29 c

Sich selb­st des Denkens Leuchten

Im Innern kraftvoll zu entfachen,

Erlebtes sin­nvoll deutend

Aus Wel­tengeistes Kräftequell,

Ist mir nun Sommererbe,

Ist Herb­stes­ruhe und auch Winterhoffnung.

Das dritte apokalyptische Siegel — das Buch mit den sieben Siegeln und die vier Reiter

Das dritte apoka­lyp­tis­che Siegel im Jahreskreis (in Ei-Orientierung)

Das Mantra 29 c ist das Dritte im Win­ter-Hal­b­jahr und ste­ht deshalb mit dem drit­ten apoka­lyp­tis­chen Siegel in Beziehung. Das Siegel­bild zeigt im Zen­trum das Buch der Apoka­lypse mit den sieben Siegeln. Hierin ist die Weisheit der Welt, das har­monis­che Zusam­men­spiel aller Kräfte beschlossen. Rudolf Stein­er sagt dazu: „Das dritte Siegel stellt die Geheimnisse der soge­nan­nten Sphären­har­monie dar. … Die posaunen­blasenden Engel des Bildes stellen die geisti­gen Urwe­sen der Wel­ter­schei­n­un­gen dar; das Buch mit den sieben Siegeln deutet daraufhin, daß sich in den Erleb­nis­sen, die in diesem Bilde ver­an­schaulicht sind, die Rät­sel des Daseins «entsiegeln». Die «vier apoka­lyp­tis­chen Reit­er» stellen die men­schlichen Entwick­elungsstufen durch lange Erden­zyklen hin­durch dar.“ (Lit.: GA 34, S. 598) Das Pferd ist das Bild des Denkens, das der Men­sch zu reit­en und zu zügeln ler­nen muss.

An ander­er Stelle sagt er: „Die posaunen­blasenden Engel stellen die geisti­gen Urwe­sen der Wel­ter­schei­n­un­gen dar; die Posaunen­töne selb­st die Kräfte, die von diesen Urwe­sen aus in die Welt strö­men und durch welche die Wesen und Dinge aufge­baut und in ihrem Wer­den und Wirken erhal­ten wer­den. Die «apoka­lyp­tis­chen Reit­er» stellen die Haupten­twick­lungspunk­te dar, durch welche eine Men­schenin­di­vid­u­al­ität im Laufe viel­er Verkör­pe­run­gen durchge­ht und die sich auf dem Astralplan in den Reit­ern auf den Pfer­den darstellen: ein weißglänzen­des Pferd, eine sehr frühe Stufe der See­le­nen­twick­lung aus­drück­end; ein feuer­far­benes Pferd, auf die kriegerische Entwick­lungsstufe der Seele deu­tend; ein schwarzes Pferd, entsprechend jen­er See­len­stufe, wo nur das äußere physis­che Wahrnehmen der Seele entwick­elt ist; und ein grün­schim­mern­des Pferd, das Bild der reifen Seele, welche die Herrschaft über den Leib hat (daher die grüne Farbe, welche sich als Aus­druck der von innen nach außen wirk­enden Leben­skraft ergibt).“ (Lit.: GA 284, S. 93)

Die Reit­er des Siegels reit­en auf drei Sterne zu – auf drei Zukun­ft­sziele, die bere­its ver­an­lagt sind. Zwar habe ich für dieses Siegel keine Aus­sage Rudolf Stein­ers zu den Ster­nen des Bildes gefun­den, an anderen Stellen find­en sich jedoch aus­führliche Beschrei­bun­gen Rudolf Stein­ers zur Bedeu­tung dieser Ster­nen­ze­ichen. Der Fün­f­stern, das Pen­ta­gramm zeigt Strö­mungen des Äther­leibes und dem Sechsstern, dem Hexa­gramm entsprechen Strö­mungen des Astralleibes. Den Sieben­stern, das Hep­ta­gramm, so wie er hier geze­ich­net ist, nen­nt Rudolf Stein­er das mys­tis­che Lamm. Dieses Zeichen kann deshalb als Kraft­strö­mungen des Ichs aufge­fasst werden.

Wozu ruft mich das Mantra 29 c auf?

Das Mantra 29 c begin­nt mit der kraftvollen Auf­forderung: “Sich selb­st … im Innern …” Es begin­nt also mit ein­er Eigen­er­mäch­ti­gung im Innern. Erst gegen Ende des Mantras wird deut­lich, dass es einen Ich-Sprech­er gibt, der sich sel­ber aufruft, des Denkens Leucht­en zu ent­fachen, aktiv zu denken. Damit bin ich als Leser es selb­st, der diese Auf­forderung ausspricht. Ich fordere mich auf, meinen Geist wil­lentlich denk­end zu betäti­gen. Und noch ein Zweites bewirkt dieser Anfang: Indem das Mantra in der neu­tralen 3. Per­son begin­nt, stelle ich mich als Ich-Sprech­er mir selb­st gegenüber und betra­chte mich von ein­er höheren Warte aus.

Sich selb­st gegenüber zu ste­hen, gehört unmit­tel­bar zur Erfahrung von klarem Denken. Johann Got­tlieb Fichte (1762–1814) schreibt: „Die Intel­li­genz, als solche, sieht sich selb­st zu; und dieses sich selb­st Sehen ist mit allem, was ihr zukommt, unmit­tel­bar vere­inigt, und in dieser unmit­tel­baren Vere­ini­gung des Seyns und des Sehens beste­ht die Natur der Intel­li­genz. Was in ihr ist, und was sie über­haupt ist, ist sie für sich selb­st; und nur, inwiefern sie es für sich selb­st ist, ist sie es, als Intel­li­genz.“ (Lit.: Johann Got­tlieb Ficht­es Sämtliche Werke, 1845, S. 435)

“Des Denkens Leucht­en” kann auf zweifache Art ver­standen wer­den. Zum einen kann es das Leucht­en des Denkens bedeuten. Dann ist “Leucht­en” ein sub­stan­tiviertes Verb und sagt aus, dass das Denken leuchtet, dass vom Denken Licht aus­ge­ht. Zum anderen kann “Leucht­en” die Mehrzahl von Leuchte sein. Dann erscheinen in der Vorstel­lung min­destens zwei Leucht­en, die zum Denken gehören. Bei­de Vari­anten sind plausibel.

Wenn “des Denkens Leucht­en” auf die zweite Art ver­standen wird, sind es min­destens zwei. Nach meinem Dafürhal­ten sind damit die bei­den Gehirn­hälften gemeint, durch die wir über zwei unter­schiedliche Denkweisen ver­fü­gen. Durch die linke Gehirn­hälfte kön­nen wir an Tat­sachen ori­en­tiert, lin­ear, abstrakt, logisch und struk­turi­ert die Real­ität erfassen. Durch die rechte Gehirn­hälfte kön­nen wir bild­haft, ganzheitlich, assozia­tiv, phan­tasievoll und kreativ neu-schöpferisch geistig tätig sein. Demzu­folge fordert mich der erste Halb­satz des Mantras dazu auf, bei­de Arten geistiger Aktiv­ität kraftvoll, also aktiv und wil­len­shaft, zu gebrauchen.

Und warum wird das Bild der Leuchte, der Fack­el gewählt, die ent­facht, entzün­det wer­den muss? Rudolf Stein­er betont, dass es ein Denken gibt, das an das Gehirn gebun­den ist, und ein anderes. Im Bild der bren­nen­den, licht­spenden­den Leuchte sehe ich das freie Denken im Sinne Rudolf Stein­ers. In der noch nicht entzün­de­ten Leuchte hinge­gen das ans Gehirn gebun­dene Denken im Sinne des fol­gen­den Zitates: „Mit diesem Denken hat es näm­lich fol­gende Bewandt­nis. Dieses Denken, das also jede Seele heute in sich als eine Kraft haben kann, hat gewis­ser­maßen zwei Gesichter, ist ein Januskopf. Dieses Denken ist entwed­er vom Gehirn abhängig, bringt nur das­jenige als Gedanken zum Bewußt­sein, was sich im Gehirn, im Ner­ven­sys­tem spiegelt. Dann ist dieses Denken mehr pas­siv, ist ein solch­es Denken, das sich anlehnen will an das Instru­ment des Gehirns. Oder aber dieses Denken kann sich schon ein­fach — ohne irgendwelche Med­i­ta­tion — durch inneres Aufraf­fen, dadurch daß es sein­er selb­st in sein­er wahren Wesen­heit sich bewußt wird, daß es sich los­reißen will von der Anlehnung an das Gehirn, freimachen: dann ist es ein mehr aktives Denken.

Bei­des sind Seit­en des gesun­den men­schlichen Denkens, wie es heute jede Seele haben kann. Denken ist in jed­er Seele, aber es kann in zweifach­er Weise benutzt wer­den. Zunächst so: der Men­sch kann sich in sich sel­ber erkraften, kann in sich sel­ber Gedanken prä­gen. Dann ist dieses Denken in sein­er Aktiv­ität so, daß es voll ent­ge­genkommt allem, selb­st den schein­bar gewagtesten Behaup­tun­gen der Geis­tes­forschung. Wenn aber dieses Denken sich nicht erkraften will, nicht in sein­er Aktiv­ität sich erfassen will, dann muß es sich anlehnen an das Instru­ment des Denkens, das Gehirn, dann bringt es über­haupt nur Gedanken her­vor, die mit dem Instru­ment des Gehirns erfaßt wer­den, dann denkt der Men­sch nicht aktiv, dann denkt er passiv.

Wichtiger fast als jede andere — allerd­ings nicht für die unmit­tel­bare Gegen­wart, son­dern für die Zukun­ft — ist die Ein­teilung in aktive Denker und pas­sive Denker. Diejeni­gen, die etwas von selb­ständi­gem, inner­lich freiem Denken in sich erkraften, die aktiv denken kön­nen, wer­den schon durch den Trieb dieses Denkens herzuge­drängt zu der geis­teswis­senschaftlichen Forschung. Diejeni­gen, die nicht tätig denken wollen, son­dern nur in Abhängigkeit vom Gehirn, wer­den sagen, die anthro­posophis­che Forschung ist Phan­tasterei, weil sie keinen Begriff haben von dem, was in einem freien Denken erfaßt wer­den kann, weil sie hingegeben sein wollen an das Instru­ment des Gehirns. So daß man sagen kann, daß sie nicht in sich selb­st denken wollen, nur in sich für sich sel­ber denken lassen.“ (Lit.: GA 152, S. 51f)

Der Ich-Sprech­er des Mantras fordert sich also auf, sich selb­st diese Denk-Leucht­en zu ent­fachen — aktiv zu denken, beziehungsweise sein Denken leucht­en zu lassen. Um denken zu kön­nen, muss der Auf­bauprozess des Lebens in den Abbauprozess, der Bewusst­sein erzeugt und der einem Ver­bren­nen entspricht, umge­wan­delt wer­den. Das Bild der lichterzeu­gen­den Flamme entspricht der eige­nen Wahrnehmung im Denkprozess. Wir sagen: “mir ist ein Licht aufge­gan­gen”, wenn ein neuer, erhel­len­der Gedanke aufscheint.

Nach­dem das in diesem Mantra im Zen­trum ste­hende Denken charak­ter­isiert wurde durch die (bei­den) zu ent­fachen­den Denk-Leucht­en (bzw. durch das zu ent­fachende Denk-Leucht­en), wird nun gesagt, worüber gedacht wer­den soll: Das Erlebte soll sin­nvoll gedeutet wer­den. Das Erlebte ist das, was von außen an uns herange­tra­gen wird, die Wahrnehmungswelt und die auf uns wirk­enden anderen Lebe­we­sen. Sie bilden das, was wir im Leben erleben, was unser Schick­sal bildet. Dieses durch ein Lebe­we­sen Erfahrene, das Erlebte, sollen wir sin­nvoll deuten.

Geht das über­haupt? Sind die Ereignisse des Lebens immer sin­nvoll? Oder dirigiert nicht vor allem Zufall, was wir erleben? Das Mantra beant­wortet die Frage, ob Erleb­nisse einen Sinn haben, mit einem deut­lichen Ja! Rudolf Stein­er sagt: “Wer das richtige Gefühl erlan­gen will gegenüber dem Denken, der muß sich sagen: Wenn ich mir Gedanken machen kann über die Dinge, wenn ich durch Gedanken etwas ergrün­den kann über die Dinge, so müssen die Gedanken erst darin­nen sein in den Din­gen. Die Dinge müssen nach den Gedanken aufge­baut sein, nur dann kann ich die Gedanken auch her­aus­holen aus den Din­gen.” (Lit.: GA 108, S. 259) Auf mein Leben, mein Erlebtes bezo­gen bedeutet dies, wenn in meinen Erleb­nis­sen ein Sinn erkennbar sein soll, muss dieser im Gang der Ereignisse bere­its enthal­ten sein. Der Sinn ist keine Hinzufü­gung des Denkens.

Das Erlebte soll aus dem Kräfte­quell des Wel­tengeistes sin­nvoll gedeutet wer­den. Es han­delt sich um Kräfte, die dem Wel­tengeist entquellen, und weil diesel­ben das Leben weisheitsvoll arrang­ieren, kann das Leben im Nach­hinein sin­nvoll, also weise, gedeutet wer­den. Doch was ist der Wel­tengeist und was ist sein Kräfte­quell? Schon ein­mal spielte der Wel­tengeist im See­lenkalen­der eine Rolle. Im Mantra 24 X strebte er fort. Dieses Mantra spiegelt mit dem gegen­wär­ti­gen Mantra 29 c. Dadurch kann ich annehmen, dass der Wel­tengeist nun eine ent­ge­genge­set­zte Bewe­gung vol­lzieht: er naht sich, und zwar durch die ihm entquel­len­den Kräfte. Und was ist nun mit dem Kräfte­quell des Wel­tengeistes wirk­lich gemeint? Mit dem Wort Quell ist das Bild des strö­menden Wassers ver­bun­den. Eine Vielzahl an Kräften entströmt — gle­ich mehreren Flüssen — diesem Quell. Den Wel­tengeist ver­ste­he ich als das Weisheit­sprinzip in der Welt. Die aus dem Wel­tengeist her­vorquel­len­den Kräfte erlebe ich als die Zeit. Sie ist kein monot­o­nes, gle­ich­för­miges Strö­men, son­dern eine Vielzahl weisheitsvoll zusam­men­wirk­ender Kräfte. Im Früh­ling wirken sie ganz anders als im Herb­st. Der See­lenkalen­der eröffnet eine noch weit dif­feren­ziert­ere Sicht auf die wirk­enden Kräfte im Jahres­lauf. Dem Wel­tengeist entströ­men 52 Wochen-Kräfte, die mir die sin­nvolle Deu­tung meines Lebens ermöglichen, weil sie beim Zus­tandekom­men mein­er Erleb­nisse wirk­sam beteiligt waren. Schließlich spielt sich jedes Geschehen zu einem bes­timmten Zeit­punkt, mithin in ein­er bes­timmten Woche ab.

Die sin­nvolle Deu­tung mein­er Erleb­nisse erschließt sich mir in drei Schrit­ten. Sie ist mir Som­mererbe, Herb­stes­ruhe und auch Win­ter­hoff­nung. Sie vol­lzieht sich qual­i­ta­tiv ver­schieden, je nach­dem welch­er Zeitraum in den Fokus gerückt wird. Für das Mantra 29 c liegt der Som­mer in der Ver­gan­gen­heit. Der Som­mer ist das Gewe­sene, das Erbe. Das Som­mererbe beschreibt das Erlebte als Ver­gan­ge­nes. Herb­st ist Gegen­wart und Herb­stes­ruhe ist die seel­is­che Aus­geglichen­heit des Gewahr­seins der Gegen­wart. Herb­stes­ruhe beschreibt, wie das Erlebte als gegen­wär­tig durch­lebte Erin­nerung erfahren wird. Zukun­ft­sori­en­tierung zeigt sich in der Win­ter­hoff­nung, der Hoff­nung auf einen Neube­ginn im Früh­ling. Zur Win­ter­hoff­nung wird das Erlebte, wenn es inner­lich ver­ar­beit­et ist und dadurch zu einem Rei­fungs- und Wach­s­tum­sprozess der Seele beige­tra­gen hat.

Die Bedeu­tung von Som­mererbe, Herb­stes­ruhe und Win­ter­hoff­nung geht jedoch über die sit­u­a­tive Aus­sage hin­aus. Das Som­mer-Hal­b­jahr ste­ht für den Wahrnehmungs­bere­ich der Seele, wie Rudolf Stein­er in der Ein­leitung der ersten Aus­gabe des See­lenkalen­ders deut­lich macht: “Es kann vielmehr fühlen der Men­sch sein an die Sinne und ihre Wahrnehmungen hingegebenes Wesen als entsprechend der licht- und wärme-durch­wobe­nen Som­mer­natur.” Seine Erleb­nisse in Form von Wahrnehmungen hat der Denk-Men­sch vom Som­mer geerbt. Sie bedeuten sein Som­mererbe. Herb­stes­ruhe bringt ins Bild, wie diese Wahrnehmungen aus der Ver­gan­gen­heit in inner­er Ruhe, in med­i­ta­tiv­er Versenkung ohne Vorurteile gedeutet wer­den soll­ten. So wie sich ein Blatt oder eine reife Frucht vom Baum löst, soll auch die Deu­tung dem Ich-Sprech­er ein­fall­en. Gelingt dies, wird das Erlebte zur Win­ter­hoff­nung, zur Hoff­nung auf einen neuen Anfang, auf einen inneren Früh­ling. Win­ter bedeutet jedoch noch mehr als nur die Tat­sache, ein Über­gang zum Früh­ling zu sein. Die Tat­sache wirk­lich reifer Deu­tung des eige­nen Schick­sals verän­dert das Selb­st­bild, sie gle­icht ein­er inneren Neuge­burt. Die Win­ter­hoff­nung ist deshalb dann auch die Hoff­nung auf die Geist­ge­burt im Innern, das gegen­wär­tige, lebendi­ge Erleb­nis der Christ­ge­burt im eige­nen Herzen. Angelus Sile­sius spricht es so aus: “Und wäre Chris­tus tausend­mal in Beth­le­hem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit ver­loren.” Ein solch­es Neuw­er­den ermöglicht, in der Zukun­ft auf neue Art zu handeln.

Im Bud­dhis­mus gibt es einen zen­tralen Dreis­chritt, der mein­er Mei­n­ung nach den drei Bild-Worten Som­mererbe, Herb­stes­ruhe und Win­ter­hoff­nung entspricht. Das sind: Sichtweise, Med­i­ta­tion und Hand­lung. Als Viertes tritt die Frucht, das Ergeb­nis der Hand­lung hinzu, ihre befürchtete (neg­a­tive) karmis­che Folge.  Diese Schritte sind die Grund­lage des Vajrayana Bud­dhis­mus. Auch wenn die über­mit­tel­ten Erk­lärun­gen dieser Begriffe im Bud­dhis­mus viel umfan­gre­ich­er sind und sich auf die Lehre der Erleuch­tung beziehen, so lassen sich darin doch die oben schon beschriebe­nen Erken­nt­niss­chritte wiederfind­en: Sicht ist unschw­er als die Wahrnehmung, als das Som­mererbe erkennbar. Herb­stes­ruhe verdeut­licht, die See­len­hal­tung der Med­i­ta­tion. Und was als Hand­lung aus der neuen, durch Med­i­ta­tion gewonnenen Geis­te­shal­tung fol­gt, ist eine Hand­lung, die dem Guten dienen möchte. Sie weckt die begrün­det Hoff­nung auf einen eben­so guten Fort­gang des Schick­sals — sowohl für den Einzel­nen als auch für die Welt. Im Vajrayana Bud­dhis­mus tritt hier die Furcht vor den karmis­chen Fol­gen der Hand­lun­gen hinzu. Diese Furcht ste­ht in direk­tem Gegen­satz zur Hoff­nung des drit­ten Schrittes, zur Win­ter­hoff­nung. Darin zeigt sich ein Unter­schied zwis­chen dieser bud­dhis­tis­chen Lehre und dem von Rudolf Stein­er ver­mit­tel­ten Chris­ten­tum: “Und zwar lehrt uns die okkulte, die hellse­herische Forschung, daß in unserm Zeital­ter das Wichtige ein­tritt, daß der Chris­tus der Herr des Kar­ma für die Men­schheit­sen­twick­elung wird. .… Und je mehr dieses Gefühl, das eine erhöhtere Bedeu­tung noch haben wird als das abstrak­te Gewis­sen, sich aus­bilden wird, desto mehr wird die Äthergestalt des Chris­tus in den näch­sten Jahrhun­derten sicht­bar wer­den.“ (Lit.: GA 131, S. 77ff) Das Schauen des ätherischen Chris­tus in unser­er seel­isch win­ter­lich kalten Welt ist tat­säch­lich Winterhoffnung.

Noch im Mit­te­lal­ter, so sagt Rudolf Stein­er, erlebten die Men­schen entsprechend der bud­dhis­tis­chen Ansicht die Strenge des Geset­zes. „Wenn der Men­sch durchge­gan­gen ist durch die Pforte des Todes und durch­lebt hat jene Zeit, in welch­er er Rückschau hal­ten kann auf das bish­erige Erden­leben, durch­lebt hat die Zeit bis zu dem Punkt, da er den Äther­leib abgelegt hat, wenn der Men­sch überge­ht in die Kamalo­ka-Zeit, dann tritt er vor zwei Gestal­ten hin. Gewöhn­lich wird nur eine von diesen erwäh­nt, aber wir kön­nen der Voll­ständigkeit hal­ber sagen: Es tritt der Men­sch vor sein­er Kamalo­ka-Zeit vor zwei Gestal­ten hin, das gilt allerd­ings nur für die Men­schen des Abend­lan­des und für alle diejeni­gen Men­schen, welche mit der Kul­tur dieses Abend­lan­des in den let­zten Jahrtausenden einen Zusam­men­hang gehabt haben. Moses ist die eine – der Men­sch weiß ganz genau, daß er Moses gegenüber­tritt –, die ihm vorhält die Geset­zestafeln, im Mit­te­lal­ter nan­nte man es «Moses mit dem schar­fen Gesetz», und der Men­sch hat ganz genau in sein­er Seele das Bewußt­sein, inwiefern er bis in das Inner­ste sein­er Seele abgewichen ist von dem Gesetz. Die andere Gestalt ist diejenige, die man nen­nt «den Cherub mit dem feuri­gen Schw­ert», der da entschei­det über diese Abwe­ichung. Das was da dem Men­schen ent­ge­gen­tritt durch diese zwei Gestal­ten, es stellt gewis­ser­maßen das karmis­che Kon­to fest. Diese Tat­sache geht in unser­er Zeit ein­er Änderung ent­ge­gen. Es wird der Chris­tus der Herr des Kar­ma. Nehmen wir an, irgen­dein Men­sch hätte dieses oder jenes Böse getan, so muß er ein Gutes tun, welch­es aus­gle­icht das Böse. Aber dieses Gute, das kann er in zweifach­er Weise tun, so daß es für ihn die gle­iche Anstren­gung bedeutet, wenn es nur weni­gen Men­schen zugute kommt oder so, daß es für ihn die gle­iche Anstren­gung bedeutet, wenn es vie­len Men­schen zum Heile gere­icht. Daß unser karmis­ches Kon­to in der Zukun­ft so aus­geglichen wird, das heißt in eine solche Wel­tord­nung hineingestellt wird gegen die Zukun­ft, wenn wir den Weg zum Chris­tus gefun­den, daß die Art unseres karmis­chen Aus­gle­ich­es das größt­möglich­ste Men­schen­heil für den Rest der Erden­twick­elung her­vor­rufe, das wird die Sorge Christi sein. Mit dieser Über­tra­gung des Richter­amtes über die men­schlichen Tat­en an den Chris­tus ist aber verknüpft, daß dieser Chris­tus auch unmit­tel­bar ein­greift in die men­schlichen Geschicke. Die Men­schen wer­den nach und nach die Fähigkeit errin­gen, den karmis­chen Aus­gle­ich, die aus­gle­ichende Tat, die in der Zukun­ft geschehen muß, zu schauen wie im Traum­bilde.“ (Lit.: GA 130, S. 165ff) So wie das Schauen des ätherischen Chris­tus in unser­er mod­er­nen, seel­isch win­ter­lich kalten Welt tat­säch­lich Win­ter­hoff­nung ist, so bedeutet auch die Wen­dung zum größt­möglichen Guten des eige­nen Schick­sals, begrün­det Hoff­nung haben zu können.

Ergänzung

Som­mererbe, Herb­stes­ruhe und Win­ter­hoff­nung gehen her­vor aus der sin­nvollen Deu­tung des Erlebten unter Zuhil­fe­nahme des Kräfte­quells des Wel­tengeistes. Für mich bedeuten diese drei Bilder nicht nur Zeitqual­itäten und Erken­nt­nis­sta­tio­nen. Sie weisen hin auf die drei höheren Wahrnehmungs­fähigkeit­en des Men­schen: Imag­i­na­tion, Inspi­ra­tion und Intu­ition. Die vie­len Wahrnehmungen z.B. der Natur kön­nen sich als Erbe des Som­mers zum Urbild verdicht­en und Imag­i­na­tion, geistiges Bild wer­den. In der Herb­stes­ruhe lässt sich der Stille und den daraus her­vortö­nen­den Inspi­ra­tio­nen lauschen. So wie der Herb­st das Skelett der Bäume, das Ast­werk hin­ter dem Gewoge der Blät­ter zur Erschei­n­ung bringt, gelingt der Inspi­ra­tion die Erken­nt­nis der Struk­turen, das Lesen der okkul­ten Schrift, wodurch die Imag­i­na­tio­nen erst ver­ständlich wer­den. Win­ter­hoff­nung bedeutet die Hoff­nung auf Wesens­begeg­nung, auf Begeg­nung mit den Wesen der geisti­gen Welt und der unmit­tel­baren Kom­mu­nika­tion mit diesen durch Intu­ition. Die Voraus­set­zung dafür ist, dass der Men­sch nicht nur irdis­ch­er Men­sch, son­dern auch Geist­we­sen ist, dass er das innere Wei­h­nacht­sereig­nis, das sich jed­erzeit ereignen kann, erfahren hat.