heit wirken, und die der Men­sch der Zukun­ft «unter sich» zwin­gen wird.“ (Lit.: GA 284, S. 94)

Halloween, Allerheiligen und das keltische Fest Samhain

Das mod­erne Fest Hal­loween (31. Okto­ber), von “All Hal­lows´ Eve”, dem Abend vor Aller­heili­gen abgeleit­et, liegt in dieser Woche (31 e), oder noch in der vorherge­hen­den Woche (30 d). Ich denke, dass die Ursprünge der Fest-Gemein­schaft von Hal­loween, Aller­heili­gen (1. Novem­ber) und Allersee­len (2. Novem­ber) mit der Licht­spruch-Woche zu tun haben. Die ras­ante Ver­bre­itung und die Beliebtheit von Hal­loween heutzu­tage scheinen mir mit ein­er inneren Stim­migkeit zusam­men zu hän­gen, der es nachzus­püren lohnt. Steckt vielle­icht hin­ter der unschö­nen Kom­merzial­isierung eth­nol­o­gis­ch­er Tra­di­tio­nen ein wahrer Kern, der auch heute bedeut­sam ist?

Zunächst zu den — allerd­ings nicht unum­strit­te­nen — geschichtlichen Ursprün­gen der Feste: Obwohl wis­senschaftlich nicht beweis­bar, gibt es einen gefühlt stim­menden Zusam­men­hang von Hal­loween und dem keltischen Fest Samhain. Das kam so: Zunächst wurde Aller­heili­gen im Mai gefeiert. In der Ostkirche wurde “Allen Heili­gen” seit dem 4. Jahrhun­dert am ersten Son­ntag nach Pfin­g­sten gedacht, das heißt am Son­ntag der Fron­le­ich­nams-Woche 9 I. In der West­kirche pflegte man ihr Gedenken zunächst am Fre­itag nach Ostern. Seit dem 7. Jahrhun­dert war es der 13. Mai und weit­ere hun­dert Jahre später wurde das Fest auf den 1. Novem­ber gelegt. In Irland ver­band es sich mit dem noch lebendi­gen vorchristlichen Fest Samhain, das seit eh her um den 1. Novem­ber gefeiert wurde. Daran angeschlossen wurde später der Tag des Gedenkens aller Ver­stor­be­nen. Dieser Tag wurde Allersee­len genan­nt. Mit irischen Auswan­der­ern kam die irische Vari­ante des Festes vom Vor­abend von Aller­heili­gen (Hal­loween) nach Ameri­ka und von dort als Reïmport wieder zu uns.

Vier große, alte keltische Feste sind bekan­nt, das Wichtig­ste unter ihnen war Samhain. Zusam­men mit Imbolc (1. Feb­ru­ar), Beltane (1. Mai) und Lugh­nasadh (1. August) bilden sie im Jahr ein exak­tes rechtwin­kliges Kreuz, wie es im See­lenkalen­der die Krisen­sprüche tun. Doch die Krisen­sprüche kön­nen nicht gemeint sein. Am ehesten stimmt Samhain mit dem Licht­spruch 31 e übere­in. Kön­nte es vielle­icht sein, dass die Zeitqual­itäten der Licht­sprüche  die eigentliche Grund­lage dieser vier keltischen Feste sind? Beltane liegt im Jahreskreis Samhain genau gegenüber. Das trifft auch auf den Licht­spruch 5 E (Gegen­spruch von 31 e) zu. Doch wegen des beweglichen Oster­festes fällt diese Woche meist nicht mit dem heuti­gen Datum von Beltane zusam­men. Ob die anderen bei­den Feste ihren Ursprung eben­so in den beson­deren Zeitqual­itäten der Licht­sprüche (Imbolc 48 w und Lugh­nasadh 22 V) haben, muss offen­bleiben. Ich halte es für möglich, dass die Ken­nt­nis ihrer Lage im Jahr ver­loren ging, woraufhin sie fälschlich­er Weise als rechtwin­kliges Fes­teskreuz im Jahr fest­geschrieben wurden.

Zu Samhain wurde das Ende des Som­mer-Hal­b­jahres und der Beginn eines neuen Zyk­lus mit großen Freuden­feuern gefeiert. Es hieß, dass der Schleier zur Ander­swelt, zur Welt der Geis­ter und der Toten, in dieser Zeit dün­ner sei. Die Toten wären in diesen Nächt­en auf der Suche nach den­jeni­gen Leben­den, die im kom­menden Jahr ster­ben wür­den. Deshalb verklei­de­ten sich die Men­schen als Geis­ter mit furchter­re­gen­den Kostü­men, um nur ja nicht als Men­sch erkan­nt zu wer­den. Mar­tin Bark­hoff schreibt: „Sam­naun [Samhain, A.F.], das höch­ste Fest, dauerte sieben Tage, vom 29. Okto­ber bis zum 4. Novem­ber. Der Höhep­unkt war der mit­tlere Tag, der 1. Novem­ber. An Sam­naun öffneten sich die Pforten von Him­mel und Hölle und Her­aus­forderun­gen aus der jen­seit­i­gen Welt trat­en an den Men­schen her­an, an den Helden in ihm. Viele Helden­sagen von Fionn begin­nen an Sam­naun“ (Deu­tungsvorschläge zur Son­nen­sprache, 2009, S. 116).

Samhain ist auch die Festzeit des ster­ben­den Jahres und die Empfäng­nis des Neuen. Die Ernte ist einge­bracht, die Felder liegen brach — der Wach­s­tum­szyk­lus des Jahres ist been­det. Der Gott der ver­gan­genen Veg­e­ta­tion­spe­ri­ode stirbt. Fol­gende kleine Erzäh­lung begeg­nete mir:

„In der Nacht, so sagt man, wird der Schleier zwis­chen den Wel­ten durch­sichtig. Der König wird sicht­bar, der ster­bende Jahr-Gott, der über das son­nen­lose Meer segelt, das der Schoß der Großen Mut­ter ist. Dann betritt er das Ufer der schim­mern­den Insel, das leuch­t­ende Welt-Ei, und wird zur Saat sein­er eige­nen Wiederge­burt, zum Son­nenkind, das zur Wei­h­nacht geboren wird. — Wir begeg­nen einan­der in der Zeit außer der Zeit, über­all und nir­gend­wo, hier und dort. Die Tore von Leben und Tod ste­hen offen, die Toten wan­deln mit den Leben­den und es enthüllt sich das Geheim­nis, dass jedes Ende einen neuen Anfang birgt.“ (Quelle unbekannt)

Hal­loween heute: Hal­loween ist ein mod­ernes, aus Ameri­ka importiertes Fest. Sein her­vorstechend­stes Sym­bol ist der Kür­bis, sein Vor­läufer war die Rübe. In Deutsch­land und Irland war es gle­icher­maßen üblich, eine Rübe auszuhöhlen, ein Gesicht hinein zu schnitzen und von innen zu beleucht­en. Bei dem in Deutsch­land vielerorts üblichen Rübengeis­tern wurde mit der Rüben­later­ne durch die Sied­lung gezo­gen, und es wur­den Gaben erheis­cht, also erbettelt.

Eine Sage erzählt, wie es dazu kam: Es lebte in Irland ein alter, bös­er Mann mit Namen Jack Old­field, der den Teufel überlis­tet und fies bet­ro­gen hat­te. Als der Betrüger starb, war er im Him­mel deshalb nicht willkom­men. Aber auch in der Hölle wollte der Teufel ihn nicht haben. Am Ende hat­te der Teufel Mitleid und schenk­te Jack eine Rübe und eine glühende Kohle, damit er sich im Dunkeln zurecht­fände. Als die Iren nach Ameri­ka kamen, waren dort Rüben rar und die Kür­bisse auch sehr viel ein­fach­er zu bearbeiten.

Hal­loween, wie wir es heute ken­nen, hat die bei­den Feste, auf die es vor­bere­it­en sollte, Aller­heili­gen und Allersee­len vielerorts in den Hin­ter­grund gedrückt. Trotz­dem macht ger­ade der Dreik­lang deut­lich, worum es zu Hal­loween wirk­lich geht: um die Gren­ze zwis­chen den Wel­ten und den zu errin­gen­den Zugang zur anderen Welt – der Innen­welt der Seele und des nicht verkör­perten Geistes. Die Feste ste­hen an der Gren­ze zu dieser anderen Welt. Den Gren­züber­tritt zu wagen, erfordert Mut. An diese Gren­ze klopfen die Kinder, wenn sie von Haus zu Haus gehen. Um bei Frem­den zu klin­geln, brauchen sie Mut. Wer Zugang zu sein­er Seele erringt, wird durch eine innere Paradies­land­schaft belohnt – durch Süße! Die andere Per­spek­tive ist die der Erwach­se­nen, die die Türe öff­nen. Sie öff­nen sich dadurch auch für die jun­gen Zukun­ft­skräfte der Seele, durch die sich ein neuer Wach­s­tum­szyk­lus leise ankündi­gen will. Mit Hal­loween begrüßen wir die Leben­skraft des kom­menden Früh­lings, die in den Unter­grün­den — gle­ich den Knospen an den Zweigen — schon da ist.

Und was bringt die her­vorstechend­ste Sym­bo­l­ik des Festes, der leuch­t­ende, orangene, son­nen­gle­iche Kür­bis zur Erschei­n­ung? Erin­nert er mit seinem Licht im Innern nicht an einem Kopf voller kluger Gedanken? Doch – trägt diese Klugheit deshalb auch schon das ganz Neue, die Zukun­ft in sich? Ist sie wom­öglich eine dem Gestern ver­haftete Klugheit und gle­icht einem Hohlkopf, einem Kür­biskopf mit Fratze? Die Rübe als Wurzel­gemüse zeigt den Bezug zum Kopf gemäß Rudolf Stein­ers Angaben. Er beschreibt, dass die Wurzel der Pflanze dem Kopf des Men­schen mit dem Ner­ven-Sin­nessys­tem entspricht, der rhyth­misch mit Blät­tern verse­hene Sproß dem Brus­traum mit dem Rhyth­mis­chen Sys­tem und Blüte bzw. Frucht entsprechen dem Stof­fwech­sel-Glied­maßen Sys­tem. Zu Hal­loween dür­fen wir uns also fra­gen, welch­es Licht in unseren Gedanken leuchtet.

Das Licht aus Geistestiefen — was ist damit gemeint?

Das Mantra 31 e ist seit Ostern, dem Beginn des See­lenkalen­der-Jahres das dritte von ins­ge­samt vier Mantren, die vom Licht han­deln. Sie bilden zusam­men ein nicht-rechtwin­kliges Kreuz. Zwei Mantren the­ma­tisieren das Licht sel­ber, die bei­den andere das Beleuchtete. Dabei wer­den drei unter­schiedliche Lichtquellen benan­nt: In den Mantren 5 E und 31 e kommt das Licht aus Geis­testiefen. Bei­de Mantren han­deln vom sel­ben Licht. Dies Licht strahlt sozusagen mit der im Mantra 31 e beschriebe­nen Lichtquelle durch den Jahreskreis und zeigt im Mantra 5 E das Beleuchtete. Bei­de Mantren liegen auf ein­er Achse. Anders bei den bei­den anderen Licht­sprüchen: Im Mantra 22 V wird eine zweite Lichtquelle beschrieben. Sie kommt aus Wel­tenweit­en. Doch im Mantra 48 w, das wiederum ein Beleuchtetes beschreibt, kommt das Licht aus Wel­tenhöhen. Gemein­sam ist bei­den Lichtern der Welt-Aspekt. Die Mantren sind dieses Mal keine Gegen­sprüche, sie tra­gen nicht den gle­ichen Buch­staben. Ihre Achse ist gebrochen und geht nicht ger­ade durch den Jahreskreis. Im Blog-Artikel über den Licht­spruch 22 V kon­nte ich zeigen, dass es sich bei dem Licht aus Wel­tenweit­en um das moralisch wirk­ende Astral­licht han­delt. Es ist das Licht, dass uns Böse und Gut unter­schei­den lässt, das Licht des Baumes der Erken­nt­nis, dessen Frucht zum Sün­den­fall führte.

Haben wir es bei dem Licht aus Geis­testiefen, dem Licht der Mantren 31 e und 5 E nun mit dem Baum des Lebens zu tun, der dem Men­schen nach dem Sün­den­fall ent­zo­gen wurde? Über diese bei­den Bäume sagt Rudolf Stein­er: „Da, wo es mit Bezug auf das Paradiesesleben heißt: Der göt­tliche Geist beschloß, daß der Men­sch, nach­dem er sich dieses oder jenes angeeignet hat, zum Beispiel die Urteils­fähigkeit über Gut und Böse, nicht auch erhal­ten solle einen Ein­blick in die Kräfte des Lebens. — Da ist die Stelle, wo in der Bibel aufmerk­sam gemacht wird, daß der Men­sch nicht mit anse­hen soll die Wieder­bele­bung seines Wesens während des Schlafes, über­haupt nicht mit anse­hen soll die Wieder­bele­bung seines Wesens während seines physis­chen Erden­da­seins. Dessen soll er nicht Zeuge sein. Und wenn der Men­sch aufwacht, ist der ganze Leben­sprozeß eigentlich ein Zer­störung­sprozeß, ein Abnutzung­sprozeß …“ (Lit.: GA 141, S. 73)

Und noch konkreter sagt er: „Dieser Baum des Lebens und dieser Baum der Erken­nt­nis muß mit dem Men­schen­we­sen selb­st etwas zu tun haben. Das Ver­bot, von dem Baum der Erken­nt­nis zu essen, das heißt ja — das wer­den Sie zulet­zt her­aus­bekom­men -, daß die Seele des Men­schen nicht Erken­nt­nis suchen soll, die am physis­chen Leib haftet; daraus ist ja die jet­zige sinnliche Anschau­ung ent­standen. «Essen von dem Baum der Erken­nt­nis» heißt, eben so sich verbinden mit dem physis­chen Leib, daß dadurch die jet­zige … von Luz­ifer bewirk­te Art von Erken­nt­nis ent­standen ist [das Welt-Licht, die gebroch­ene Lich­tachse, A.F.]. Also mein­ten die Elo­him etwas am Men­schen­we­sen sel­ber, indem sie vom Baum der Erken­nt­nis sprachen. Und wiederum müssen sie etwas am Men­schen­we­sen sel­ber meinen, wenn sie vom Baum des Lebens sprechen. Da muß man sich fra­gen: Ja, wodurch sieht denn der Men­sch so, wie er heute sieht? Wodurch nimmt er denn so wahr? Indem sein Geistig-Seel­is­ches, durchtränkt von Luz­ifers Wesen­heit, einge­bet­tet ist in den physis­chen Leib und an diesem zehrt. Dies war nicht von vorn­here­in bes­timmt, daß die Seele so wie jet­zt einge­bet­tet ist in den physis­chen Leib. Dieser physis­che Leib ist der Baum der Erken­nt­nis, und der Baum des Lebens ist der Äther­leib. Die Men­schen soll­ten, nach­dem sie sich von Luz­ifer haben ver­führen lassen, ihren physis­chen Leib zu der uns gewohn­ten Erken­nt­nis benützen, nun wenig­stens nicht auch noch dazu haben die Erken­nt­nis durch den Äther­leib. Es wird ihnen dies ver­wehrt.“ (Lit.: GA 253, S. 60f)

Lässt sich auch ein Prozess erken­nen, der “am Men­schen sel­ber” den Baum des Lebens bildet? Zwar habe ich bei Rudolf Stein­er keine Textstelle gefun­den, die wörtlich einen Licht­prozess aus Geis­testiefen beschreibt, doch spricht er von Licht­strahlen, die vom Herzen zum Kopf auf­steigen. Dieser Licht­prozess vol­lzieht sich beim wachen Men­schen und kann, wenn er kräftig genug ist, zu einem Leucht­en um den Kopf führen, welch­es dem hell­sichti­gen Betra­chter als Heili­gen­schein sicht­bar wird. Diesen Vor­gang nen­nt Rudolf Stein­er die Ätheri­sa­tion des Blutes: „Wenn der Men­sch heute im Wachzu­s­tand vor uns ste­ht und das hellse­herische Auge betra­chtet ihn, so zeigt sich, daß fortwährend vom Herzen nach dem Kopfe gewisse Licht­strahlen gehen. Wenn wir das schema­tisch zeich­nen wollen, müßten wir das so machen, daß wir hier die Herzge­gend zeich­nen, dann gehen fortwährend Strö­mungen nach dem Gehirn hin und umspie­len im Innern des Hauptes das­jenige Organ, das in der Anatomie beschrieben wird als Zir­bel­drüse. Wie Licht­strahlen geht es vom Herzen nach dem Kopfe her­auf und umströmt die Zir­bel­drüse. Diese Strö­mungen entste­hen dadurch, daß das men­schliche Blut, das eine physis­che Sub­stanz, ein Stoff ist, sich fortwährend auflöst in ätherische Sub­stanz, so daß in der Gegend des Herzens ein fortwähren­der Über­gang des Blutes in feine ätherische Sub­stanz stat­tfind­et, und diese strömt nach dem Kopfe her­auf und umspielt glim­mernd die Zir­bel­drüse. Dieser Vor­gang, das Ätherischw­er­den des Blutes, zeigt sich immer­während am wachen­den Men­schen.“ (Lit.: GA 130, S. 89ff)

Dieses vom Herzen auf­steigende Licht ist unser Bewusst­seinslicht, nicht zu ver­wech­seln mit dem Denken, das sich im Bewusst­sein abspielt, es aber nicht aus­macht. Dieses Licht entste­ht, indem das Blut im Herzen stirbt und die in ihm enthal­tene Gestal­tungskraft frei wird. Sie strahlt als Licht vom Herzen zum Kopf hin­auf. Es ist also ein Licht, das aus Geis­testiefen kommt und nun, da es vergeistigte Materie ist, zum Äther­leib gehört. Zu diesem zum Men­schen gehören­den kleinen Prozess beschreibt Rudolf Stein­er außer­dem direkt im Anschluss einen großen, makrokos­mis­chen, der noch deut­lich­er macht, um was es geht: “Dem entsprechend ist dieses Makrokos­mis­che zu schildern gegenüber dem Mikrokos­mis­chen [der vom Herzen auf­steigen­den Strö­mung, A.F.]. Und da zeigt sich denn … daß ein Ähn­lich­es wie das, was jet­zt gesagt wor­den ist für den Mikrokos­mos, auch im Makrokos­mos sich abspielt.

So wie in der Gegend des men­schlichen Herzens ein fortwähren­des Ver­wan­deln des Blutes in Äther­sub­stanz stat­tfind­et, so find­et ein ähn­lich­er Vor­gang im Makrokos­mos statt. Wir ver­ste­hen dieses, wenn wir unser Auge hin­wen­den auf das Mys­teri­um von Gol­gatha und auf jenen Augen­blick, in dem das Blut des Chris­tus Jesus geflossen ist aus den Wun­den. Dieses Blut darf nicht nur als chemis­che Sub­stanz betra­chtet wer­den, son­dern es ist durch alles das, was geschildert wor­den ist als die Natur des Jesus von Nazareth, etwas ganz Beson­deres. Und indem es aus­floß und hine­in­strömte in die Erde, ist unser­er Erde eine Sub­stanz gegeben wor­den, die, indem sie sich mit der Erde ver­band, ein Ereig­nis war, das ein bedeu­tend­stes ist für alle Fol­gezeit­en der Erde, und das auch nur ein­mal auftreten kon­nte. Was geschah mit diesem Blut in den fol­gen­den Zeit­en? Nichts anderes, als was son­st im Herzen des Men­schen geschieht. Dieses Blut machte im Ver­laufe der Erdenevo­lu­tion einen Ätherisierung­sprozeß durch. Und wie unser Blut als Äther vom Herzen nach oben strömt, so lebt im Erdenäther seit dem Mys­teri­um von Gol­gatha das ätherisierte Blut des Chris­tus Jesus. Der Äther­leib der Erde ist durch­set­zt von dem, was aus dem Blute gewor­den ist, das auf Gol­gatha geflossen ist; und das ist wichtig. Wäre das nicht geschehen, was durch den Chris­tus Jesus geschehen ist, dann wäre nur das mit den Men­schen auf der Erde der Fall, was vorher geschildert wor­den ist. So aber ist seit dem Mys­teri­um von Gol­gatha eine fortwährende Möglichkeit vorhan­den, daß in diesen Strö­mungen von unten nach oben die Wirkung des ätherischen Blutes des Chris­tus mit­strömt.“ (Lit.: GA 130, S. 89ff)

Im Mantra 5 E habe ich das Licht aus Geis­testiefen des Mantras 31 e als Leben­säther benan­nt und das im Mantra 5 E zur Erschei­n­ung kom­mende, im Raum frucht­bar webende Licht als den chemis­chen Äther. Dies sind die bei­den Äther­arten, die Rudolf Stein­er an ander­er Stelle als den Baum des Lebens beze­ich­net. Zum Baum der Erken­nt­nis gehören dage­gen die dem Men­schen zur per­sön­lichen Ver­fü­gung ste­hen­den Äther­arten, der Wärme Äther, erleb­bar in der eige­nen Kör­per­wärme und der Lichtäther im wil­lentlich lenkbaren eige­nen Denken.

Was tut dieses Licht aus Geistestiefen — was sagt das Mantra 31 e?

Wie alle Licht­sprüche weist das Mantra 31 e keine Beteili­gung eines bewussten Ich-Sprech­ers auf — es ist in der neu­tralen drit­ten Per­son geschrieben. Deut­lich wird dadurch, dass in den Licht­sprüchen Vorgänge dargestellt wer­den, deren sich der Men­sch nor­maler­weise nicht bewusst ist. Er bewirkt sie nicht, die Ergeb­nisse wer­den ihm geschenkt.

Das Mantra 31 e begin­nt, indem es die Lichtquelle benen­nt, deren Tätigkeit das The­ma des ganzen Mantras ist: Das Licht kommt aus Geis­testiefen. Was für eine Lichtquelle ist das? Wenn der Geist her­ab­steigt, inkarniert er sich. Ist er ganz unten, in Geis­testiefen, so befind­et er sich in einem physis­chen Kör­p­er. Das Licht kommt aus Geis­testiefen — ich als Betra­chter schaue hinab und sehe das Licht zu mir hin­auf­s­trahlen. Ich schaue inner­lich in einen Brun­nen­schacht hinab und sehe das Licht dort unten, wie es nach oben strahlt. Aus sein­er eige­nen Geset­zlichkeit her­aus strebt das Licht nach außen, es strahlt son­nen­haft von einem Mit­telpunkt in den Umkreis. Ger­ade so erlebe ich mein ausstrahlen­des Bewusst­sein, mein Gewahr­sein, noch bevor es sich auf einen Inhalt aus­richtet. Ide­al­er Weise bre­it­et sich auch mein Bewusst­sein gle­ich­mäßig um mich aus.

An dieser Stelle ste­ht im Mantra ein Dop­pelpunkt. Bis hier­her wurde ein Bild beschrieben, eine Imag­i­na­tion. Nun verän­dert sich das Bild des son­nen­haften Licht­es zu ein­er wirk­samen Kraft. Das Licht aus Geis­testiefen wird zur Lebenswil­len­skraft. Gehe ich davon aus, das mit diesem Licht tat­säch­lich der wieder zu Geist gewor­dene, geformte Stoff, die gestal­tete Materie gemeint ist, so ist es zunächst erstaunlich, dass dieselbe zur Lebenswil­len­skraft wird, zu der Kraft, die dem Tod ent­ge­gen­ste­ht. Denke ich mir jedoch ein Lebe­we­sen, in dem sich dieser Prozess vol­lzieht, so ist es nur ein klein­er Schritt von diesem reinen Gewahr­sein zu dem Bewusst­sein, ein abge­gren­ztes Eigen­we­sen zu sein. Die Ahnung der eige­nen Sterblichkeit, die Wahrnehmung der Möglichkeit des Ster­bens, der Gewis­sheit der Endlichkeit des Erden­lebens ruft Lebenswil­len­skraft auf den Plan. Die Wahrnehmung der eige­nen Lebendigkeit bringt den Wun­sch und die Kraft her­vor, das Leben erhal­ten zu wollen. Das Licht des Bewusst­seins wird zur Lebenswillenskraft.

Das zur Lebenswil­len­skraft gewor­dene Licht leuchtet in der Dumpfheit der Sinne. In jedem unser­er Sinne ist ein Funke dieses zur Lebenswil­len­skraft gewor­de­nen Licht­es enthal­ten. Dadurch wird die Dumpfheit der Sinne von innen her­aus erhellt. Das Licht weckt die Sinne auf und macht sie klug. Rudolf Stein­er sagt aus­drück­lich, dass der Prozess der Ätheri­sa­tion des Blutes beim wachen Men­schen stat­tfind­et. Nun sind dem Men­schen die Augen (stel­lvertre­tend für alle anderen Sinne) geöffnet wor­den. An dieser Stelle wer­den wir an die Paradies­geschichte erin­nert. Adam wur­den die Augen aufge­tan, nach­dem er vom Apfel, der Frucht vom Baum der Erken­nt­nis, gegessen hatte.

Ist das ein Wider­spruch zu der Annahme, dass es sich beim Licht aus Geis­testiefen um den Baum des Lebens han­delt? Ich denke nicht, denn erst nach­dem Bewusst­sein und Sin­neser­fahrun­gen vorhan­den sind, begin­nt das Denken. Denk­end bilden wir Begriffe. Unsere men­schlichen Begriffe gren­zen ab und sind dadurch stets klein­er und härter, als die Erschei­n­un­gen mit ihren unendlich vie­len Vari­a­tio­nen es erfordern wür­den. Doch wir gren­zen nicht nur ab, wir bilden auch Ober­be­griffe und führen die Viel­heit wieder zusam­men. Ein Beispiel soll die zunehmende Zusam­men­fas­sung verdeut­lichen: Die spezielle, wahrgenommene Pflanze wird im ersten Schritt zum Beispiel als Cal­en­du­la benan­nt — dann als ein­jähriger Korb­blütler, dann all­ge­mein als Pflanze, weit­er als Teil der Veg­e­ta­tion und schließlich mit dem höch­sten Ober­be­griff als Lebe­we­sen. Hier vol­lzieht das men­schliche Denken eine Gegen­be­we­gung zur Schöp­fung, die immer weit­er dif­feren­ziert. Erst an dieser Stelle kann von einem Fall aus dem Paradies gesprochen werden.

Der ruhig beschreibende Sprach­fluss des Mantras ändert sich nun und wird für die Vorstel­lungs- und Ver­ständ­niskraft des Lesers zur Her­aus­forderung. Die Sub­stan­tive rei­hen sich in ein­er Dichte aneinan­der, als woll­ten sie eine Mauer bilden. Sie brin­gen dadurch die oben erwäh­nte Gren­ze zwis­chen den Wel­ten zum Erlebnis.

Das in der Dumpfheit der Sinne leuch­t­ende Licht, das die Lebenswil­len­skraft ist, hat ein Ziel. Als zen­tral wirk­ende Kraft will dieses Licht weit­ere Kräfte ent­binden. Die Kräfte sollen aus ihrer Bindung, ihrer Unbe­weglichkeit und damit Wirkungslosigkeit befre­it wer­den. Und was ist wiederum das mit den Kräften ver­fol­gte Ziel der Lebenswil­len­skraft? Die Kräfte sollen aus See­len­trieben Schaf­fens­mächte im Men­schen­werk reifen lassen. Puh, das ist eine ziem­lich verk­lausulierte Aussage.

Zunächst möchte ich den Unter­schied von Kraft und Macht am Bild eines Königs verdeut­lichen. Der König hat Macht in seinem Reich, auch wenn er ruhig auf seinem Thron sitzt. Kraft ist dage­gen die im Moment wirk­ende Macht, die Aktion. Im Mantra wer­den Kräfte ent­bun­den, damit (Schaf­fens-) Mächte reifen. Wir sprechen von Leben­skräften, die uns eigen sind. Lebens­macht haben wir nicht, bzw. ste­ht sie uns nicht zu, denn es heißt schon in den zehn Geboten, du sollst nicht töten. Von See­len­mächt­en kann dage­gen sehr wohl die Rede sein. Die Seele hat durch ihre drei See­len­fähigkeit­en (Denken, Fühlen, Wollen) schöpferische Macht. Mir scheint, dass in dieser For­mulierung ätherische Kräfte ent­bun­den wer­den, um seel­isch-astrale Schaf­fens­mächte reifen zu lassen.

Nach dem Aufleucht­en des Bewusst­seins und den erhell­ten Sin­nen begin­nen die drei See­len­fähigkeit­en in der Seele zu wirken. Denken, Fühlen und Wollen wirken nun schöpferisch, als Schaf­fens­mächte und “ver­ar­beit­en” was im Bewusst­sein an Sinneswahrnehmungen ankommt. Doch alle drei See­len­fähigkeit­en arbeit­en zunächst trieb­haft in der Seele. Es denkt automa­tisch in mir, mein Fühlen antwortet reflex­haft durch Sym­pa­thie oder Antipathie und mein Wille ori­en­tiert sich am eige­nen Vorteil. Sie sind See­len­triebe. Erst nach und nach lernt das Ich die See­len­fähigkeit­en zu führen. Dadurch reifen sie und wer­den erst zu wirk­lichen frei ver­wend­baren Schaf­fens­mächt­en. Ihre reife Form ist vom Men­schen errun­gen, ist Men­schen­werk — die Schaf­fens­mächte reifen im Menschenwerke.

Nun ist die Frage, um welche (Lebens-) Kräfte es sich han­delt, die ent­bun­den wer­den. Eine Kraft ist eine Energie. Sie ist, wie die Physik lehrt, ein ander­er Dasein­szu­s­tand von Materie, denn Materie kann in Energie über­führt wer­den — und umgekehrt. Die Kräfte, es sind min­destens zwei, kann ich als das Durch­gangssta­di­um ver­ste­hen, wenn Geist sich in Materie ver­wan­delt und umgekehrt Materie wieder vergeistigt wird. Eine absteigende, inkarnierende und eine auf­steigende, exkarnierende Kraft wird dem­nach ent­bun­den. Vielle­icht kann ich annehmen, dass mit dem Ent­binden von Kräften ein zyk­lis­ch­er Prozess in Gang geset­zt wird. Die Exkar­na­tions­be­we­gung in Gestalt der Ätheri­sa­tion des Blutes wird nun in einen Kreis­lauf-Prozess einge­bun­den, indem auf­steigende und absteigende Kräfte gemein­sam wirken, sich Auf- und Abbau im Kör­p­er möglichst die Waage hal­ten. Diese nun wech­sel­seit­ig sich reg­ulieren­den Kräfte bilden die Grund­lage für die in der Seele möglichen Schaf­fens- und Reifungsprozesse.

Ich habe das Men­schen­werk weit­er oben als das Ergeb­nis der Selb­sterziehung, als die Kul­tivierung von Denken, Fühlen und Wollen dargestellt. Das ist jedoch noch nicht alles. Als Men­schen­werk, als Auf­gabe des Men­schen beschreibt Rudolf Stein­er die Umgestal­tung der soge­nan­nten niederen Wesens­glieder in die höheren. (Als erstes wird der uns von hohen geisti­gen Mächt­en zur Ver­fü­gung gestellte Astralleib in das Geist­selb­st umgear­beit­et. Im zweit­en Schritt wird der Äther­leib in den Lebens­geist umge­wan­delt und schließlich der physis­che Leib in die rein geistige Form des Geist­men­schen.) Diese Umgestal­tung geschieht schrit­tweise, wenn der Men­sch an sich arbeit­et im Ver­lauf viel­er Inkar­na­tio­nen. Es gibt eine Indi­vid­u­al­ität, die alle Erden­leben umgreift, die von Leben zu Leben an sich arbeitet.

Im Men­schen­werk, in den Tat­en des Men­schen, reifen die Schaf­fens­mächte. Ich habe den Ein­druck, die Schaf­fens­mächte sind als Kar­makräfte anzus­prechen. Sie reifen in den Men­schen­werken, um sich in einem kom­menden Leben auszuwirken. Stirbt der Men­sch, so wirken seine Werke fort. Eine Idee wie die Evo­lu­tion der Arten von Dar­win wirkt auch nach dem Tod ihres Entwick­lers in den nach­fol­gen­den Men­schen fort. Eben­so ist es mit Erfind­un­gen und Bauw­erken. Während dieser Zeit, in der die Indi­vid­u­al­ität, die dieses Werk schuf, nicht inkarniert ist, reifen die Fol­gen dieser Tat. Sie wer­den das zukün­ftige Kar­ma der Indi­vid­u­al­ität erschaf­fen und die Möglichkeit­en der Kor­rek­tur und des Aus­gle­ichs bereitstellen.

Das zur Lebenswil­len­skraft wer­dende Licht aus Geis­testiefen, das aus dem Tod erste­hende Licht, wird zu ein­er Kraft, die von Inkar­na­tion zu Inkar­na­tion führt, deren “Herr” der Chris­tus ist.