28 b

Ich kann im Innern neu belebt

Erfühlen eignen Wesens Weiten

Und krafter­füllt Gedankenstrahlen

Aus See­len­son­nen­macht

Den Leben­srät­seln lösend spenden,

Erfül­lung manchem Wun­sche leihen,

Dem Hoff­nung schon die Schwin­gen lähmte.

Das zweite apokalyptische Siegel — das Viergetier

Das zweite apoka­lyp­tis­che Siegel zeigt den See­len­raum des Men­schen­we­sens von der fern­sten Ver­gan­gen­heit bis zur Vol­len­dung in der Zukun­ft. Dargestellt wird dieser See­len­raum durch vier Wesen, Adler, Sti­er, Löwe und Men­sch, die das Lamm umgeben. Die vier auch den Evan­ge­lis­ten zuge­ord­neten Wesen stellen die ver­gan­genen Grup­pensee­len der Men­schheit dar, das Lamm die in die Zukun­ft führende fün­fte Gruppenseele.

Das zweite apoka­lyp­tis­che Siegel im See­lenkalen­der-Jahres­lauf (in Ei-Orientierung)

Rudolf Stein­er sagt: „So wird uns in dem zweit­en Bilde in den apoka­lyp­tis­chen Tieren, dem Löwen, dem Adler, der Kuh und dem Men­schen, ein früher­er Entwick­elungszu­s­tand der Men­schheit dargestellt. Dann aber gibt es und wird es geben, solange die Erde sein wird, eine Grup­penseele für die höhere Offen­barung des Men­schen, die durch das Lamm dargestellt wird, durch das mys­tis­che Lamm, das Zeichen für den Erlös­er. Diese Grup­pierung der fünf Grup­pensee­len: die vier des Men­schen um die große Grup­penseele, die noch allen Men­schen gemein­schaftlich gehört — das stellt das zweite Bild dar.“ (Lit.: GA 284, S. 75)

„So zeigt sich das hellse­herische Bild. So kommt aus dem Dunkel des Geis­ter­lan­des her­aus der Men­sch. Und das, was ihn an Kraft aus­ge­bildet hat, das erscheint in ein­er Art Regen­bo­gen­bil­dung. Die mehr physis­chen Kräfte umgeben die ganze Bil­dung dieses Men­schen wie ein Regen­bo­gen. — Man muß auf den ver­schieden­sten Gebi­eten und in der ver­schieden­sten Weise dieses Men­schw­er­den schildern. Jet­zt wird es geschildert, wie es dem Forsch­er im Rück­blick erscheint: wie diese vier Grup­pensee­len sich her­aus­gestal­tet haben aus dem gemein­samen Göt­tlich-Men­schlichen, das herun­ter­steigt. Man hat von jeher diesen Moment sym­bol­isch in die Form gebracht, die Sie auf dem zweit­en der soge­nan­nten sieben okkul­ten Siegel dargestellt find­en. Das ist die sym­bol­is­che Darstel­lung, sie ist aber mehr als ein bloßes Sym­bol­um. Da haben Sie her­ausk­om­mend aus dem unbes­timmten Geisti­gen diese vier Grup­pensee­len, den Regen­bo­gen ring­sherum und eine Zwölfzahl. Wir müssen auch ver­ste­hen, was diese Zwölfzahl bedeutet.

… Es kommt der Moment, wo der Eingewei­hte sich sagt: Ich sehe nicht bloß diese vier Gestal­ten, son­dern ich bin da drin­nen, ich habe mein Wesen darüber aus­gedehnt. — Er iden­ti­fiziert sich damit. Er nimmt das wahr, was durch die zwölf Stern­bilder, durch die Zwölfzahl sym­bol­isiert wird.“ (Lit.: GA 104, S. 58ff)

Das Vier­geti­er find­et sich im Regen­bo­genkreis, der laut Rudolf Stein­er die physis­chen Kräfte darstellt. Außen um den Regen­bo­gen herum ist durch die 12 römis­chen Zif­fern der Tierkreis angedeutet. Es ist der makrokos­mis­che See­len­raum des Eingewei­ht­en. Daraus kann ich schließen, dass im Innern des Regen­bo­gens der mikrokos­mis­che See­len­raum dargestellt ist. Find­en sich in mein­er Seele vielle­icht alle fünf Grup­pensee­len der Men­schheit so wie sie auch auf dem Siegel­bild vere­inigt sind? Hat meine Seele vielle­icht vier Bere­iche, so wie das Jahr vier Jahreszeit­en? Kön­nen diese vier See­len-Jahreszeit­en durch die vier Tiere charak­ter­isiert wer­den? Dann gibt es einen Adler-Bere­ich mit küh­nen Höhen­flü­gen, den Herb­st­stim­mung durchzieht; einen gle­ich der Denkkraft von innen her­aus das Dunkel erleuch­t­en­den, löwen­haft muti­gen Tiefwin­ter­bere­ich; einen jungfräulichen Früh­lings­bere­ich und einen ganz dem Sein hingegebe­nen, die vielfälti­gen Wahrnehmungen ver­dauen­den Som­mer-Sti­er-Bere­ich. Sie umgeben als vier Betä­ti­gungs­felder das Lamm im Zen­trum, das sich als reines Bewusst­sein mal in diesen, mal in jenen Bere­ich opfert.

So wie um eine Lichtquelle in trüb-dun­kler Umge­bung ein Ring aus Regen­bo­gen­far­ben erscheint, so umgibt auf dem Siegel­bild ein Regen­bo­gen das Lamm als Quelle des reinen Bewusst­seinslicht­es. Das Vierteti­er ste­ht hier für den vier­fach dif­feren­zierten Schein dieses Lichtes.

Lebensrätsel und Seelenrätsel

Zwei Mantren the­ma­tisieren im See­lenkalen­der ein Rät­sel. Das Mantra 28 b spricht von Leben­srät­seln, das Mantra 48 w von See­len­rät­seln. Im Mantra 28 b ist es der Ich-Sprech­er, der aus See­len­son­nen­macht krafter­füllt Gedanken­strahlen den Leben­srät­seln spendet, die sich dadurch lösen. Es han­delt sich um eine indi­vidu­elle Leis­tung. Anders im Licht­spruch-Mantra 48 w. Hier tritt, wie in allen Licht­sprüchen, gar kein Ich-Sprech­er auf. Hier ist es die Sicher­heit des Wel­tendenkens, die im machtvoll fließen­den Licht aus Wel­tenhöhen erscheinen und die See­len­rät­sel lösen möge. Ein über­per­sön­lich­er, die Rei­fung der Men­schheit betr­e­f­fend­er Vor­gang wird hier beleuchtet.

Bei ober­fläch­lich­er Betra­ch­tung erscheinen die Begriffe “Leben­srät­sel” und “See­len­rät­sel” fast syn­onym. Die Rät­sel des Lebens, des eige­nen Schick­sals sind natür­lich Rät­sel für die Seele, See­len­rät­sel. Der Kon­text der bei­den Mantren legt es aber nahe, die bei­den Begriffe zu unter­schei­den. Auf mein­er Suche, wie Rudolf Stein­er sel­ber bei­de Begriffe benutzt, fand ich zu der Schlussfol­gerung, dass See­len­rät­sel Fra­gen sind, die die Struk­tur der Seele, ihren Auf­bau betr­e­f­fen. Leben­srät­sel sind dage­gen die per­sön­lichen Fra­gen eines Indi­vidu­ums an das eigene Schick­sal, das eigene Leben.

“See­len­rät­sel” benutzt Rudolf Stein­er, als er über Goethe und Schiller spricht: “Man kann nach­weisen, daß Goethe angeregt wor­den ist, sein Märchen zu schreiben, durch das, was Schiller aus­ge­sprochen hat in seinen Briefen über die ästhetis­che Erziehung des Men­schen. Goethe spricht darin das­selbe in sein­er Art aus. Goethe wollte nicht in abstrak­ten Begrif­f­en die Rät­sel der Seele aussprechen. Für Goethe waren die einzel­nen See­len­rät­sel zu reich und zu gewaltig, als daß er sie in Naturnotwendigkeit und Logik hätte fassen kön­nen. So bildete sich in Goethe das Bedürf­nis, des Men­schen einzelne See­lenkräfte in den Gestal­ten seines Märchens zu per­son­ifizieren.“ (Lit.: GA 57, S. 46f (1908), Her­vorhe­bung von mir) Gemeint ist das Märchen von der grü­nen Schlange und der schö­nen Lilie.

Außer­dem ist in zwei Titeln des Gesamtwerks “See­len­rät­sel” enthal­ten: GA 66 “Geis­terken­nt­nis / See­len­rät­sel und Wel­trät­sel / Leben, Tod und See­le­nun­sterblichkeit im Wel­te­nall” und GA 178 “Die Erken­nt­nis des Übersinnlichen und die men­schlichen See­len­rät­sel / Das Geheimnis”

Leben­srät­sel benutzt Rudolf Stein­er dage­gen im zweit­en Mys­te­rien­dra­ma «Die Prü­fung der Seele». Hier wird im 5. Bild eben­so ein Märchen erzählt: das soge­nan­nte Märchen vom Quel­len­wun­der. Dieses Märchen schildert nicht nur Geistige Sachver­halte in Bildern aus­ge­drückt, wie in Goethes Märchen. Es erzählt von einem Men­schen, der geistige Erleb­nisse hat. Als er über sein Schick­sal nachsin­nt, sprechen die geisti­gen Wesen zu ihm.

Zusam­men­fassen lässt sich das Märchen fol­gen­der­maßen: Ein zarter Knabe, der als das einzige Kind armer Förster­sleute ein­sam im Wald her­an­wuchs, war ganz dem Geis­tesweben sein­er engen Welt hingegeben. Er ging an einem Som­mer­abend, wie schon oft zu ein­er Quelle und lauschte sin­nend. Da formte sich ihm der Strom zer­stäuben­der Tropfen im Mondlicht zu drei Frauengestal­ten. Die eine ergriff die tausend sprühen­den Tröpfchen und reichte sie der zweit­en, die formte die bun­ten Wassertropfen­we­sen zu einem sil­ber­nen Kelch. Die dritte füllte ihn mit Mon­den­sil­ber­licht und reichte ihn dem Knaben. Doch in der fol­gen­den Nacht träumte der Knabe, dass ein wilder Drache ihm den Kelch raubt. Noch dreimal hat­te er danach dieses Erleb­nis, dann blieben die Frauen aus. Erst als dreimal drei­hun­dert­sechzig Wochen (knapp 21 Jahre oder 3 x 360 = drei Kreisum­läufe in Grad-Schrit­ten) ver­strichen waren und er erwach­sen gewor­den in ein­er fer­nen Stadt lebte und darüber nach­sann, was ihm das Leben noch brin­gen werde, fühlte er sich plöt­zlich wieder nach seinem Felsen­quell entrückt. Er sah die Frauengestal­ten wieder und dies­mal sprachen sie zu ihm:

“Es sagte ihm die erste:
Gedenke mein­er jed­er Zeit,
wenn ein­sam du dich fühlst im Leben.
Ich lock’ des Men­schen Seelenblick
in Äther­fer­nen und in Sternenweiten.
Und wer mich fühlen will,
dem reiche ich den Lebenshoffnungstrank
aus meinem Wunderbecher. –
Und auch die zweite sprach:
Vergiß mich nicht in Augenblicken,
die deinem Lebens­mute drohen.
Ich lenk’ des Men­schen Herzenstriebe
in See­len­gründe und auf Geisteshöhn.
Und wer die Kräfte sucht bei mir,
dem schmiede ich die Lebensglaubensstärke
mit meinem Wunderhammer. –
Die dritte ließ sich so vernehmen:
Zu mir erheb’ dein Geistesauge,
wenn Leben­srät­sel dich bestürmen.
Ich spinne die Gedankenfäden
in Lebenslabyrinthen und in Seelentiefen.
Und wer zu mir Ver­trauen hegt,
dem wirke ich die Lebensliebestrahlen
aus meinem Wunderwebestuhl. – – –”

(Rudolf Stein­er, Lit.: GA 14, S. 204ff, Her­vorhe­bung von mir)

Und in der fol­gen­den Nacht träumte er, wie ihn ein wilder Drache umschlich. Doch dieser kon­nte ihm nicht nahen, da ihn die drei Gestal­ten beschützten. Und so blieb es auch.

In den drei Frauengestal­ten wer­den die drei seel­is­chen Wesens­glieder des Men­schen repräsen­tiert. In den Mys­te­rien­dra­men sind sie durch die Gestal­ten Phil­ia, Astrid und Luna dargestellt. Phil­ia verkör­pert die Empfind­ungsseele, Astrid die Ver­standes- oder Gemütsseele und Luna die Bewusst­seinsseele.

In einem Vor­trag erk­lärt Rudolf Stein­er dazu: “Wenn der Men­sch ein­mal prak­tisch in sein eigenes Leben die Tat­sache ein­führen wird, die zum Aus­druck kommt in der Gliederung der Seele in Empfind­ungsseele, Ver­standes- oder Gemütsseele und Bewußt­seinsseele, dann wer­den sich ihm rein ele­men­tar-gefühlsmäßig in bezug auf seine Stel­lung, sein Ver­hält­nis zur Welt gewisse Empfind­ungsrät­sel ergeben; Rät­sel, die sich gar nicht aussprechen lassen in unser­er gewöhn­lichen Sprache und unseren gewöhn­lichen Begriffs­for­men, aus dem ein­fachen Grunde nicht, weil wir heute doch in ein­er zu intellek­tu­al­is­tis­chen Zeit leben, um durch das Wort und durch alles, was durch das Wort möglich ist, jene feinen Beziehun­gen zum Aus­druck zu brin­gen, die sich ergeben zwis­chen den drei See­lengliedern. Das kann man viel eher, wenn man ein Mit­tel wählt, durch welch­es die Beziehung der Seele zur Welt sel­ber als eine vieldeutige und den­noch als eine ganz bes­timmte und aus­ge­sproch­ene erscheint. Was durch die ganze «Prü­fung der Seele» hin­durch spielt als eine Beziehung aller Vorgänge zu dem, was in den drei Gestal­ten Phil­ia, Astrid und Luna aus­ge­drückt ist, das bedurfte eines Aus­druck­es in nicht schar­fen Kon­turen, der aber den­noch durch bes­timmte seel­is­che Kraftwirkun­gen etwas hat, was das Ver­hält­nis des Men­schen zur Welt anschaulich machen kann. Und das kon­nte auf keine andere Weise gegeben wer­den, als indem gezeigt wurde, wie durch die Erzäh­lung dieses Märchens von den drei Gestal­ten in Cape­sius’ Seele her­vorgerufen wird ein ganz bes­timmter Drang, ein ganz bes­timmter Vor­gang, der ihn reif macht, nun hin­un­terzusteigen in diejeni­gen Wel­ten, die erst jet­zt wieder begin­nen, reale, wirk­liche Wel­ten für den Men­schen zu wer­den.” (Lit.: GA 127, S. 193ff, Her­vorhe­bung A.F.)

Exkurs zur rätselhaft empfundenen Sprache der Mantren

Ein Gedanke am Rande: Rudolf Stein­ers obige Aus­führun­gen erk­lären, warum die Sprache der Mantren des See­lenkalen­ders oft rät­sel­haft und so schw­er zu ver­ste­hen ist. Die feinen Beziehun­gen zwis­chen den drei See­lengliedern — und darüber hin­aus sich­er auch zur irdis­chen und geisti­gen Welt — lassen sich in intellek­tueller Sprache nicht aus­drück­en. Nur die Bild­sprache der Märchen hil­ft hier weit­er, doch sie ist weniger exakt, als wir es heutzu­tage wün­schen. Die Mantren sind ein Ver­such, diese sowohl exak­te als auch feine Aus­drucks­form zu erschaffen.

Das Rin­gen um angemessene Begriffe sei an einem Beispiel verdeut­licht. Was Rudolf Stein­er im Mantra die “See­len­son­nen­macht” nen­nt, wird in eso­ter­ischen Zusam­men­hän­gen als die ewige Essenz der Seele, ihr unaus­löschlich­es, unz­er­stör­bares Leucht­en oder als göt­tlich­er Funke beze­ich­net. An ander­er Stelle nen­nt Rudolf Stein­er dieses Licht das Astral­licht (siehe Zitat unten).

Wie kann ich das Mantra 28 b verstehen?

Das Mantra 28 b ist eine Aufzäh­lung von Kom­pe­ten­zen des Ich-Sprech­ers, von meinen Kom­pe­ten­zen. Diese Kom­pe­ten­zen sind gegliedert nach den drei See­len­fähigkeit­en Fühlen, Denken und Wollen. Es begin­nt mit “Ich kann …” und unaus­ge­sprochen ste­ht dieses “Ich kann” vor jed­er weit­eren Aus­sage: Ich kann die Weit­en des eige­nen Wesens erfühlen, (ich kann) Gedanken­strahlen den Leben­srät­seln spenden und (ich kann) Wün­schen Erfül­lung ver­lei­hen — eine zukun­fts­gerichtete wil­len­shafte Aktiv­ität. Dieses Kön­nen erwächst mir als Ich-Sprech­er aus der Neubele­bung meines Inneren.

Welch­er Umstand hat diese Neubele­bung bewirkt? Mit dem Mantra 27 a sind wir in eine neue Jahreshälfte eingestiegen. So wie das Som­mer-Hal­b­jahr, die Wahrnehmung, also das Außen von der Sonne regiert emp­fun­den wer­den kann, ste­ht das Win­ter-Hal­b­jahr, das Innen, unter der Herrschaft des Mon­des. Der Mond wirkt auf unsere Frucht­barkeits- und Leben­skräfte, die Sonne auf unsere Erken­nt­niskraft. Sie schenkt das Licht, ohne das wir nichts sehen kön­nten. So wie die Sonne im Früh­ling als ver­jüngt erlebt wird, kann dies für den Mond im Herb­st angenom­men wer­den. Das Leben in der Wahrnehmung lässt uns für die Innen­welt unbe­wusst wer­den, ein­schlafen. Wer­den wir uns unser­er Innen­welt wieder bewusst, erwachen wir bereichert.

Ein weit­er­er Gedanke soll diese Idee ver­tiefen: Im Früh­ling über­lagert der Mond die starre, an Dat­en gebun­dene Ord­nung der Sonne, indem das Oster­fest beweglich ist. Es richtet sich nach dem Voll­mond nach der Tag- und Nacht­gle­iche. Hier ist der Mond in sein­er höch­sten Kraftent­fal­tung zu sehen. Sehe ich nun ab von den realen Mond­phasen und betra­chte den Jahres­lauf als Pro­jek­tions­fläche für einen einzi­gen Mondzyk­lus von Neu­mond zu Neu­mond, so ste­ht der Früh­ling für Voll­mond, der Herb­st für das Gegen­teil, den Dunkel­mond mit nach­fol­gen­der Neuge­burt, dem Neumond.

Eine Bestä­ti­gung erfährt dieser Gedanke durch das Phänomen der soge­nan­nten Spiegel­sprüche. Jew­eils zwei Mantren entsprechen sich gram­matikalisch. Sie sind jew­eils senkrecht zur Hal­b­jahress­chwelle im Kreis ver­bun­den. Nur die bei­den zen­tralen Herb­st-Mantren 26 Z und 27 a machen davon eine Aus­nahme, sie spiegeln nicht. Der Mond mit seinen Phasen wurde immer als ein sich fül­len­des und leeren­des Gefäß betra­chtet. Dieses Lebenswass­er, in Indi­en Soma-Trank genan­nt, wurde für die Spiegelung des Son­nen­licht­es auf der Mond­scheibe ver­ant­wortlich gemacht. Beim Dunkel­mond, wenn der Mond nicht zu sehen ist, wird dieses Gefäß deshalb als leer gedacht. Nun ist keine Spiegelung des Son­nen­licht­es möglich. Das erste Mantra, das wieder eine gram­matikalis­che Entsprechung aufweist und dadurch spiegelt, ist das Mantra 28 b (spiegelt mit 25 Y). Neues Lebenswass­er begin­nt nun in das Gefäß zu fließen. Der Mond-Aspekt ist neu belebt. Diese Bele­bung teilt sich mein­er Seele, meinem Innen­raum mit. Das wirkt sich auch erneuernd auf meine drei See­len­fähigkeit­en aus.

Beschrieb das vorige Mantra 27 a das Ein­drin­gen, so bin ich mit dem Mantra 28 b angekom­men in meinem Innen­raum. Das ganze Som­mer-Hal­b­jahr weilte ich im Außen, in der Wahrnehmung. Nun bin ich wieder angekom­men und finde, im über­tra­ge­nen Sinne, den Innen­raum nach langer Abwe­sen­heit gut gelüftet wieder. Anders als bei einem Gebäude möglich, hat sich mein See­len­raum möglicher­weise während mein­er Abwe­sen­heit verän­dert, geweit­et — durch meine im Som­mer-Hal­b­jahr gemacht­en Erfahrun­gen. Ich nehme Kon­takt zu meinem See­len­raum auf, indem ich seine Weite tas­tend, spürend erfüh­le. Ich kann — ich habe die Fähigkeit — die Weit­en meines eige­nen Wesens zu erfühlen. Leis­es Staunen klingt mit über die neue Lebendigkeit und Weite meines Seelenraumes.

Von dieser Mitte füh­le ich in den Umkreis, in die Weite meines Wesens. Ich erfüh­le, wie weit ich reichen kann, wie groß das Reich ist, dessen König oder Köni­gin ich ide­al­er­weise sein sollte. Ein Reich ist so groß, wie die Macht des Königs reicht, bis in welche Ferne sein Wort gehört wird. Es ist das Gebi­et, in dem das Sein dem König gehorcht. Das Fühlen ist die See­len­fähigkeit, die Wahrnehmung­sor­gan für dieses Reich ist. Es ist ein füh­len­des Abtas­ten des Umkreis­es, der zu meinem Wesen gehört. Füh­lend nehme ich meinen Leben­skräfteleib, meinen Äther­leib wahr.

Nun fol­gt der zweite Schritt. Er schließt mit “Und” an, das Erfühlen der Weite meines Wesens tritt ins denk­ende Bewusst­sein. Dieses Denken hat die Qual­ität von Strahlen. Einen logisch aufge­baut­en, strin­gent geführten Gedanken­faden kann ich dur­chaus als Gedanken­strahl erleben — ein assozia­tiv sprung­haftes Denken eher nicht. Krafter­füllt spende ich diese Gedanken­strahlen. Dies lässt das Denken als ein ganz vom Willen durch­drun­ge­nes, geführtes Denken erken­nen und hat nichts mit dem automa­tisch im Innern ablaufend­en, ständi­gen Selb­st­ge­spräch zu tun, das zwar starke Emo­tio­nen her­vor­rufen kann, aber sich mehr oder weniger im Kreis dreht. Das ger­adlin­ige Denken benötigt Willenskraft.

Was ist mit dem Spenden der Gedanken­strahlen gemeint? Zum einen bedeutet spenden, etwas zu opfern. Wenn ich denke, so opfere ich Leben­skräfte. Das Erken­nt­nis­licht gle­icht dem Feuer, es braucht Bren­n­ma­te­r­i­al, das sich opfert. Die Leben­skraft geht im Denken in Erken­nt­nis­licht über. Dadurch habe ich die Fähigkeit, sel­ber Licht auszusenden. Das führt zu der anderen Bedeu­tung des Spendens. Alles, was ich sehe, muss beleuchtet sein. Eine Lichtquelle muss dem Gegen­stand Licht spenden. Rudolf Stein­er beschreibt dieses Erzeu­gen geisti­gen Licht­es als eine Vorübung zur imag­i­na­tiv­en Erken­nt­nis. “Wenn der Men­sch sich diese Vorstel­lung [von Licht in einem äußer­lich dun­klen Raum] inten­siv genug bilden kann, so wird es nach und nach heller, und er wird dann ein Licht sehen, das kein physis­ches Licht ist, son­dern ein Licht, das er nun sich sel­ber schafft, das er durch innere Kraft in sich erzeugt. Und das ist ein Licht, das durch­strahlt sein wird von der Weisheit, in dem ihm die schaf­fende Weisheit erscheint. Das ist das, was man Astral­licht nen­nt. Durch Med­i­ta­tion kommt der Men­sch dazu, durch innere Kraft Licht zu erzeu­gen.” (Lit.: GA 101, S. 149f) Dieses durch mein krafter­fülltes Denken sel­ber erzeugtes Licht kann ich nun spenden und dadurch in der geisti­gen Welt sehend wer­den. Dem drit­ten Auge wird die Fähigkeit zugeschrieben, Licht auszusenden und dadurch das Unsicht­bare sicht­bar, erkennbar zu machen.

Ein Licht­strahl hat eine Quelle. So ist es auch mit meinen Gedanken­strahlen. Sie kom­men aus See­len­son­nen­macht. Wie ein König im Zen­trum seines Reich­es gedacht wer­den kann, dessen Macht bis an die Gren­zen seines Reich­es ausstrahlt, so durch­strahlt die See­len­son­nen­macht die Weit­en des eige­nen Wesens. Jede Tat des Königs zeigt seine Kraft. Die krafter­füll­ten Gedanken­strahlen entsprechen den Tat­en des Königs. Sie zeigen auch unter diesem Gesicht­spunkt den Wil­len­saspekt im Denken.

Meine See­len­son­nen­macht ist die son­nen­gle­ich ausstrahlende Macht meines Astralleibs. Rudolf Stein­er erk­lärt: “Wie der physis­che Leib nicht durch die in ihm befind­lichen min­er­alis­chen Stoffe und Kräfte seine Form erhal­ten kann, son­dern wie er, um dieser Erhal­tung willen, von dem Äther­leib durch­set­zt sein muß, so kön­nen die Kräfte des Äther­leibes sich nicht durch sich selb­st mit dem Lichte des Bewußt­seins durch­leucht­en. Ein Äther­leib, der bloß sich selb­st über­lassen wäre, müßte sich fort­dauernd in dem Zus­tande des Schlafes befind­en. Man kann auch sagen: er kön­nte in dem physis­chen Leibe nur ein Pflanzen­sein unter­hal­ten. Ein wachen­der Äther­leib ist von einem Astralleib durch­leuchtet.” (Lit.: GA 13, S. 58ff) Der Ort, von dem die See­len­sonne ausstrahlt, erlebe ich im Herzen, dem Organ, das stets mit der Sonne ver­bun­den wurde. Die krafter­füll­ten Gedanken­strahlen gehen also vom Herzen aus. Sie offen­baren sich als beja­hende, Liebe durch­drun­gene Gedanken­strahlen. Diese kann ich den Leben­srät­seln lösend spenden.

Die Leben­srät­sel ver­ste­he ich als die Sit­u­a­tio­nen in meinem Leben, die mir Rät­sel aufgeben, als das Hadern mit den Schick­salss­chlä­gen, das in die große Frage mün­det: “Warum — warum passiert mir das?” Diese Rät­sel lösen sich, wenn es gelingt, die Sit­u­a­tion anzunehmen, ihr pos­i­tiv gegenüber zu treten mit der Hal­tung: “Wer weiß, wozu es gut ist”. Diese beja­hende Hal­tung beruht auf einem Schick­salsver­ständ­nis, das von der Zukun­ft, vom Ziel aus­ge­ht und nicht nach Ursachen in der Ver­gan­gen­heit sucht. Rudolf Stein­er beze­ich­net das für alle Men­schen in der Ver­gan­gen­heit liegende Tor der Geburt als Mon­den­tor, das in der Zukun­ft liegende Tor des Todes als Son­nen­tor. Dadurch geht von der Sonne auch unter diesem Gesicht­spunkt die Kraft aus, das Schick­sal auf sein Ziel hin zu führen. Jedes Schick­salsereig­nis ist nun nicht vor­rangig die Folge von etwas, son­dern die Vor­bere­itung für etwas. Es ist das Train­ingsange­bot des Lebens zum Erwerb von Fähigkeit­en, Weisheit und Gefühlstiefe, um für größere Auf­gaben als die gegen­wär­ti­gen vor­bere­it­et zu sein.

Der dritte Schritt meines Kön­nens gilt der Erfül­lung manch­er, — nicht aller — Wün­sche. Er schließt so naht­los an, dass der Ein­druck ein­er drit­ten Gle­ichzeit­igkeit entste­ht. Ich kann manchem Wun­sch Erfül­lung lei­hen. Die Erfül­lung ist nur geliehen, also vorüberge­hen­der Natur. Außer­dem wer­den diese Wün­sche durch einen erstaunlichen Umstand charak­ter­isiert: Hoff­nung lähmte schon die Schwin­gen. Worum han­delt es sich hier? Eigentlich ver­lei­ht Hoff­nung der Seele Flügel, trägt sie in die Zukun­ft. Doch in diesem Fall ist Hoff­nung eine See­len­re­gung, die die Wun­scher­fül­lung hin­dert statt fördert. Das ist zunächst irri­tierend. Genau bese­hen trifft dies auf Wün­sche zu, deren Erfül­lung zwar erhofft, jedoch pas­siv erwartet wird. Andere Men­schen sollen aktiv wer­den, ein eigen­er Beitrag wird nicht in Erwä­gung gezo­gen. Hier fehlt die Eige­nak­tiv­ität. Diese Men­schen gle­ichen Kindern, die erwarten, run­dum ver­sorgt zu wer­den. Sie übernehmen keine Ver­ant­wor­tung, gehen nicht auf ihr Ziel zu, son­dern warten darauf, dass die Erfül­lung zu ihnen kommt. Sie warten auf den Prinzen bzw. die Prinzessin, der bzw. die sie find­en und heim­führen soll.

Im Mantra heißt es Ich kann … Erfül­lung manchem Wun­sche lei­hen … Das Mantra ist ein einziger langer Satz. Ich bin es also sel­ber, der für die Erfül­lung sorgt.

Nach­dem ich:

  • die Weit­en meines eige­nen Wesens erfühlt, sie wieder in Besitz genom­men habe
  • aus See­len­son­nen­macht krafter­füllt Gedanken­strahlen zur Lösung der Leben­srät­sel gespendet, mein Schick­sal geord­net habe,
  • bin ich nun in der Sit­u­a­tion, mir auch manche Wün­sche erfüllen zu kön­nen. Ich bin bere­it in die Zukun­ft zu gehen.

In diesem let­zten Schritt, erlebe ich die Aktiv­ität des Ichs und damit das Ich sel­ber am stärk­sten, gle­ich­wohl die vorigen Schritte nicht ohne diese Aktiv­ität gedacht wer­den kön­nen. Das Mantra ist durchgängig aus der Per­spek­tive des sich selb­st reflek­tieren­den Ich-Sprech­ers geschrieben.

Für mich bedeutet dieses Mantra die Ein­wei­hung in die indi­vidu­elle Entwick­lungs­fähigkeit der Seele, mein­er Seele.

Ergänzung: Das dreifache Können im Mantras 28 b und die drei Frauengestalten des Quellenwunders

Die drei Frauengestal­ten, die sich dem Knaben im Märchen vom Quel­len­wun­der zeigen, stellen die drei See­len dar, die drei Wach­heitsstufen der Seele, die Rudolf Stein­er unter­schei­det. Die erste Wach­heitsstufe ist die Empfind­ungsseele. Die erste Frauengestalt ergreift die tausend sprühen­den Tröpfchen und reicht sie an die zweite weit­er. Die Empfind­ungsseele empfängt vom Empfind­ungsleib die Wahrnehmungen. In ihr wer­den sie zum seel­is­chen Erleb­nis, jedoch ohne ver­standen zu wer­den. Ihr entspricht die Fähigkeit im Mantra, die Weite des eige­nen Wesens zu fühlen. Dem erwach­se­nen Pro­tag­o­nis­ten teilt sich die erste Frauengestalt entsprechend mit: “Ich lock´ des Men­schen See­len­blick in Äther­fer­nen und in Ster­nen­weit­en.” Sie hil­ft gegen Ein­samkeits­ge­füh­le, denn wenn ich mich sel­ber wahrnehme, bin ich nicht mehr allein. Sie reicht den Leben­shoff­nungstrank. Im Mantra wird gesagt, dass ich im Innern neu belebt bin. Sie hat einen Wun­der­bech­er, ein Hin­weis auf den physis­chen Leib als Gefäß der Seele. Hier ist die christliche Tugend der Hoff­nung an ihrem richti­gen Ort. Es ist die Hoff­nung auf ein Weit­er­leben nach dem Tod, wenn der physis­che Leib abgelegt wer­den musste.

Die zweite Wach­heitsstufe ist die Ver­standes- oder Gemütsseele. Die zweite Frauengestalt formt in der Vision des Knaben die bun­ten Wassertropfen­we­sen zu einem sil­ber­nen Kelch. Die Ver­standesseele formt aus den Wahrnehmungen die Begriffe, die wie Gefäße sind für Ideen-Inhalt. Das For­men des Kelch­es benötigt Kraft. Und krafter­füllt kann ich im Mantra Gedanken­strahlen den Leben­srät­seln lösend spenden. Die zweite Frauengestalt sagt dem erwach­se­nen Pro­tag­o­nis­ten, dass sie hil­ft, wenn der Lebens­mut bedro­ht ist. Gle­ich Gedanken­strahlen lenkt sie “des Men­schen Herzen­striebe in See­len­gründe und auf Geis­teshöhn.” Sie schmiedet des Lebens Glaubensstärke — die innere Gewis­sheit von der Real­ität ein­er geisti­gen Welt. Glaube ist eine weit­ere christliche Tugend. Im Mantra kom­men die Gedanken­strahlen aus See­len­son­nen­macht, dem Bild des geisti­gen Seins der Seele. Sie hat einen Wun­der­ham­mer, Bild des stetig klopfend­en Herzens für das pulsierende Leben, den Äther­leib. Die Glaubensstärke, die zweite christliche Tugend

Die dritte Wach­heitsstufe ist die Bewusst­seinsseele. Die dritte Frauengestalt füllt den Kelch der zweit­en mit Mon­den­sil­ber­licht und reicht ihn dem Knaben. Er bekommt den Trank, der Wun­sch wird ihm erfüllt. Das entspricht dem drit­ten Teil des Mantras. Dem erwach­se­nen Pro­tag­o­nis­ten sagt die dritte Frauengestalt, dass sie die richtige Ansprech­part­ner­in ist, wenn Leben­srät­sel ihn bestür­men. Sie spin­nt auch die Gedanken­fä­den in Lebenslabyrinthen und in See­len­tiefen. Sie ist also die Schick­sal­swirk­erin und damit die tat­säch­liche Wun­scher­fül­lerin, denn sie muss die Möglichkeit­en bere­it­stellen, die vom Men­schen mit seinem nor­malen Tages­be­wusst­sein dann genutzt wer­den kön­nen. Sie hat einen Wun­der­web­stuhl und wirkt die Lebensliebesstrahlen. Der Web­stuhl ist Bild des Astralleibs, des Schick­sal­sleibes. Liebe ist die let­zte der christlichen Tugen­den, die höch­ste, (Korinther 13,13) wie Paulus sagt. Lebensliebesstrahlen wirkt die dritte, denn vom Ziel her betra­chtet ist jedes schwere Schick­sal eine Liebesgabe, eine Wun­scher­fül­lung unseres auf unsere Höher­en­twick­lung hin­streben­den geisti­gen Wesens.