Die Gegensprüche 4 D und 30 d

4 D

Ich füh­le Wesen meines Wesens:

So spricht Empfindung,

Die in der son­ner­hell­ten Welt

Mit Licht­es­fluten sich vereint;

Sie will dem Denken

Zur Klarheit Wärme schenken

Und Men­sch und Welt

In Ein­heit fest verbinden.

30 d

Es sprießen mir im Seelensonnenlicht

Des Denkens reife Früchte,

In Selb­st­be­wusst­seins Sicherheit

Ver­wan­delt alles Fühlen sich.

Empfind­en kann ich freudevoll

Des Herb­stes Geisterwachen:

Der Win­ter wird in mir

Den See­len­som­mer wecken.

Die Eurythmieformen zu den Mantren 4 D und 30 d

Über den Buchstaben “D”

Das D wird durch einen weichen Ver­schluss der Zunge hin­ter den Zäh­nen gebildet, der dann durch den stimmhaften Luft­strom gesprengt wird. Das D ist also ein Laut, der mit dem san­ften Über­winden eines Wider­standes ver­bun­den ist am Artiku­la­tion­sort der Zähne.

Rudolf Stein­er sagt über das D: “Wenn Sie jemand frägt, wo etwas ist, und Sie wis­sen es, so wer­den Sie die Gebärde des Hin­weisens, die Sie machen, am ehesten mit dem Laut D begleit­en. … Das D ist Hin­deuten, Hin­strahlen. Die Nachah­mung dieses Hin­deutens, Hin­strahlens, das Aufmerk­sam­machen, dass etwas da ist, liegt in dem D. … Und wenn Sie noch aus­drück­en wollen, dass man über Ihr schnelles Informieren erstaunt sein soll, dann sagen Sie eben: da! Wenn Sie das Ver­wun­dern [das A] weglassen: D. Da sind Sie nicht so eit­el, einen in Ver­wun­derung brin­gen zu wollen, son­dern Sie deuten nur hin.” (GA 279, in: Ernst Moll (1897 — 1962), die Sprache der Laute, S. 93) Die deutschen Demon­stra­tivpronomen ‘der’, ‘die’, ‘das’ ‘dieser’, ‘dort’ begin­nen mit diesem hin­weisenden D. Im Griechis­chen lautet der ‘Fin­ger’, mit D an, ‘dák­ty­los’ und betont seine zeigende Funk­tion, eben­so ‘dig­i­tus’ bei den Römern. Mit ‘dirigere’ mein­ten sie, etwas auf ein Ziel hin zu ‘lenken, richt­en, wen­den’, wovon ‘direkt’, ‘Direk­tor’ und ‘Diri­gent’ kommt. Lateinisch ‘dicere’ bedeutet ’sagen’ und ‘zeigen, weisen, fest­set­zen, bes­tim­men’. Es ist enthal­ten in ‘Jus-dicere’, ‘das Recht weisen’, ‘judi­care’, ‘richt­en’, ‘iudicum’, ‘Gericht, Unter­suchung’ und ‘iudi­ca­tio’, ‘Urteil’. Eben­so wird die Rich­tung gewiesen bei ‘duc­ere’, ‘führen, leit­en’ und ‘docere’, Unter­richt. Ersteres, ‘duc­ere’, find­et sich in ‘exduc­ere’, woraus ‘educ­ere’ wurde, ‘ziehend bilden, erziehen’. Zu ‘docere’ gehört ‘dóc­t­ri­na’, ‘Unter­weisung’, ‘dóc­tor’, ‘Lehrer’ und ‘documén­tum’, ‘Lehre, Beispiel’. Im Griechis­chen heißt ‘zeigen’ ‘deikný­nai’, gotisch ‘ga-tei­han’ und kommt von altindisch ‘dis­áti’. Keltisch heißt ‘zeigen’ ‘diskoein’.

Der Jünger Thomas, der seinen Fin­ger in die Wund­male des Aufer­stande­nen leg­en musste, um zu glauben, trägt den Beina­men Didy­mos, der Zwilling.

Das Hin­deuten war nach Rudolf Stein­er die Auf­gabe des ori­en­tal­is­chen Erziehers. Er war sozusagen Stel­lvertreter der Göt­ter bzw. wur­den die Göt­ter als die eigentlichen Erzieher der Men­schen ange­se­hen. “Der ori­en­tal­is­che Erzieher ist ja etwas ganz anderes als der europäis­che Erzieher. … der ori­en­tal­is­che Men­sch fühlt, dass der Erzieher der­jenige ist, der einen auf alle Dinge hin­weist, der einen immer aufmerk­sam macht; das ist das, das ist das, das ist das. Der lässt einen son­st ungeschoren, weil der Ori­en­tale annimmt, dass man sich aus sich selb­st entwick­elt. … nur hingewiesen wird man auf alles. Daher ist der ori­en­tal­is­che Erzieher der­jenige, der eigentlich in alle­dem, was er tut, immer ‘da’ sagt, da, da = Dada. So heißt er auch, Dada ist der ori­en­tal­is­che Erzieher. Er ist der­jenige, der einem alle Dinge zeigt: da, da!” (GA 279 in, Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 94)

Im gotis­chen Alpha­bet wird der D‑Laut ‘Daaz’ genan­nt, was abgeleit­et ist vom gotis­chen Wort ‘dags’ der ‘Tag’. Bei den Angel­sach­sen ist der Name des D ‘Daeg’, eben­so der ‘Tag’. Der Runen­reim lautet:

Tag ist des Her­rn Bote — den Men­schen teuer

das her­rliche Gottes­licht; — Freude und Zuversicht

Reichen und Armen, — allen gedeihlich.

(Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 93)

Im Lateinis­chen ist mit ‘deus’ (Gott) ‘dies’ (Tag) ver­wandt. Rudolf Stein­er weist auf diese Ver­wandtschaft hin: “Mit ‘dies = Tag’ hat man in älteren Zeit­en die Wortver­wandtschaft von ‘deus’ und ‘dies’ ver­bun­den. Wenn man von Wochen­t­a­gen sprach, so hat man nicht nur Zeiträume darunter ver­standen, son­dern man meinte die in Sonne, Mond, Mars wirk­enden Wesens­grup­pen.” (GA 122 in, Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 95) Die Sonne, die bewirkt, dass es hell wird, die den Tag macht, wurde als höch­ste Got­theit verehrt. Rudolf Stein­er sagt über diese Völk­er: “So hat man auch vielfach für diejeni­gen Völk­er, welche Son­nenan­beter wur­den, … vorzugsweise darauf aufmerk­sam gemacht, dass sie den Tag bewirk­te, den Tag machte. Und die Folge davon ist, dass viele Worte bei den­jeni­gen Völk­ern, die im Wesentlichen die höch­ste göt­tliche Macht in der Sonne anbeten, für die Son­nenan­be­tung mit ‘Tag’ zu über­set­zen sind” (GA 137 in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 95)

Der Tag, ‘dies’, ist also der große Erzieher und der deu­tende ‘Deus’, der lenk­ende Gott. Der strahlende Tag ist das D, der kos­mis­che Deuter, der Hin­weis­er auf den göt­tlichen Willen. Annemarie Dubach Donath (1895 — 1972) zitiert Rudolf Stein­er: “Das D ist der Laut, in dem nachgeahmt wird die ‘Reak­tion auf ruhende Außen­welt’. — Der Men­sch schaut sich um, gewahrt die Dinge der Welt um sich herum — ‘dies durch dich’ ist die Antwort sein­er Seele auf das, was er wahrn­immt. Arme und Hände ‘deuten’ hin auf die Gegen­stände, die draußen den Sin­nen gegenüber­ste­hen, senken sich hinein in die Umge­bung, ‘er schwingt mit’.” (Die Grun­dele­mente der Eury­th­mie, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 95) Im Tag wurde also das lichtvolle, ausstrahlende Hin­deuten des Gottes gese­hen, damit der Men­sch erken­nen möge. Im klas­sis­chen San­skrit heißt der ‘Licht­strahl’ ‘did­hi­ti’, in der älteren vedis­chen Sprache meint dieses Wort den geisti­gen Licht­strahl der Andacht und Kon­tem­pla­tion, der Geisterkenntnis.

Auch das Wort ‘deutsch’ trägt diesen strahlen­den, hin­deu­ten­den Charak­ter des D, denn ‘deut’ hängt mit gotisch ‘thi­u­da’, althochdeutsch ‘diot’, mit­tel­hochdeutsch ‘diet’ zusam­men und bedeutet ‘Volk’. Um das Jahr 1000 herum wird die deutsche Sprache ‘diutis­co zun­go’ genan­nt und ‘diuten’ heißt ‘deuten’. Damit ergibt sich für ‘deuten’ die Grundbe­deu­tung ‘volk­stüm­lich machen’. (Kluge, in Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 95) Worauf man deuten kann und was man deuten kann, ist also deutsch, wie die Redewen­dung ‘Sprich deutsch!’ noch heute sug­geriert. Was klar und deut­lich wird, bekommt Be-deutung.

In der Edda, der ger­man­is­chen Mytholo­gie, Schildert das Lied Fiölsvins­mal einen Ein­wei­hungsweg. Ein Jüngling, der Thursen­fürst Wind­kald, also ‘Kalter Wind’, will die reine Jungfrau, Mengla­da, die ‘Son­nenglänzende’ gewin­nen, die in der Waber­lohe ihres Ret­ters har­rt. Als Swipdag, ‘Heller Tag’, ist ihr der Ret­ter voraus­ge­sagt und als solch­er stellt sich der Held nach vie­len Prü­fun­gen ihr vor:

Auf reiß’ die Türe, schaff’ weit­en Raum,

Hier magst du Swipdag schauen.

Doch frage zuvor, ob noch erfreut

Mengladen meine Minne. (Vers 43)

Und nach Mengladas Frage nach sein­er Herkun­ft antwortet er:

Swipdag heiß ich, Solibart hieß mein Vater,

Her führten mich wind­kalte Wege.

Urd­das Ausspruch ändert niemand,

Ob er unver­di­ent auch träfe. (Vers 47)

Mengla­da antwortet:

Willkom­men seist du, mein Wun­sch erfüllt sich,

Den Gruß begleite der Kuss

Unverse­henes Schauen beseligt doppelt

Wo rechte Liebe verlangt.

Lange saß ich auf liebem Berge

Dich erhar­rend Tag um Tag;

Nun geschieht was ich hoffte, da du heimgekehrt bist,

Süßer Fre­und in meinen Saal.

Swipdag sagt:

Sehn­lich Ver­lan­gen hatt’ ich nach dein­er Liebe

Und du nach mein­er Minne.

Nun ist gewiss, wir bei­de werden

Miteinan­der ewig leben. (Verse 48, 49, 50)

(in: Gun­du­la Jäger, Die Bild­sprache der Edda, S. 392f)

Minne hängt zusam­men mit englisch ‘mind’, mit Bewusst­sein, Denken und Erin­nern. Der Jüngling ist ein Thursen­fürst, ein Fürst der trock­nen Kräfte des Astralleibs, der Bewusst­sein­skräfte (im unter­schied zu den Jotunen, den im Äther­leib wirk­enden Kräften Leben­skräften). Diese Denkkräfte musste er schulen und wan­deln. Er musste sich sel­ber von Wind­kald, von einem windig, unbeständig und kalt denk­enden Men­schen zu Swipdag wan­deln, zu einem Men­schen mit lichtem Denken, das unbeir­rbar sein­er Spur fol­gt, gle­ich der Sonne am Him­mel.  Und er musste Minne entwick­eln, die aus dem Bewusst­sein und Denken geborene Liebe. Mengla­da verkör­pert dage­gen die aus dem Herzen strahlende Liebe.

Rudolf Stein­er sagt über diesen Prozess: “Das Son­nen­hafte, das der Men­sch durch lange Zeit­en nur aus dem Kos­mos auf­nahm, wird im Innern der Seele leuch­t­end wer­den. Der Men­sch wird von ein­er inneren Sonne sprechen ler­nen … er wird das … eigene Wesen als son­nenge­führt erken­nen.” (GA 26 in: Gun­du­la Jäger, Die Bild­sprache der Edda, S. 392f)

Im ‘Du’ deutet der Men­sch auf den Anderen und erken­nt ihn als Gegenüber, als von sich ver­schieden und doch gle­icher­maßen Ich­be­gabt. Mar­tin Buber sagt: „Der Men­sch wird erst am Du zum Ich.“ (Buber, Ich und Du, 2005, S. 28)

Ein weit­er­er Aspekt gehört zum D. Mit dem hin­strahlen­den Deuten wird bewirkt, dass das Gese­hene konkret und ‘detail­liert’ erkan­nt wer­den kann. Dadurch gehört zum D auch das ‘Deter­minierende’, Begren­zende, Fes­tle­gende. , wie es im Wort ‘Datum’ erleb­bar wird. Was gese­hen und darauf gedeutet wer­den kann, dass ist ein ‘Ding’, dessen Ursprungs­be­deu­tung ‘Gericht’ ist, wie es noch der Thing-Platz, die Gerichtsstätte zeigt, mit der das Wort Ding ver­wandt ist. Das D ist auch das Rich­tungs­gebende. “Das D drückt immer aus ein Fest­stellen, ein Richtiges.” (GA 282, in Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 102)

Der griechis­che Buch­stabe Delta ist ein Dreieck. Dies ist auch die Form eines spitzen Dachs, welch­es das Haus nach oben abschließt und gle­ichzeit­ig zum Him­mel weist. Schon die ältesten griechis­chen und phönizis­chen Inschriften zeigen diesen Buch­staben als Dreieck. Der Name Delta stammt vom hebräis­chen Buch­staben­na­men ‘Daleth’, was ‘Tür’ bedeutet, was einen weit­eren Aspekt des D zeigt. Rudolf Stein­er sagt über diesen Aspekt des D: “Immer ist die Tür etwas, das uns aufmerk­sam machen kann, dass da etwas ist. Und während der Men­sch etwa im B noch ‘einge­hüllt’, ver­bor­gen wie in einem Man­tel im Schoße der Got­theit ruht — und zugle­ich gewahr wird das Andere, …’ wird der Men­sch im D‑Laut stark, er dringt durch und find­et sich selb­st: <Ich muss durch>’.” (Dubach-Donath, Die Grun­dele­mente der Eury­th­mie, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 101) Als gle­ich­schen­kliges Dreieck ist es das umfassende Sym­bol für alles Hin­durch­strahlen und Deuten. So wurde es zum göt­tlichen Auge. Rudolf Stein­er sagt: “Das gle­ich­seit­ige Dreieck mit dem Mit­telpunkt ist das Sym­bol­um für das equi­lib­ri­erte Zusam­men­wirken von Denken, Fühlen und Wollen, aus dem her­aus die Liebeskraft vom Men­schen aktiv erzeugt wer­den soll. … Die Mis­sion der Erde­nen­twick­lung ist, ein voll­ständi­ges Gle­ichgewicht der drei Ele­mente des Denkens, Füh­lens und Wol­lens zu bewirken. In der okkul­ten Sym­bo­l­ik wurde das stets durch das gle­ich­seit­ige Dreieck aus­ge­drückt, mit dem Mit­telpunkt, dem Ich, das dieses Gle­ichgewicht aktiv schafft und dadurch das vierte, das Ele­ment der Liebe schafft. … Die Drei­heit zur Vier­heit machen, ist das Geheim­nis der Erde­nen­twick­lung.” (GA 212, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 99f) Das D als Delta-Dreieck deutet also auch immer auf das Erden­ziel hin, auf die zu entwick­el­nden höheren Wesens­glieder des Geist­selb­st, Lebens­geist und Geist­men­schen, für die das Sym­bol des Dreiecks eben­so ste­ht. Diese Wesens­glieder spie­len für das ‘Denken’, das im Deutschen bedeut­samer Weise das Siegel des D trägt, eine entschei­dende Rolle, wie Rudolf Stein­er sagt: “Das Denken und Vorstellen wird nicht durch das Gehirn her­vorgerufen, son­dern ist eine innere übersinnliche Tätigkeit der drei höheren Glieder der men­schlichen Wesen­heit. Die Gedanken wer­den gespiegelt durch die Tätigkeit des Gehirns und wiederum zurück­ge­wor­fen in den Äther­leib, Astralleib und das Ich” (GA 129, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 100)

So wie die Zähne, als das Fes­teste im Kör­p­er geord­net und gegrün­det ste­hen, so bildet der hin­ter den Zäh­nen gebildete Zahn­laut D die Kraft ab, sich durch das Denken geistig zu begrün­den — geistig da zu sein. Rudolf Stein­er sagt: “Das Kind hat noch mit den physis­chen Zäh­nen gedacht. … Dann emanzip­iert sich die Wach­s­tum­skraft der Zähne und wird Denkkraft im Men­schen, selb­ständi­ge, freie Denkkraft. … [Dann wer­den die Zähne] Helfer für das­jenige, was die Gedanken durch­dringt, für die Sprache. … Im Haupte emanzip­iert sich die Zah­nwach­skraft als Denkkraft: dann wird gewis­ser­maßen hin­un­tergeschoben das­jenige, was die Zähne jet­zt nicht mehr direkt zu besor­gen haben … ins Sprechen, sodass die Zähne Helfer wer­den beim Sprechen; darin zeigt sich noch ihre Ver­wandtschaft mit dem Denken. Ver­ste­hen wir, wie die Zahn­laute sich in das ganze Denken des Men­schen hine­in­stellen, wie da die Zähne zu Hil­fe genom­men wer­den ger­ade dann, wenn der Men­sch durch D T das bes­timmte Denkerische, das defin­i­tive Denkerische in die Sprache hinein­bringt: dann sehen wir an den Zahn­laut­en noch diese beson­dere Auf­gabe der Zähne. … Wir haben nicht mehr ein bloß Physis­ches im Men­schen, das Beißen der Zähne, oder höch­stens das sich Bewe­gen beim Sprechen bei den Zahn­laut­en, son­dern wir haben in den Zäh­nen ein äußeres Bild, eine naturhafte Imag­i­na­tion des Denkens. Das Denken schießt gewis­ser­maßen hin und zeigt sich uns an den Zäh­nen: Seht Ihr, da habt Ihr meine äußere Phys­iog­nomie!” (GA 307 in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 106)

Wird der Mund aufges­per­rt, so bilden die bei­den Zah­n­rei­hen des Ober- und Unterkiefers ein Oval. Wird in dieses Oval in “Kreis”-segmente, z.B. nach der Anzahl der Wochen im Jahr geteilt, entste­hen spitze Winkel, fast Delta-For­men. Denke ich mir diese sich im Zen­trum tre­f­fend­en Dreiecke am Rand des Ovals aufgestellt, so entste­ht das Bild von Zäh­nen. Allerd­ings haben wir weniger Zähne, als Wochen in einem Hal­b­jahr sind.

Der Zahn ist das D: altirisch ‘det’, litauisch ‘dan­tis’, lateinisch ‘dens, den­tis’ griechisch ‘odús, odón­tos’, altindisch ‘dant, dan­ta’. Das D ‘divi­diert’.

Im Keltischen sind die Namen des D irisch ‘dair’ und schot­tisch-gälisch ‘duir’, bei­de mit der Bedeu­tung ‘Eiche’. Das D wird her­vorge­bracht, sagt Rudolf Stein­er “dass sich der ganze Men­sch mit allen seinen vier Gliedern einen Schw­er­punkt schafft. (GA 162 in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 105) Dieser Schw­er­punkt ist ver­schieden beim D, T und Th: beim D liegt er im Astralis­chen, beim T im Ätherischen und beim Th im physis­chen. Von der Eiche, ‘dair’ haben die ‘Druiden’, die geisti­gen Führer der Kel­ten ihren Namen.

Der slaw­is­che Name des D ist ‘dobró’, das ‘Gute’. Ety­mol­o­gisch stammt es von ‘dóba’, dessen Grundbe­deu­tung ‘Zeit, Zeit­punkt, Ter­min’ ist. Das Gute ist also das in der Zeit Fest­ge­set­zte. Alt­bul­gar­isch bedeutet ‘po-dobá-jet’, wie auch griechisch ‘dei’, ‘es ist nötig, es geziemt’ und meint das zu einem bes­timmten Zeit­punkt Richtige und Gute, das zu tun ist. Slaw­isch ‘délo’ ist die ‘Tat’ von ‘délati’, ‘tun’, abgeleit­et von altindisch ‘dád­hati’, ’set­zen’. Der Stern hieß bei den alten Slawen ‘dsves­da’, der vom Him­mel aus deutet und den Weg weist.

Über die Gegensprüche 4 D und 30 d

Das Licht prägt die Stim­mung der Mantren 4 D und 30 d, ohne dass es im Zen­trum ste­ht. Diese Mantren sind hell, sehr hell sog­ar. Inneres Licht wird gerne mit Bewusst­sein ver­bun­den. Doch das Mantra 4 D hat nur bed­ingt einen wachen Ich-Sprech­er. Es ist die Empfind­ung, die nicht die Umwelt, son­dern sich selb­st wahrn­immt, sich selb­st fühlt und dies aus­drückt. Doch alles weit­ere ist in der neu­tral beschreiben­den drit­ten Per­son ver­fasst. Es geht um einen Prozess, der auch dann — oder sog­ar ger­ade dann geschieht, wenn kein wach­es Tages­be­wusst­sein herrscht. Im Mantra 30 d ist das anders, denn dieses Mantra ist aus der Per­spek­tive eines Ich-Sprech­ers geschrieben. Auch sein Blick richtet sich nach innen. Er benen­nt die Ergeb­nisse seines Denkens, die Verän­derung seines Füh­lens und schließlich das, was er empfind­et. Neben dem Licht (4 D: son­ner­hellte Welt, Licht­es­fluten und 30 d: See­len­son­nen­licht, See­len­som­mer) spielt in bei­den Mantren die Empfind­ung bzw. das Empfind­en eine Rolle.

Im Mantra 4 D spricht die Empfind­ung. Sie sagt, dass sie das Wesen ihres Wesens fühlt. Die Empfind­ung ist das erwachende Bewusst­sein, die aufkeimende Wahrnehmungs­fähigkeit. Ich ver­ste­he die Empfind­ung als das, was Rudolf Stein­er die Empfind­ungsseele nen­nt. Diese Seele kennze­ich­net ein Bewusst­sein, das noch eine Ein­heit bildet mit dem Wahrnehmungs­ge­gen­stand, mit der Welt. Die Empfind­ung sagt und erken­nt damit, dass sie sich sel­ber wahrn­immt. Sie fühlt das Wesen ihres Wesens. Sie sagt, dass sie das sel­ber fühlt: “Ich füh­le …” Die Empfind­ung spricht als Ich, denn das aufkeimende Bewusst­sein, das mit zunehmender Wach­heit zum Ich-Bewusst­sein wer­den wird, nimmt zuerst die eigene Empfind­ungs­fähigkeit und dadurch sich sel­ber wahr. Die Empfind­ung nimmt wahr, dass Ihr Wesen füh­len­des Gewahr­sein ist.

Was nun fol­gt, nimmt die Empfind­ung nicht sel­ber wahr. Es wird als ein objek­tiv­er Vor­gang geschildert. Die Empfind­ung ist in ein­er Umge­bung, in ein­er Welt, die von der Sonne erhellt ist. Diese Sonne kön­nte das eigene Bewusst­seinslicht sein, denn ohne dieses Licht ist die Empfind­ung nicht in der Lage über­haupt etwas wahrzunehmen. Doch die Empfind­ung erken­nt es nicht als Eigen­licht. Sie vere­int sich mit den Licht­es­fluten, mit der auf sie ein­strö­menden, unun­ter­broch­enen Flut an Wahrnehmungen. In jed­er Wahrnehmung ist Licht ver­bor­gen, Weisheit­slicht durch das dieses Wesen oder dieses Ding geschaf­fen wurde. Die Weisheit ein­er Pflanze sind z.B. die geometrischen Geset­ze, sicht­bar in der Anor­dung der Blüten­blät­ter, die Weisheit des Pho­to­syn­te­se­prozess­es usw. Auch wenn diese Weisheit dem Betra­chter nicht bewusst wird, ist sie in der Wahrnehmung enthal­ten. Die Empfind­ungsseele vere­inigt sich mit diesen Weisheits-Licht­es­fluten der Wahrnehmung. Und ger­ade aus der wahrnehmenden Vere­ini­gung mit der Welt kann die Empfind­ungsseele die Wärme gewin­nen, die sie dem Denken zu dessen Klarheit schenken will. Für die Empfind­ungsseele gibt es noch keine Dual­ität. Sie erlebt unge­broch­ene Ein­heit mit der Welt, denn die Tren­nung kommt erst in der Ver­standes- oder Gemütsseele, die sich getren­nt und der Welt gegenüber­ste­hend erlebt. Durch ihr Sein verbindet die Empfind­ungsseele den Men­schen fortwährend mit der Welt, auch wenn dieses Ein­heits­be­wusst­sein vom Ver­stand übertönt wird.

Im Mantra 30 d stellt der Ich-Sprech­er fest, dass ihm im See­len­son­nen­licht reife Früchte des Denkens wach­sen. Sie sprießen ihm in Son­nen­licht sein­er Seele. Dieses See­len­son­nen­licht ist das See­len­licht, die zu Bewusst­sein sich wan­del­nde Leben­skraft, die jede See­len­fähigkeit und so auch das Denken erst ermöglicht. Reife Denk­früchte sind Ideen, Gedanken­zusam­men­hänge, die lebendig gewach­sen und an der Wirk­lichkeit sich gebildet haben. Diese tragfähi­gen Denk-Früchte ver­wan­deln das sit­u­a­tive, schwank­ende Fühlen in die Sicher­heit des Selb­st­be­wusst­seins. Die wichtig­ste Denk-Frucht ist die Erken­nt­nis von sich selb­st, die Selb­sterken­nt­nis. Echte Selb­sterken­nt­nis bewirkt sicheres Selb­st­be­wusst­sein. Und durch die Sicher­heit des Bewusst­seins von sich selb­st, begrün­det der Men­sch sich als Geist. Der Geist, der im unbe­wussten Zus­tand geschlafen hat­te, erwacht. Rudolf Stein­er sagt, dass die Erde im Herb­st erwacht, indem sie alle Leben­skräfte in sich hineinzieht. Zum Herb­st gehört also das Erwachen des Geistes. Und das ist erst der Anfang, denn die Wach­heit steigert sich bis in den Win­ter — und mit ihr das See­len­son­nen­licht, denn das wird im See­len­som­mer sicher­lich beson­ders hell und warm scheinen.

Im Mantra 4 D wird die hin­strahlende, hin­weisende, die Welt berührende Qual­ität des D’s erleb­bar. Im Mantra 30 d berührt die Welt den Men­schen. Diese Berührung zeigt sich in den sprießen­den Denk-Frücht­en und im Sicher­w­er­den des Selb­st­be­wusst­seins. Hier ste­ht die befes­ti­gende Qual­ität des Stoßlautes im Vordergrund.

Im Mantra 4 D kann die Liebe der Mengla­da, der Son­nenglänzen­den, gese­hen wer­den, im Mantra 30 d die Minne, die Bewusst­sein­skraft, von Swipdag, Heller Tag. Und vielle­icht ist die klan­gliche Ähn­lichkeit von Mengla­da und Mag­dale­na kein Zufall, bestätigt Rudolf Stein­er doch, dass das Gewandt der Maria Mag­dale­na gelb dargestellt wurde. “Die Mag­dale­na wer­den Sie sehr häu­fig bei denen, die die Tra­di­tion gut gekan­nt haben oder noch etwas Hellse­hen gehabt haben, im gel­ben Gewand sehen … Da ist immer ver­sucht wor­den, zu entsprechen der Aura der betr­e­f­fend­en Indi­vid­u­al­ität; denn das Bewußt­sein war vorhan­den, in der Klei­dung die Aura nachzuah­men, in der Klei­dung einen Aus­druck der Aura zu schaf­fen.“ (Lit.: GA 163, S. 36f)