33 g

So fühl ich erst die Welt,

Die außer mein­er Seele Miterleben

An sich nur frostig leeres Leben

Und ohne Macht sich offenbarend,

In See­len sich von neuem schaffend,

In sich den Tod nur find­en könnte.

Das siebte apokalyptische Siegel

Das 7. apoka­lyp­tis­che Siegel im Jahreskreis (als Ei orientiert)

Rudolf Stein­er schreibt über das 7. apoka­lyp­tis­che Siegel­bild: „Siegel VII ist Wieder­gabe des «Mys­teri­ums vom heili­gen Gral». Es ist das­jenige astralis­che Erleb­nis, welch­es den uni­versellen Sinn der Men­schheit­sen­twick­lung wiedergibt. Der Wür­fel stellt die «Raumeswelt» dar, die noch von keinem physis­chen Wesen und keinem physis­chen Ereig­nis durch­set­zt ist. Für die Geis­teswis­senschaft ist näm­lich der Raum nicht bloß die «Leere», son­dern er ist der Träger, der auf noch unsicht­bare Art die Samen alles Physis­chen in sich birgt. Aus ihm her­aus schlägt sich gle­ich­sam die ganze physis­che Welt nieder, wie sich ein Salz nieder­schlägt aus der noch ganz durch­sichti­gen Lösung. Und was – in bezug auf den Men­schen – sich aus der Raumeswelt her­aus­bildet, das macht die Entwick­lung vom Niedern zum Höh­ern durch. Es wach­sen her­aus aus den «drei Raumes­di­men­sio­nen», welche im Wür­fel aus­ge­drückt sind, zuerst die niedrigeren Men­schenkräfte, ver­an­schaulicht durch die bei­den Schlangen, die aus sich wieder die geläuterte höhere geistige Natur gebären, was in den Wel­ten­spi­ralen sich darstellt. Durch das Aufwärtswach­sen dieser höheren Kräfte kann der Men­sch Empfänger wer­den (Kelch) für die Auf­nahme der rein geisti­gen Weltwe­sen­heit, aus­ge­drückt durch die Taube. Dadurch wird der Men­sch Beherrsch­er der geisti­gen Welt­mächte, deren Abbild der Regen­bo­gen ist. Das ist eine ganz skizzen­hafte Beschrei­bung dieses Siegels, das uner­meßliche Tiefen in sich birgt, die sich dem­jeni­gen offen­baren kön­nen, der es in der hinge­bungsvollen Med­i­ta­tion auf sich wirken läßt. Umschrieben ist dieses Siegel mit dem Wahrheitsspruch der mod­er­nen Geis­teswis­senschaft: «Ex deo nascimur, in Chris­to morimur, per spir­i­tum sanc­tum reviviscimus», «Aus Gott bin ich geboren; in Chris­to sterbe ich; durch den Heili­gen Geist werde ich wiederge­boren». In diesem Spruch ist ja der Sinn der men­schlichen Entwick­lung voll angedeutet.“ (Lit.: GA 284, S. 94f)

Eine aus­führlichere Beschrei­bung des Rosenkreuzer­spruch­es um das Siegel­bild ist fol­gende von Rudolf Stein­er: “Das Ganze gibt den Sinn von dem Zusam­men­hange zwis­chen Welt und Men­sch in ein­er wun­der­baren Weise wie eine Zusam­men­fas­sung des Sinnes der anderen Siegel. Daher ste­ht auch hier das Wel­tenge­heim­nis als Umschrift auf dem Außen­rand des Siegels. Dieses Wel­tenge­heim­nis stellt dar, wie der Men­sch im Anfange aus den Urkräften der Welt her­aus­ge­boren ist. Jed­er Men­sch, wenn er zurück­blickt, hat im Anfange der Zeit jenen Prozeß durchgemacht, den er heute geistig durch­macht, wenn er aus den Bewußt­sein­skräften her­aus neu geboren wird. Das drückt das Rosenkreuzer­tum aus [mit den Buch­staben] E. D. N.: Aus Gott bin ich geboren.

Wir haben gese­hen, daß inner­halb der Offen­barung ein Zweites hinzutritt: zum Leben der Tod. Aber der Men­sch muß, damit er in diesem Tode das Leben wiederfind­et, in dem Urquell alles Lebendi­gen diesen Sinnestod über­winden. Und dieser Urquell ist der Mit­telpunkt aller kos­mis­chen Entwick­elung; denn wir mußten den Tod find­en, um unser Bewußt­sein zu errin­gen. Aber wir wer­den ihn über­winden dann, wenn wir den Sinn dieses Todes im Erlös­er-Geheim­nis find­en. Eben­so wie wir aus Gott geboren sind, ster­ben wir im Sinne der eso­ter­ischen Weisheit in Chris­to: I. C. M.

Und weil über­all da, wo sich etwas offen­bart, sich eine Zwei­heit zeigt, der sich das Dritte vere­ini­gen muß, wird der Men­sch, wenn er den Tod über­wun­den hat, sich selb­st iden­ti­fizieren mit dem die Welt durch­drin­gen­den Geiste (die Taube). Er wird aufer­ste­hen und wieder leben im Geiste: P. S. S. R.

Das ist das theosophis­che Rosenkreuz. Es leuchtet hinein in jene Zeit­en, wo Reli­gion und Wis­senschaft sich ver­söh­nen wer­den.“ (Lit.: GA 284, S. 77f)

Betra­chte ich die Anord­nung der drei Spruchteile im Jahreskreis wie dargestellt, so zeigt sie sich entsprechend der Drit­telung des Jahres durch die Oster­scholle: Beim Drit­tel des Som­mer-Hal­b­jahres ste­ht: E D N — “Aus Gott bin ich geboren”; beim Drit­tel des Win­ter-Hal­b­jahres ste­ht: I C M — “In Chris­to sterbe ich”; beim Drit­tel der Oster­scholle ste­ht: P S S R — “Durch den Heili­gen Geist werde ich wiederge­boren”. Das Som­mer-Hal­b­jahr, die Wahrnehmungswelt gehört zum Vater­gott, das Win­ter-Hal­b­jahr, die seel­is­che Innen­welt gehört zum Chris­tus und die Oster­scholle, der Mond im Son­nen­jahr gehört zum Heili­gen Geist.

Die kommenden Sonntage sind Festtage

Da ich den See­lenkalen­der nach der Osterzeit jedes Jahr so anpasse, dass Wei­h­nacht­en in der Woche 38 m liegt, gehören von dieser Woche an die Mantren immer zu diesen Feiertagen:

33 g — Volk­strauertag am Son­ntag und Buß- und Bet­tag am Mittwoch dieser Woche

34 h — Toten­son­ntag, auch Ewigkeitsson­ntag genannt

35 i — Erster Advent

36 k — Zweit­er Advent

37 l — Drit­ter Advent

38 m — Viert­er Advent und Heili­ga­bend im Laufe dieser Woche

Volkstrauertag und Buß- und Bettag

Der Volk­strauertag ist ein junger Feiertag, der zum Gedenken an die Toten der bei­den Weltkriege einge­führt wurde. Der Buß- und Bet­tag ist ein evan­ge­lis­ch­er Feiertag. Die Aus­ru­fung solch­er Tage hat eine jahrhun­derte­lange Tra­di­tion, die auf der Geschichte des Jona (Die Bibel, AT, Propheten­büch­er, Buch Jona, Kapi­tel 1–4) beruht. Gott wollte die Stadt Ninive ver­nicht­en, doch die Men­schen änderten ihren Sinn, tat­en Buße und Gott ver­schonte die Stadt. Ein festes Datum für den Buß- und Bet­tag gibt es erst seit dem 19. Jahrhun­dert (Wikipedia.org).

33 Jahre Zyklus

Das Mantra trägt die Num­mer 33. Mit dieser Zahl ist ein wichtiger Rhyth­mus ver­bun­den, der Zyk­lus von 33 1/2 Jahren. In dieser Zeitspanne wird aus einem Gedanken irdis­che Real­ität. Da es sowohl die Zahl als auch durch das Neu-Wer­den der Welt The­ma dieses Mantras ist, sei vor­angestellt, was Rudolf Stein­er über diesen Zyk­lus aus­führt: “Welche Aus­sicht­en für das Ostern nach dreiund­dreißig Jahren ver­spricht das Wei­h­nacht­en von diesem Jahre? — Denn alle Dinge im geschichtlichen Wer­den erste­hen nach dreiund­dreißig Jahren in ver­wan­del­ter Gestalt aus dem Grabe, durch eine Gewalt, die zusam­men­hängt mit dem Heilig­sten und Erlösend­sten, das die Men­schheit durch das Mys­teri­um von Gol­gatha bekom­men hat. (…) Werde man sich bewußt, daß eine Gen­er­a­tion zu der nach­fol­gen­den so hinzuschauen hat, daß sie zu gedenken hat: Im Wei­h­nachtssterne lehre ich dich pflanzen in dein­er Seele als Geburt das­jenige, was aufer­ste­hen wird im Oster­stern nach dreiund­dreißig Jahren. Weiß ich diesen Zusam­men­hang zwis­chen dieser und der fol­gen­den Gen­er­a­tion, dann habe ich gewon­nen — so kann sich jed­er sagen — einen Impuls in aller Arbeit, der hin­aus­re­icht über den Tag.” (Lit.: GA 180, Vor­trag vom 23.12.1917).

Dieser Rhyth­mus erhält seine Kraft durch das Chris­tus-Leben von 33 1/3‑Jahren. Rudolf Stein­er sagt: „An einem Fre­itag, am 3. April des Jahres 33, drei Uhr am Nach­mit­tag fand das Mys­teri­um von Gol­gatha statt. Und da fand auch statt die Geburt des Ich in dem Sinne, wie wir es oft­mals charak­ter­isiert haben. Und es ist ganz gle­ichgültig, auf welchem Erden­punk­te der Men­sch lebt, oder welchem Reli­gions­beken­nt­nis er ange­hört, das, was durch das Mys­teri­um von Gol­gatha in die Welt kam, gilt für alle Men­schen. So wie es für alle Welt gilt, daß Cäsar an einem bes­timmten Tage gestor­ben ist, und nicht für die Chi­ne­sen ein ander­er und für die Inder wieder ein ander­er Tag dafür gilt, eben­so ist es eine ein­fache Tat­sache des okkul­ten Lebens, daß das Mys­teri­um von Gol­gatha sich an diesem Tage zuge­tra­gen hat und daß man es da zu tun hat mit der Geburt des Ich. Das ist eine Tat­sache ganz inter­na­tionaler Art.“ (Lit.:GA 143, S. 163)

Dreimal diese Zeitspanne gerech­net, ergibt 100 Jahre.“Man erken­nt die Inten­sität eines Impuls­es, den der Men­sch ins geschichtliche Wer­den hinein­legt, auch in sein­er Wirk­samkeit durch drei Gen­er­a­tio­nen hin­durch, ein ganzes Jahrhun­dert hin­durch.” (GA 180, Vor­trag vom 26.12.1917).

Dieser 33ig schrit­tige Prozess bildet sich in der Wirbel­säule mit ihren 33 Wirbeln ab. Rudolf Stein­er hat öfter beschreiben, wie die Wirbelform ein umgestülpter Schädel ist.

Wer verursacht die Gefahr in den vier Krisensprüchen 7 G, 20 T, 33 g, 46 u?

Vier Droh- oder Krisen­sprüche ste­hen im See­lenkalen­der-Jahreskreis und bilden ein rechtwin­kliges Kreuz. In jedem dieser Mantren wird eine Gefahr für die Seele beschrieben, der sie aus­ge­set­zt ist. Wer ist es jew­eils, der die Seele solcher­art in Ver­suchung führt? Rudolf Stein­er spricht von drei Wider­sacher­mächt­en (Ahri­man, Luz­ifer, Asur­as) und dem Son­nendä­mon Sorat. Zu diesen tritt für jeden Men­schen indi­vidu­ell sein Dop­pel­gänger hinzu. Der Dop­pel­gänger vere­inigt in sich den Schaden, den die drei Wider­sach­er bere­its indi­vidu­ell angerichtet haben. Sorat kann ich dage­gen als die auf eine höhere Ebene gehobene, kos­mis­che Vere­ini­gung der drei Gegen­mächte betra­cht­en. Er ist sozusagen der Dop­pel­gänger der ganzen Men­schheit. Ist es möglich, in den Mantren die Wirkung jew­eils eines Wider­sach­ers zu erkennen?

Im Mantra 7 G dro­ht mein Selb­st zu ent­fliehen. Mein Ahnen wird aufgerufen, die Macht meines Denkens zu erset­zen, da es dro­ht, sich im Sin­ness­chein zu ver­lieren. Die Gefahr des Ent­fliehens, des sich selb­st Ver­lierens, des sich Ver­flüchti­gens geht von Luz­ifer aus, dem Licht­träger. Es ist das Wel­tenlicht, das mein Selb­st mächtig anzieht und für mein Denken zur Gefahr wird.

Luz­ifer ent­ge­genge­set­zt wirkt Ahri­man. Er ver­fes­tigt, ver­härtet und bringt alles Leben dadurch zum Still­stand, zum Erster­ben in der fes­ten Form. Dem Mantra 7 G gegenüber liegt im See­lenkalen­der-Jahreskreis der Krisen­spruch 33 g, das gegen­wär­tig im Fokus ste­hende Mantra. Diese bei­den Krisen­sprüche tra­gen den gle­ichen Buch­staben. Sie liegen auf ein­er Achse. Die dro­hende Gefahr bet­rifft die Welt, die Kör­p­er der drei­di­men­sion­alen Welt, die vom Tod bedro­ht sind, wenn sie nicht in See­len neu geschaf­fen wer­den. Anders als Luz­ifer wirkt Ahri­man im Dunkeln, weshalb auch nichts beschrieben wer­den kann, das die Gefahr aus­löst. Frostig leeres Leben ist das Ergeb­nis ahri­man­is­ch­er Wirkung.

Das Mantra 33 g spiegelt sich gram­ma­tisch im Krisen­spruch 20 T. Im Mantra 20 T ist mein Sein in Gefahr, weil es fern vom Wel­ten-Dasein sich selb­st erlöschen und nur auf sich sel­ber bauend sich ertöten müsste. Mein Sein kommt nicht ohne die Welt aus; wer das Abn­abeln von ihr ver­sucht, verken­nt die Tat­sache, dass Men­sch und Welt zusam­menge­hören wie Flamme und Holz. Wer die Flamme ohne Bren­n­ma­te­r­i­al, oder die eine Seite der Medaille ohne die andere erleben will, lei­det an Ver­wirrung. Diese Ver­wirrung der Wirk­lichkeit dro­ht durch die Asur­as.

Der vierte Krisen­spruch ist 46 u. Er liegt mit seinem Gegenüber 20 T nicht auf ein­er Achse, denn diese bei­den Krisen­sprüche tra­gen ver­schiedene Buch­staben. Sie sind nicht als Gegen­sprüche direkt miteinan­der ver­bun­den. Zwar spiegelt 46 u mit 7 G, doch vom Stand­punkt des gegen­wär­ti­gen Mantras 33 g betra­chtet, gehört 46 u nicht zu der direkt durch Gegen- und Spiegel­spruch ver­bun­de­nen Drei­heit. In diesem Krisen­spruch kann ich auf indi­vidu­eller Ebene den Dop­pel­gänger, auf men­schheitlich­er Ebene Sorat ver­muten. Die Bedro­hung geht im Mantra 46 u von der Welt aus. Sie dro­ht die einge­borene Kraft der Seele zu betäuben. Das große Vergessen dro­ht. Ich bin meinem Dop­pel­gänger aus­geliefert, wenn ich vergessen habe, dass meine Werte und Nor­men sich einst aus konkreten Erfahrun­gen entwick­elt haben, die damals sin­nvoll waren, doch heute in ganz anderen Sit­u­a­tio­nen zur ein­schränk­enden Belas­tung wer­den. Die leuch­t­ende Erin­nerung aus Geis­testiefen wird gerufen, um der Gefahr zu begeg­nen. Sie möge das Schauen stärken, das Wil­len­skräfte benötigt, um sich erhal­ten zu kön­nen. Schauen ist nicht äußeres Sehen. Schauen kann ich, wenn ich durch­schauen kann, was hin­ter der Erschei­n­ung für eine wirk­ende Macht ste­ht — welch­es Wesen sich dadurch äußert. Klarheit gewinne ich durch die Frage: Was leit­et meine einge­borene Kraft? Die Erin­nerung an meinen geisti­gen Ursprung oder mein Schat­ten? Let­zter­er wirkt, wenn ich von der Welt betäubt vergessen habe, wer ich in Wahrheit bin. Schaue ich den Chris­tus, der das Erin­nerungsleben ist, wie Rudolf Stein­er sagt, oder lasse ich mich von Sorat betäuben?

Eine andere Per­spek­tive zeigt die vier Krisen­sprüche als Eck­punk­te eines Quadrates. Sie markieren vier krisen­be­haftete Wen­depunk­te im Jahres­lauf. Inter­es­san­ter Weise tritt der Wür­fel als drei­di­men­sion­ale Aus­gestal­tung eines Quadrates ger­ade bei diesem Siegel­bild auf.

Die Not der Welt — das Mantra 33 g

Das Mantra begin­nt mit: “So fühl ich erst die Welt…” Wie füh­le ich sie denn? Was meint dies “So”? Das Mantra sagt, die Welt hat nur frostig leeres Leben. Die ster­bende Herb­st­welt, deren Gold meist ger­ade in dieser Woche grau und fahl wird, oder der kalte Stein mag dieser Beschrei­bung entsprechen. Doch was ist mit den mehrjähri­gen Pflanzen, den Tieren und meinem eige­nen Kör­p­er? Zumin­d­est meinen eige­nen nehme ich als warm und voller Leben war, — genau ent­ge­genge­set­zt zu der Aus­sage des Mantras. Doch mein Köper ist Welt und die Kör­p­er aller anderen Lebe­we­sen auch. Sie sind Materie. Irre ich mich in meinem Erleben? Sind auch die belebten Kör­p­er in Wahrheit nur erfüllt mit frostig leerem Leben?

Bei nüchtern­er Betra­ch­tung ist klar, dass alle Lebe­we­sen auf dieser Erde sterblich sind. Sie sind vom Beginn des Lebens an Ster­bende. Die Welt trägt den Tod in sich — immer. Deshalb find­et sie notwendi­ger Weise in sich nur den Tod. Erst wenn ich inner­lich den Mut habe, die Sterblichkeit der Welt zu erleben, die Welt so zu fühlen, erlebe ich sie wirk­lich. Täusche ich mich über die Todeswei­he jedes Daseins hin­weg, füh­le ich die Welt nicht wirk­lich. Das Leben, das in den Wesen pulsiert, ist zunehmend frostig und leer.

Doch das Mantra sagt, dass es einen Ort gibt, der von dieser frosti­gen Leere ausgenom­men ist. Und das ist meine Seele! Hier kann ein Miter­leben stat­tfind­en, das ganz gewaltige, weit über die gewöhn­liche Vorstel­lung hin­aus­ge­hende Möglichkeit­en birgt. Was ist mit diesem so unschein­bar anmu­ten­den Miter­leben gemeint? Sicher­lich bedeutet es, füh­lend die Prozesse im Jahres­lauf mitzuer­leben und Mit­ge­fühl für jedes Lebe­we­sen zu entwick­eln. Damit ein­her geht, dass Vorstel­lun­gen, innere Bilder der Natur in der Seele gebildet wer­den. Dadurch nehmen wir die Welt in unsere Seele hinein.

Dieses Miter­leben ermöglicht der Welt, sich in See­len von neuem zu schaf­fen. Ihre Neuge­burt find­et in der men­schlichen Seele statt! Hier kann sie den Tod über­winden! Das ist unfass­bar großartig!

Merken wir davon etwas? Nein, auch hier ist unser Erleben offen­sichtlich nicht wahrheits­gemäß. Wir leben in dem Gefühl, dass ein neuer Früh­ling ganz sich­er und allein aus den Kräften der Natur kom­men wird. Viele Men­schen gehen sog­ar soweit, dass es der Natur, der Welt bess­er gehen würde, wenn es keine Men­schen gäbe. Dem wider­spricht das Mantra! Es macht eine ganz anders geart­ete Ver­ant­wor­tung des Men­schen für die Welt deutlich.

Warum erleben wir von diesem gewalti­gen Prozess so wenig? Das Mantra sagt, die Welt offen­bart sich in der Seele ohne Macht. Das stimmt. An dem Stein, den ich mir vorstelle, kann ich mich nicht stoßen. Er hat nicht die Macht, die er außer­halb von mir ent­fal­tet. Doch muss ich das, was von der Welt in der Seele lebt, als Same oder als Quell betra­cht­en, woraus die man­i­festierte Welt her­vorge­ht. Denn das Miter­leben in der Seele ist die einzige Möglichkeit für die Welt, dem Tod zu ent­ge­hen — sagt das Mantra.

Die Welt offen­bart sich in der Seele, wenn auch ohne Macht. Das bedeutet mehr als dass sie sich in inneren Bildern zeigt. Rudolf Stein­er benen­nt vier Etap­pen, durch die sich das Geistige zur Gel­tung bringt. In diesen vier Stufen man­i­festiert sich der Geist in der Materie. Die zweite Etappe nen­nt er Offen­barung. Rudolf Stein­er beschreibt dieses Wer­den so: “Das Göt­tlich-Geistige kommt im Kos­mos in den fol­gen­den Etap­pen auf ver­schiedene Art zur Geltung:

  1. durch seine ure­igene Wesenheit;
  2. durch die Offen­barung dieser Wesenheit;
  3. durch die Wirk­samkeit, wenn die Wesen­heit aus der Offen­barung sich zurückzieht;
  4. durch das Werk, wenn in dem erscheinen­den Weltall das Göt­tliche nicht mehr ist, son­dern nur dessen For­men.” (Leit­satz 112, GA 26 S. 99).

Das bedeutet, in der Seele find­et gemäß dem Mantra 33 g die zweite Etappe im Welt-Schöp­fung­sprozess statt, die Offenbarung.

Doch diese Offen­barung find­et ohne Macht statt. Was ist damit gemeint? Macht scheint mir zur drit­ten Etappe, zur Wirk­samkeit zu gehören. Es kön­nte bedeuten, dass die Wesen­heit in der Offen­barung noch anwe­send ist, sich aber zurückzieht, sobald ihre machtvolle Wirk­samkeit ein­set­zt. In der näch­sten Zeile begin­nt sie, indem die Welt sich in See­len von neuem erschafft. Die vierte Etappe, das Werk ist die Form-Welt, der der Men­sch wahrnehmend gegenüber­ste­ht. Diese Welt trägt den Tod in sich. Ist auch die erste Etappe im Mantra zu find­en? Nehme ich die Welt nur ober­fläch­lich wahr, begeg­ne ich der ure­ige­nen Wesen­heit “Welt” sicher­lich nicht. Füh­le ich die Welt dage­gen miter­lebend und wahrhaftig, scheint mir eine Wesens­begeg­nung möglich.

Wohlge­merkt, der men­schliche Part ist das Fühlen und Miter­leben. Dadurch erhält die Welt die Möglichkeit, wieder von der Werk-Etappe zur Wesens-Etappe zu gelan­gen. Das ist viel! Aber die zweite und dritte Etappe vol­lzieht die Welt aus eigen­er Aktiv­ität. Sie offen­bart sich und schafft sich von neuem. Das geschieht in der Seele, aber nicht durch den Men­schen. Durch mein Fühlen und seel­is­ches Miter­leben der Welt gebe ich ihr die Gele­gen­heit, wesen­haft in mich einzuziehen. So betra­chtet ist meine Seele die Arche Noah (Die Bibel, AT, Geschichts­büch­er, Das erste Buch Mose, Gen­e­sis Kapi­tel 6,8 – 9,17) der sterblichen Welt. Die Seele ist der geistige Ort, an dem die Erneuerung der Welt möglich ist. Ihr Schöpfer ist der Men­sch jedoch deshalb nicht.

Das Mantra macht deut­lich: der wahrnehmende, miter­lebende Men­sch ist entschei­dend für die Welt. Es kommt auf den Men­schen an! Ist die Ursache all der Umwelt­prob­leme heutzu­tage vielle­icht man­gel­ndes seel­is­ches Miter­leben der Welt? Ver­nach­läs­si­gen wir als Men­schheit vielle­icht vor allem diese Aufgabe?

Wie kön­nte ein Miter­leben ausse­hen, dass der Welt die ide­ale und beste Möglichkeit gibt, sich von neuem zu schaf­fen? Im Vor­wort zur zweit­en Aus­gabe des See­lenkalen­ders 1918 schreibt Rudolf Stein­er, was das Miter­leben des Jahres­laufes für die men­schliche Seele bedeutet. Bedeutet es vielle­icht für die Welt eben so viel? „Der Jahres­lauf hat sein eigenes Leben. Die Men­schenseele kann dieses Leben mitempfind­en. Läßt sie, was von Woche zu Woche anders spricht aus dem Leben des Jahres, auf sich wirken, dann wird sie sich durch solch­es Mitleben sel­ber erst richtig find­en. Sie wird fühlen, wie ihr dadurch Kräfte erwach­sen, die sie von innen her­aus stärken. Sie wird bemerken, dass solche Kräfte in ihr geweckt sein wollen durch den Anteil, den sie nehmen kann an dem Sinn des Wel­tenlaufes, wie er sich in der Zeit­en­folge abspielt. Sie wird dadurch erst gewahr wer­den, welche zarte, aber bedeu­tungsvolle Verbindungs­fä­den beste­hen zwis­chen sich und der Welt, in die sie hineinge­boren ist.

In diesem Kalen­der ist für jede Woche ein solch­er Spruch verze­ich­net, der die Seele miter­leben läßt, was in dieser Woche als Teil des gesamten Jahreslebens sich vol­lzieht. Was dieses Leben in der Seele erklin­gen läßt, wenn diese sich mit ihm vere­inigt, soll in dem Spruche aus­ge­drückt sein. An ein gesun­des «Sich eins fühlen» mit dem Gange der Natur und an ein daraus erste­hen­des kräftiges «Sich selb­st find­en» ist gedacht, indem geglaubt wird, ein Mitempfind­en des Wel­tenlaufes im Sinne solch­er Sprüche sei für die Seele etwas, wonach sie Ver­lan­gen trägt, wenn sie sich nur selb­st recht ver­ste­ht.“ (Lit.:GA 40, S. 20, Her­vorhe­bun­gen A.F.)

Ist der See­lenkalen­der vielle­icht auch für die Welt von Rudolf Stein­er gegeben wor­den — nicht nur für den Menschen?

Die Gefahr, die in diesem Krisen­spruch dro­ht, bedro­ht nicht den Men­schen, wie es in den drei anderen Krisen­sprüchen der Fall ist, son­dern die Welt. Dadurch hat jed­er Men­sch die Möglichkeit, sich an der Ret­tung zu beteili­gen. Nutze ich sie? Genügt mein Miter­leben, um meinen See­len­raum zum Ort der Schöp­fung eines neuen Früh­lings der Welt zu machen?

Eine Übung zur Intensivierung des Miterlebens

Diese Übung beruht auf Angaben Georg Küh­lewinds, aus­gear­beit­et von Christoph Hueck (Christoph Hueck, Geistiges Schauen, in der Zeitschrift Erziehungskun­st 11 2018, S. 11 – 15):

1 — Einen Gegen­stand so genau wie möglich anschauen.

2 — Danach mit geschlosse­nen Augen den Gegen­stand vorstellen. Das innere Bild soll so klar, lebensecht und detail­re­ich wie möglich sein.

1 a — Nun wird der Gegen­stand wieder angeschaut – und sich­er mehr an ihm wahrgenommen.

2 a — Wieder fol­gt die Bil­dung der Vorstel­lung usw. Dadurch wer­den bei­de Schritte – Som­mer-Wahrnehmungs­seite des Men­schen und Win­ter-Denk­seite geschult. Die Aufmerk­samkeit strahlt in bei­den Schrit­ten von innen nach außen zum Gegen­stand hin. Kopfkräfte sind angesprochen.

3 – Beim erneuten Betra­cht­en des Gegen­standes inner­lich so ruhig und leer wie möglich wer­den und ihn sozusagen zu uns sprechen zu lassen. Zum Res­o­nanzraum für den Gegen­stand wer­den. Inten­tion­s­los beobacht­en, welche Gedanken auf­steigen. Hier wirken mehr Empfind­en und Fühlen, weniger die Vorstel­lung. Herzkräfte sind ange­sprochen. Darauf acht­en, dass man sich nicht nur selb­st statt des Gegen­standes fühlt. Dabei kann die Selb­st­be­gren­zung des Ichs über­wun­den wer­den, Berührung mit der Welt find­et statt. Plöt­zlich geht der Vorhang der Seele auf und man wird inner­lich wie von dem anderen Wesen berührt, fühlt etwas von seinen Qual­itäten, (Stein) von sein­er Sub­stanz, sein­er Härte, und Dichtigkeit, sein­er Kristallinität, sein­er Ruhe und Ertragsamkeit, seinem Stein-Sein. Doch sobald man die Berührung bemerkt, ist sie auch schon wieder entschwun­den. Man weiß noch: da war was, aber man <hat> es nicht mehr. Den Stein kann man in der Tasche tra­gen, die seel­is­che Berührung weht und verge­ht wie ein Lufthauch.

In seinem Buch “Ein Weg zur Selb­sterken­nt­nis des Men­schen” beschreibt Rudolf Stein­er ger­ade diese Kürze des Erlebens als Kri­teri­um echter übersinnlich­er Erfahrun­gen: “Man kann sagen: in dem Augen­blick, in dem sie auftreten, sind sie auch schon wieder ent­flo­hen. … Das übersinnliche Erleben ist wirk­lich viel ver­bre­it­eter, als man gewöhn­lich denkt. Der Verkehr des Men­schen mit der geisti­gen Welt ist im Grunde etwas ganz All­ge­mein-Men­schlich­es. Aber die Fähigkeit, mit rasch wirk­ender Bewusst­sein­skraft diesen Verkehr erken­nend zu ver­fol­gen, muss müh­sam erwor­ben wer­den.” (GA 16)

4 – Die vierte Stufe erfordert schließlich noch eine andere Art von Vor­bere­itung. Dazu ver­suchen wir, das Gefühl von Ehrfurcht in uns wachzu­rufen und uns so inten­siv wie möglich damit zu durch­drin­gen. Mit dieser Ehrfurcht blick­en wir dann wieder auf den [Gegen­stand] kleinen Stein und hüllen ihn gle­ich­sam darin ein. Wir sind jet­zt ganz bei ihm, und er begin­nt, uns noch mehr von seinem Wesen zu offen­baren als bish­er. In ein­er Art von erleben­dem Denken oder denk­en­dem Erleben (man kön­nte es <geistiges Schauen> nen­nen) fühlen und erken­nen wir, wie unvorstell­bar alt er ist, wie viel er von sein­er Entste­hung an erfahren hat, bis er jet­zt hier in unser­er Hand liegt. Wir spüren, dass er einst Teil eines riesi­gen Gebirges war und erah­nen die Kräfte, die auf ihn gewirkt und zu dem gemacht haben, was er jet­zt ist. Wir erleben ihn als Repräsen­tan­ten der Erde, die uns trägt, und kön­nen ihm gegenüber ein tiefes Dankbarkeits­ge­fühl empfind­en. Wir tauchen in eine überzeitliche Sphäre ein und begeg­nen dort dem geisti­gen Wesen des Steins.

Die vier Schritte wer­den mit einem inneren Rück­blick und dem Gefühl der Dankbarkeit für das Erlebte been­det. (Dauer ins­ge­samt ca. 20 Minuten)