25 Y

Ich darf nun mir gehören

Und leuch­t­end bre­it­en Innenlicht

In Raumes- und in Zeitenfinsternis.

Zum Schlafe drängt natür­lich Wesen,

Der Seele Tiefen sollen wachen

Und wachend tra­gen Sonnengluten

In kalte Winterfluten.

Schlafen und Wachen

Rudolf Stein­ers Erken­nt­nisse zum Schlafen und Wachen wer­den bei Anthrowiki.at fol­gen­der­maßen zusam­menge­fasst: “Im Schlaf heben sich beim Men­schen die höheren seel­is­chen und geisti­gen Wesens­glieder, also das Ich und Astralleib, aus den oberen Par­tien des belebten Kör­pers (physis­ch­er Leib und Äther­leib) her­aus, wodurch das beim heuti­gen Men­schen an den physis­chen Leib gebun­dene Ich-Bewusst­sein schwindet. …

Jeden Tag, etwa in der Mitte zwis­chen Ein­schlafen und Aufwachen, begeg­nen wir unserem wer­den­den Geist­selb­st, das aber heute noch von ein­er Wesen­heit aus der Hier­ar­chie der Angeloi getra­gen wird, so dass wir auch sagen kön­nen, dass wir mit­ten im tief­sten Schlaf unser­er führen­den Engel­we­sen­heit begeg­nen. Es ist eine Begeg­nung mit unserem Genius und mit dem Heili­gen Geist, der durch ihn wirkt. … Der geistige Entwick­lungsweg soll uns nach und nach dahin führen, dass wir diese Begeg­nung mit dem Genius, mit unserem wer­den­den Geist­selb­st ganz bewusst haben kön­nen. Sie muss also dann im vollen Wachen stat­tfind­en, obwohl wir für die sinnliche Aussen­welt tief schlafen.”

Wenn wir ein­schlafen ver­lieren wir nor­maler­weise unser wach­es Bewusst­sein mit der vorüberge­hen­den Tren­nung der oberen und unteren Wesens­glieder. Dies muss jedoch nicht so sein. Durch Schu­lung, so sagt Rudolf Stein­er, könne diese Tren­nung auch wach erlebt wer­den. Es kann wach “geschlafen” wer­den. Diesen Grad an Wach­heit zu erlan­gen ist sicher­lich schw­er. Deut­lich ein­fach­er und natür­lich auch mit ein­er weit gerin­geren Tren­nung der Wesens­glieder ein­herge­hend erscheint mir das soge­nan­nte “Freez­ing” (eng. frosten). Hier wird der Kör­p­er sozusagen bewusst einge­froren, die äußeren Sinne aus­geschal­tet. Schließe ich dabei die Augen, sehe ich die Dunkel­heit. Ich erwache zu dem inneren Blick, der weiß, dass er sieht. Dieser Blick nimmt das eigene Bewusst­sein wahr. Und das ewige, selb­stleuch­t­ende Licht erscheint. Das tat­säch­liche Schließen der Augen ist dabei nicht unbe­d­ingt nötig. Es genügt, alle Aktiv­ität, äußere wie innere zu stop­pen, einzufrieren sozusagen.

“Zum Raum wird hier die Zeit”

Rudolf beschreibt, wie die Zeit­wahrnehmung sich verän­dert, im Moment des Ein­schlafens oder Aufwachens. “Denn außer Wachen und Schlafen gibt es ein Drittes, das für den Verkehr mit der geisti­gen Welt wichtiger ist als das bloße Wachen und Schlafen, näm­lich das Aufwachen und das Ein­schlafen. Dieses Aufwachen und Ein­schlafen, es dauert immer nur einen Augen­blick und gle­ich kommt man in einen anderen Zus­tand. Aber wenn ein Men­sch sich Empfind­samkeit entwick­elt für diesen Moment des Aufwachens und Ein­schlafens, dann geben ger­ade diese Augen­blicke des Aufwachens und Ein­schlafens die größten Auf­schlüsse über die geistige Welt. …

Bei dem Ein­schlafen ist es so, daß wieder im Moment des Ein­schlafens in kolos­saler Weise die geistige Welt an uns her­antritt, aber wir schlafen gle­ich ein, wir ver­lieren das Bewußt­sein von dem, was uns durch die Seele gezo­gen ist. In gewis­sen Fällen kön­nen aber Aus­nah­men ein­treten. Nun sind eben die Momente des Aufwachens und des Ein­schlafens die bedeut­sam­sten für den Verkehr mit den so genan­nten Toten, auch son­st mit den geisti­gen Wesen der höheren Welt. — Um das zu ver­ste­hen, was ich in bezug darauf zu sagen habe, ist es allerd­ings notwendig, daß Sie eine Vorstel­lung sich aneignen, die man hier auf den physis­chen Plan nicht recht anwen­den kann und daher eigentlich nicht hat. Es ist die Vorstel­lung: Was zeitlich vorüberge­gan­gen ist, ist eigentlich geistig nicht vorüberge­gan­gen, son­dern ist noch da. Das ist eine Vorstel­lung, die man im physis­chen Leben nur in bezug auf den Raum hat. Wenn Sie vor einem Baume ste­hen und dann wegge­hen, später zurückschauen, so ver­schwindet er nicht; er ist noch da. So ist es mit der Zeit in der geisti­gen Welt. Wenn Sie jet­zt etwas erleben, so ist es weg für das physis­che Bewußt­sein; geistig ange­se­hen ist es nicht weg. Sie kön­nen darauf zurückschauen wie zum Baume. Es ist sehr merk­würdig, daß Richard Wag­n­er, wie seine Worte zeigen: Zum Raum wird hier die Zeit - von dieser Sache gewußt hat. Das ist ein Geheim­nis, daß eigentlich im Geisti­gen es Ent­fer­nun­gen gibt, die hier auf dem physis­chen Plan nicht zum Aus­druck kom­men. Vorüber­sein eines Ereigniss­es bedeutet nur: Es ist weit­er von uns. Das bitte ich Sie für den Fall, den wir jet­zt betra­cht­en, beson­ders ins Auge zu fassen. Denn für den Erden­be­wohn­er im physis­chen Leibe ist es so, daß im Moment des Aufwachens der Moment des Ein­schlafens vor­bei ist; wenn wir in der geisti­gen Welt sind, ste­hen wir, wenn wir aufwachen, nur ein bißchen weit­er weg vom Moment des Ein­schlafens.” (GA 182: S. 47f, Her­vorhe­bung A.F.)

Zeit erscheint im inneren Bild als fließen­des Wass­er, als Zeit­strom. Tritt der zyk­lis­che Aspekt der Zeit ins Bewusst­sein, so run­det sich der lin­ear erlebte Fluss der Zeit zum Kreis­lauf. Jed­er abgeschlossene Zyk­lus, ist ein geistiger Wassertropfen. Hier ist die Zeit zum Raum gewor­den, zu einem Zeitraum. Ganz unbe­wusst-selb­stver­ständlich wird diese Zäsur beim Über­tritt von einem Zeit-Raum in einen anderen von den meis­ten Men­schen emp­fun­den und gefeiert. Das Neu­jahrs­fest oder auch der Beginn eines neuen Tages sind solche Momente des Über­gangs von einem Zeitraum in einen anderen. Und gle­ichzeit­ig konkur­ri­ert dieses Zeitraum-Erleben mit dem anderen Bild der Zeit, dem gle­ich­mäßig und stetig, ohne beson­dere Verän­derun­gen erlebten Fließen des Zeitstromes.

Wie kann ich das Mantra 25 Y verstehen?

Das Mantra 25 Y begin­nt mit ein­er selt­sam selb­stver­ständlichen Aus­sage. Ich darf nun mir gehören. Ja, wem gehörte ich denn vorher? Und was ist nun anders als vorher? Kann ich eigentlich auch nicht mir gehören? Das Som­mer-Hal­b­jahr beschreibt die Wahrnehmungs­seite der Seele. Es beschreibt von der Oster­woche 1 A ange­fan­gen Mantra für Mantra den Prozess aus sich her­auszuge­hen, sich von der Wahrnehmung befrucht­en zu lassen und wieder in sich zurück­zukehren. Das Som­mer-Hal­b­jahr beschreibt den Prozess des Eins-Wer­dens mit der Welt und die darauf­fol­gende Loslö­sung. In der Zeit des Eins-Seins lebt die Seele in Gemein­schaft mit der Welt. Ab einem gewis­sen Punkt ist die Gemein­schaft so stark, dass die Seele der Welt angehört.

Die Woche, in der dieser Grad der Vere­ini­gung erre­icht wird, in der sich das geistige Wesen mit dem Men­schen einen will, ist die Pfin­gst­woche 8 H. — Die Loslö­sung vol­l­zog sich in der ver­gan­genen Woche 24 X, als der Wel­tengeist fort­strebte. Im Pfin­gst­spruch 8 H wird die Bedin­gung beschrieben, unter der sich das göt­tliche Wesen mit mein­er Seele vere­inen kann. Das men­schliche Denken muss sich im Zus­tand der Traumes­dumpfheit befind­en. Von da an lag die Prozessver­ant­wor­tung nicht mehr bei der Seele. Diese Phase endete mit dem Fort­streben des Wel­tengeistes im Mantra 24 X. Das eigene, aktive Denken set­zt damit aber nicht sofort ein. Mehrere Stufen liegen noch davor. Die Auf­gabe, des Denkens Leucht­en zu ent­fachen, erken­nt der Ich-Sprech­er erst im Mantra 29 c. Die vier dazwis­chen liegen­den Mantren kann ich als Phase auf­fassen, die dem oben erwäh­n­ten Wachen im Schlaf entspricht. Die äußere Anre­gung des See­len­lebens durch die Wahrnehmung hat aufge­hört, das eigene Denken ist noch nicht erwacht. Zwei Mantren liegen vor der Hal­b­jahress­chwelle, zwei danach. Damit gibt es auch hier eine Tren­nung der Vier in zwei Paare, wie es oben für die vier Wesens­glieder erwäh­nt wird: Ich und Astralleib sowie Äther­leib und physis­ch­er Leib.

Nun darf (und kann) ich Innen­licht in Raumes- und in Zeit­en­fin­ster­n­is bre­it­en. Dieses Innen­licht ist kein blenden­des, strahlen­des Licht. Es ist offen­sichtlich kein ziel­gerichtetes Strahlen, son­dern ein mildes Scheinen. Dieses ruhig und gle­ich­mäßig sich aus­bre­i­t­ende Innen­licht erlebe ich als Aufmerk­samkeit ohne Erwartung­shal­tung. Es gle­icht eher einem Gewebe aus Licht, denn ich bre­ite es aus. Es ist Bewusst­seinslicht, das noch nicht fokussiert, noch nicht durch das Denken gebün­delt ist. Für meine Wahrnehmung strahlt es vom Herzen aus, nicht vom Kopf.  Es ist Med­i­ta­tions-Stim­mungs-Licht. Es gibt sich hin, ähn­lich wie wir uns dem Schlaf hingeben. In dieser Sit­u­a­tion dro­ht der Schlaf, wie es weit­er unten im Mantra heißt.

Ich bre­ite das Licht in Raumes- und Zeit­en­fin­ster­n­is. Zunächst sind Raum und Zeit (Zeit­en) fin­ster. Für mein nach außen gerichtetes, alltäglich­es Bewusst­sein sind sie dunkel, ich erkenne nichts. Raum und Zeit gehören zu den Grundbe­din­gun­gen des Lebens, doch mehr als das sind sie zunächst nicht. Ihre Weisheit offen­baren sie erst, wenn Innen­licht sie erleuchtet. Was zeigt sich, wenn ich mein Innen­licht in Raum und Zeit ausbreite?

Den Raum erleben wir immer als eine Kugel bzw. als Kreis mit uns sel­ber als Mit­telpunkt. Im Hor­i­zon­tkreis ste­ht jede Per­son in dessen Mit­telpunkt. Mit Rechts und Links geben wir auch die Raumes­rich­tun­gen aus der indi­vidu­ellen Per­spek­tive an. Die Win­drose mit den Him­mel­srich­tun­gen gibt diesem Raum eine vom Son­nen­lauf entliehene objek­tive Ori­en­tierung. Alte Weisheit­stra­di­tio­nen ver­ban­den mit den vier Him­mel­srich­tun­gen seel­is­che Vorgänge. Die Angabe der Him­mel­srich­tung war wie ein Code­wort für Wis­sende. Thor ging in der Nordis­chen Mytholo­gie immer auf Ost­fahrt, das Land der Toten suchte man im West­en. Rudolf Stein­er beschreibt die seel­is­chen Qual­itäten der Him­mel­srich­tun­gen so: “Vom Osten strö­men die Ver­standeskräfte der Erde zu. Von dort aus wird die Erde mit den heili­gen Ver­standeskräften durch­strömt. Diese sind etwa im Altar (des Ostens) wiedergegeben; dort ist der Kopf der Erde. Wen­den wir uns zum Süden: Von dort strahlen die heili­gen Herzen­skräfte, die Kräfte der Liebe und Hingabe der Erde zu. Von West­en ergießt sich der heilige Wille in die Erde, der die Glieder durch­strömt, woraus die Hand­lun­gen fließen.

Wenn wir uns in der Med­i­ta­tion unseren Tem­pel vorstellen, so sollen wir daran denken, daß der Altar des Ostens der Kopf, der Altar des Südens das Herz, der Altar des West­ens die Glieder der Erde darstellt, und sollen empfind­en, wie im Osten die Ver­standeskräfte, im Süden die Herzens- und Liebeskräfte, im West­en die Wil­len­skräfte fließen und in der Mitte des Tem­pels zusam­men­strö­men. Dann wer­den wir uns nach diesen Altären wen­den und bit­ten, daß diese Kräfte in uns ein­strö­men und uns durch­fluten und durchkraften mögen.” (Lit.: GA 265, S. 316f) Zum Nor­den äußert er an dieser Stelle nichts.

Eine andere Darstel­lung von Rudolf Stein­er bet­rifft die vier Wesens­glieder, deren Kräfte aus je ein­er anderen Rich­tung zum Zen­trum strö­men, und indem sie sich auf­s­tauen, unseren Leib bilden (GA 115, S. 39):

Diese kurzen Hin­weise mögen genü­gen, um eine Vorstel­lung zu ver­mit­teln, was es bedeuten kann, Licht in Raumes­fin­ster­n­is zu breiten.

Und was zeigt sich, wenn Licht in Zeit­en­fin­ster­n­is gebre­it­et wird? Rückt der zyk­lis­che Aspekt der Zeit in den Fokus, so verän­dert sich die Vorstel­lung von der Zeit, das innere Bild, der Wen­del taucht auf. Der waagerecht vor­bei­fließende Zeit­strom run­det sich zum Zeitraum. Ein Jahreskreis ist solch ein Zeitraum. Dadurch bilden sich nun die ver­schiede­nen Sta­di­en des Zyk­lus, das Wer­den und Verge­hen, räum­lich ab und kön­nen auf die oben erwäh­n­ten geisti­gen Qual­itäten des Raumes bezo­gen wer­den. In Raum und Zeit sind alle Geheimnisse unseres Daseins abge­bildet, sofern das Innen­licht sie erhellt. Wie facetten­re­ich und umfassend der Jahreskreis ver­standen wer­den kann, zeigen die Mantren des Seelenkalenders.

Das natür­liche Wesen drängt zum Schlaf. Das natür­liche Wesen ist unser belebter Kör­p­er. Physis­ch­er Leib und Äther­leib — sind Natur an uns. Diese bei­den Wesens­glieder brauchen den Schlaf zur Regen­er­a­tion. Dieses Ein­schlafen geschieht nicht nur nachts, son­dern mit jed­er Wahrnehmung. In jedem Wahrnehmungsakt gehen wir aus uns her­aus und sind mit unserem Bewusst­sein beim Wahrnehmungs­ge­gen­stand. Dadurch schlafen wir für die Eigen­wahrnehmung ein, auch am Tag. Das Erwachen find­et erst statt, wenn das Urteil gefall­en, der Begriff hinzuge­fügt ist. Damit ist die Türe zur Geisti­gen Welt schon wieder geschlossen. Dieses Pen­deln des Bewusst­seins ist unsere von Natur gegebene Anlage des Wahrnehmung­sprozess­es. Doch das muss nicht so bleiben.

Die Tiefen der Seele sollen wachen. Die Seele soll das Bewusst­sein wahren kön­nen, auch wenn das Ich und der Astralleib sich vom Kör­p­er lösen im Prozess des Ein­schlafens bzw. Wahrnehmens. (Siehe oben über Schlafen und Wachen.) Beim tat­säch­lichen Ein­schlafen bewusst zu bleiben, ist mir per­sön­lich nicht möglich. Anders ist es im Wahrnehmung­sprozess. Deshalb beziehe ich mich im Fol­gen­den auf diesen.

Wenn die Tiefen der Seele wachen sollen, so klingt mit, dass es auch eine Höhe im See­len­raum gibt. Im Mantra 13 M, direkt vor dem oberen Scheit­elpunkt des Jahreskreis­es, wird gesagt, dass ich in den Sin­neshöhen bin. Wahrnehmung ist ein Höhen Erleb­nis, auch die Wahrnehmung dessen, was das Innen­licht von Raum und Zeit sicht­bar macht. Die gle­ichzeit­ige Präsenz in Sin­neshöhen und See­len­tiefen erzeugt ein Erleb­nis großer Span­nung. Ich bin gefordert, oben und unten, Höhe und Tiefe — den Wahrnehmungs­ge­gen­stand und mein Inneres verbindend wach zu erleben. Dies ist ein Gefühl, inner­lich aufges­pan­nt zu sein zwis­chen zwei Polen. Dadurch wird ein Bewusst­sein möglich, das über die alltägliche Bewuss­theit hin­aus geht. Über­be­wusst­sein entste­ht. Wir wer­den dadurch zum Beobachter unser­er selbst.

Und während die Tiefen der Seele wachen, hat die Seele einen Auf­trag. Sie soll Son­neng­luten in kalte Win­ter­fluten tra­gen. Was sind in diesem Zusam­men­hang die Son­neng­luten und was sind die kalten Win­ter­fluten? Zwei Wege zum Ver­ständ­nis scheinen mir möglich, der eine von der men­schlichen Organ­i­sa­tion aus­ge­hend, der andere vom Jahreslauf.

Von der men­schlichen Organ­i­sa­tion aus­ge­hend zeigt sich der Stof­fwech­sel als der heiße Pol, der Kopf als der kalte. Wir brauchen einen war­men Kör­p­er und einen kühlen Kopf, um gesund zu sein. Es soll also ein Trans­fer vom unbe­wussten Stof­fwech­sel-Wil­len­spol zum kalten Denkpol stat­tfind­en. Was vorher unbe­wusst war, soll nun bewusst­wer­den. Dieser Weg geht durch die Mitte, das füh­lende Herz. Wille soll ins Denken getra­gen wer­den und warmes, füh­len­des Herz­denken soll klar und kühl durch­dacht wer­den. Diese Verbindung des Wil­lens mit dem Denken (und auch anders herum) ist eine von Rudolf Stein­er angegebene Bedin­gung für die mod­erne Einweihung:

“Denkübun­gen auf der einen Seite, Wil­len­sübun­gen auf der anderen Seite muß man machen, wenn sich das Tor öff­nen soll zur übersinnlichen Welt, in die wir ein­treten müssen, wenn wir uns unser­er­seits, als Men­schen, nach unserem Ewigen erken­nen wollen, und wenn wir die Welt nach dem Ewigen erken­nen wollen. Die Denkübun­gen, sie wer­den ger­ade dadurch vol­l­zo­gen, daß wir uns darauf besin­nen, wie immer Wil­len­sar­tiges in das Denken hinein­spielt; die Wil­len­sübun­gen, indem wir das Hinein­spie­len des Denkens in den Willen beacht­en. Nur im gewöhn­lichen Leben beacht­en wir dieses Wil­len­sar­tige nicht. Um zur mod­er­nen Ini­ti­a­tion zu kom­men, müssen wir ger­ade den leisen Willen, der in dem Vorstel­lungsleben darin­nen ist, beacht­en. Das müssen wir nach und nach erre­ichen durch die Übun­gen, die ich beschrieben habe in meinem Buche «Wie erlangt man Erken­nt­nisse der höheren Wel­ten?». Das ist es ger­ade, was ich hier andeuten will: Wir müssen das, was für gewöhn­lich ger­ade das Wichtig­ste ist, den Gedanken­in­halt zurück­treten lassen und den Willen im Denken bewußt gebrauchen ler­nen.” (Lit.: GA 211, S. 144)

Für den zweit­en Weg gehe ich vom Jahres­lauf aus.  Auch die Hal­b­jahre kön­nen als Son­neng­luten und Win­ter­fluten ange­se­hen wer­den. Das warme, Son­nen­durchglühte Som­mer-Hal­b­jahr ste­ht laut Rudolf Stein­er für den Wahrnehmung­sprozess, das Win­ter­hal­b­jahr für das Denken. Hier in meinem Wahrnehmungs-See­len­bere­ich sind sie, diese Son­neng­luten, die ich wach in den Bewusst­seins-Win­ter-See­len­bere­ich tra­gen soll. Das Bewusst­sein ist von Natur aus dem kalten Wass­er ähn­lich. Es flutet mal zu diesem inter­es­san­ten Gedanken, mal zu jen­em. Und es ist kalt, denn es braucht zum einen die antipathis­che Kraft der Dis­tanziertheit, zum anderen fühlt es nicht ohne weit­eres die moralis­che Kon­se­quenz der Gedanken. Die Wahrnehmung hinge­gen hat die sym­pa­this­che, hingebende, sich vere­inende Kraft. In der Wahrnehmung emp­fan­gen wir die Gluten, die von der Sonne stam­men, die Son­neng­luten. So wie der Som­mer unsere Nahrung wach­sen und reifen lässt, nährt die Wahrnehmung die Seele. Ohne Wahrnehmung wäre kein seel­is­ches Leben denkbar. Diese Son­neng­lut trage ich gewöhn­lich schlafend in die Win­ter­flut meines Wachbewusstseins.

Nun soll ich in diesem Prozess wach sein. Wenn mir dies gelingt, kenne ich den Ursprung mein­er Son­neng­luten, meines inneren Goldes, und ich kann hin­ter den Schleier der Dinge schauen.

Das Gleichnis der zehn wachenden Jungfrauen

Der Spruch 25 Y erin­nert deut­lich an das Bibel-Gle­ich­nis der zehn Jungfrauen, die wachend auf den Bräutigam warten müssen (Matthäus 25,1–13). Auch sie müssen ein Licht haben, für das sie genü­gend Öl brauchen, um das Licht bren­nend erhal­ten zu kön­nen. Das Öl ist Bild für die Ich-Kraft. Nur mit genü­gend Bewuss­theit gelingt es im Wahrnehmung­sprozess durchge­hend wach zu bleiben, um den Bräutigam nicht zu ver­schlafen — die Befruch­tung der Seele durch die Wahrnehmung zu erkennen.

Die achte Stufe im Sternbereich – die Stufe der Cherubim

Alanus ab Insulis zählt von oben herab:

„Der zweit­en Ord­nung wird die Auf­gabe zugeteilt, zur Erken­nt­nis Gottes einzu­laden, und sie besitzt ein umfassenderes Wis­sen von Gott als die übri­gen niederen Ord­nun­gen. Daher wird sie Cheru­bim genan­nt, das bedeutet Fülle der Erken­nt­nis. Zu dieser Ord­nung wer­den diejeni­gen gehören, die Gott betra­ch­t­end in der Heili­gen Schrift studieren und erfüllt im Geist die göt­tlichen Geheimnisse schauen. ….

Arbeite also, o Men­sch, damit du … durch die Fülle der Erken­nt­nis zu den Cheru­bim gezählt wirst; …“ (Alanus ab Insulis, Über­set­zt und veröf­fentlicht von Wolf-Ulrich Klünker unter dem Titel, „Alanus ab Insulis“, 1993, S. 53f).

Das Tetramorph, das Vier­geti­er, Fres­co in der Kirche von Mete­o­ra, 16. Jahrhundert

Die Cheru­bim (hebr. כְּרוּב cherub; Plur­al כרובים, cheru­bim „Fülle der Erken­nt­nis“, „Ergießung der Weisheit“[1]), wer­den auch als Geis­ter der Har­monien beze­ich­net. Sie sind erhabene geistige Wesen­heit­en, die, wie alle Wesen der ersten Hier­ar­chie, den unmit­tel­baren Anblick der Got­theit haben und unmit­tel­bar deren Willen voll­streck­en. Sie sind zugle­ich die eigentlichen Tierkreiswe­sen­heit­en. Dargestellt wer­den sie meist als vier­flügelige Tier­we­sen.

Rudolf Stein­er sagt über die Cheru­bim: „Wir gewin­nen höch­stens einen Ver­gle­ich für die Eigen­schaften jen­er Wesen­heit­en, zu denen wir uns dann als den Wesen­heit­en der zweit­en Kat­e­gorie der ersten Hier­ar­chie auf­schwin­gen, wir gewin­nen eine Möglichkeit, sie zu charak­ter­isieren, wenn wir so recht auf unser Gemüt das­jenige wirken lassen, wozu es ern­ste, würdi­ge Men­schen gebracht haben, welche viele Schritte ihres Lebens dazu ver­wen­det haben, Weisheit in sich anzusam­meln, welche nach vie­len Jahren reichen Erlebens so viel Weisheit ange­sam­melt haben, daß wir uns sagen: Wenn solche Men­schen ein Urteil aussprechen, so spricht nicht ein per­sön­lich­er Wille zu uns, son­dern es spricht das Leben zu uns, das durch Jahre, durch Jahrzehnte in diesen Men­schen sich ange­häuft hat und durch das sie in ein­er gewis­sen Weise unper­sön­lich gewor­den sind. Men­schen, welche auf uns einen solchen Ein­druck machen, daß ihre Weisheit unper­sön­lich wirkt, daß ihre Weisheit wie die Blüte und Frucht eines reifen Lebens erscheint, die rufen in uns ein wenn auch nur ahnen­des Empfind­en von dem her­vor, was aus unser­er geisti­gen, aus unser­er spir­ituellen Umge­bung auf uns wirkt, wenn wir zu dieser Stufe des Hellse­hens empor­rück­en, von der hier jet­zt die Rede sein muß. Man nen­nt diese Kat­e­gorie in der abendländis­chen Eso­terik die Cherubim. …

Solche Weisheit, die nun nicht gesam­melt ist in Jahrzehn­ten, wie die Weisheit her­vor­ra­gen­der Men­schen, son­dern solche Weisheit, die in Jahrtausenden, in Jahrmil­lio­nen des Wel­tenwer­dens gesam­melt ist, die strömt uns ent­ge­gen in erhaben­er Macht aus den Wesen­heit­en, die wir Cheru­bim nen­nen.“ (Lit.: GA 136, S. 80f)

Die Throne, die unter den Cheru­bim ste­hende Hier­ar­chie, wer­den durch rol­lende Räder dargestellt (siehe 24 X). Die Darstel­lung oben zeigt einen Cherub als Vier­geti­er, auch Tetramorph genan­nt. Dieser Cherub wirkt wie die wesen­hafte Achse des Rades. Die vier Tierkreiswe­sen wirken wie vier wesen­haften Spe­ichen, wie die ver­sam­melte Weisheit aus vier wesen­haft zu unter­schei­den­den Per­spek­tiv­en, die das Zen­trum mit dem Umkreis verbinden, mit dem rol­len­den Rad, dem reinen Bewe­gungswillen der Throne.

Kön­nte das Mantra 25 Y als von einem Cherub gesprochen gedacht werden?