Die Gegensprüche 1 A und 27 a
FRÜHLING
1 A Oster-Stimmung Wenn aus den Weltenweiten Die Sonne spricht zum Menschensinn Und Freude aus den Seelentiefen Dem Licht sich eint im Schauen, Dann ziehen aus der Selbstheit Hülle Gedanken in die Raumesfernen Und binden dumpf Des Menschen Wesen an des Geistes Sein. |
HERBST
27 a In meines Wesens Tiefen dringen: Erregt ein ahnungsvolles Sehnen, Dass ich mich selbstbetrachtend finde, Als Sommersonnengabe, die als Keim In Herbstesstimmung wärmend lebt Als meiner Seele Kräftetrieb. .… .… |
Die Eurythmieformen zu den Mantren 1 A und 27 a
Über den Buchstaben “A”
Das Gegenspruch-Paar 1 A und 27 a ist durch den Buchstaben A verbunden. Das A ist der erste Buchstabe des Alphabets, der Laut bzw. das Schriftsymbol des Anfangs. Hier beginnt die Evolution des Menschen, die sich im Alphabet, in der Reihe der Laute und ihrer Schriftsymbole verbirgt, wie Rudolf Steiner betont: “Der menschliche ätherische Leib stünde vor Ihnen, wenn Sie einmal das ganze Alphabet … von A angefangen bis zum Z hinstellen würden, der Mensch stünde vor Ihnen.
Was ist da eigentlich geschehen? Der Mensch als Ätherleib ist ja immer da. … Sie bilden in der Luft ein Abbild Ihres Ätherleibes. … Wir schauen, wenn wir dies richtig verstehen, gerade in die wunderbarste Metamorphose der menschlichen Gestalt, der Entwickelung hinein. Denn, was ist dieser Ätherleib? Er ist dasjenige, was die Kräfte des Wachstums, die Kräfte, die in Betracht kommen, um die Ernährung zu besorgen, aber auch die Kräfte, die in Betracht kommen, um das Gedächtnis in die Wege zu leiten, was das alles enthält. Das alles teilen wir der Luftgestaltung mit, indem wir sprechen. Das Innere des Menschen, also insofern sich dieses Innere des Menschen im Ätherleib auslebt, das prägen wir der Luft ein, indem wir sprechen.“ (Lit.: GA 279, S. 46ff)
Der griechische Name dieses ersten Lautes ist ‘Alpha’ (Α, α), hervorgegangen aus dem hebräischen ‘Aleph’ (א). “Was war in der hebräischen Sprache der Aleph? … Es war der sich verwundernde Mensch”, sagt Rudolf Steiner (GA 279, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 47). Und an anderer Stelle sagt er: “…und der Mensch war als Saturnmensch [als Mensch auf dem alten Saturn, der nur als Wärme vorhandenen ersten Inkarnation der Erde] ebenso gut Verwunderung, wie er Wärme war. Er lebte in Verwunderung, in Staunen über sein eigenes Dasein, denn er kam nun erst in dieses Dasein. Das ist Alpha: Der in Verwunderung lebende Wärmemensch, der Saturnmensch.” (GA 346, S. 49)
Die Fähigkeit, sich zu verwundern beschreibt Rudolf Steiner als spezifisch menschliche Fähigkeit: “Wenn der alte Jude … A aufgeschrieben hat, so sagte er sich: wer verwundert sich in der Erdenwelt? Die Tiere verwundern sich eigentlich nicht, nur der Mensch. Daher nannte er den Menschen überhaupt: die Verwunderung. Wenn er sein Aleph aufschrieb, das A, dann bedeutete das aber auch den Menschen.” (GA 149, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 47)
Ernst Moll beschreibt das Schriftzeichen des lateinischen A folgendermaßen: “Der gebärdenhafte Ausdruck für das A ist die Gabelbildung, der Winkel. Indem Strahlen ausgehen von einem Mittelpunkt, bilden sie solche Gabelungen oder Winkel. Das ist der Schöpferaspekt, der Götteraspekt des A. … In einem Fall kommt zur Darstellung der göttliche Anfang, indem Strahlen ausgehen von einem Mittelpunkt. Im anderen, wesentlicheren Fall der menschliche Anfang, wo ein Mittelpunkt entsteht durch das Zusammenstrahlen von Kräften, von Punkten aus dem Umkreis. … Beides ist eine ‘Gabel’, ein Winkel, als Symbol eines Anfangs. … Im A‑Erlebnis öffnet sich der Mensch der Welt.” (Die Sprache der Laute, S. 47)
Rudolf Steiner beschreibt dieses Ausstrahlen ebenso als Charakteristikum des A in Gestalt des Aleph bzw. Alpha: Eine Schnecke kann kein Aleph sein. … Ein Fisch könnte schon ein Alpha sein. Warum? Weil der Fisch ein Rückgrat hat, und weil das Rückgrat den Ausgangspunkt des Werdens in einem solchen Wesen, das ein Aleph ist, bedeutet. Fassen Sie das Rückgrat so auf, dass vom Rückgrat strahlig ausgeht dasjenige [die Rippen], was das Aleph oder Alpha ausmacht.” (GA 279, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 47)
Das A ist eine Gabelung, eine Trennung. In der Genesis wird berichtet, dass am zweiten Schöpfungstag das Firmament geschaffen und die Wasser geschieden werden (Gen 1, 7). Das Firmament heißt auf hebräisch ‘rakia’ (r‑q-j). Rudolf Steiner sagt: “Dieses Wort bezeichnet … eben die Auseinanderscheidung zweier Kraftrichtungen.” (GA 122, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 48) Im gewissen Sinne bewirkt auch das A im Seelenkalender als erstes Mantra von jedem Halbjahr eine Scheidung. Dann bedeutet das Winter-Halbjahr die unteren Wasser, das Sommer-Halbjahr die oberen Wasser. Urbildlich zeigen die vom Mittelpunkt ausgehenden, Winkel bildenden ‘Radien’ das A. Beim ‘Rad’ sind es die strahlig von der ‘Achse’ ausgehenden Speichen.
Im Brustkorb eingeschlossen ist die Lunge und so weist Aleph ebenso auf den atmenden Menschen. Rudolf Steiner sagt: „Ich habe auch schon darauf aufmerksam gemacht, wie ein wirkliches Verständnis des Alpha — Aleph im Hebräischen — dazu führt, zu erkennen, daß man, indem man diesen Buchstaben so benannte, ausdrücken wollte: er ist das Sinnbild für den Menschen. Alpha ist eigentlich, wenn man es annähernd mit einem heutigen Worte ausdrücken will, «der sein Atmen Empfindende». In dieser Benennung liegt direkt die Hindeutung auf das Wort des Alten Testamentes: der Erdenmensch wurde dadurch geschaffen, daß ihm der lebendige Odem eingehaucht wurde. — Das also, was da getan wurde mit dem Atmen, um den Menschen zum Erdenmenschen zu machen, das Wesen, das dadurch dem Menschen aufgedrückt worden ist, daß er der die Atmung Erlebende, Empfindende geworden ist, der die Atmung in sein Bewußtsein Hereinnehmende, das sollte mit dem ersten Buchstaben des Alphabets zum Ausdrucke kommen.” (GA 209, S. 108) Mit dem Atem bekam der Mensch seinen Geist. Der Atem ist Bild des Geistes und deshalb wird in Indien der atmende Mensch als Geistmensch, als Atma bzw. Atman benannt, wie Rudolf Steiner ausführt: “… wenn das Ich endlich so stark geworden ist, … dass es den physischen Leib umwandelt und seine Gesetze reguliert, so dass das Ich überall dabei ist und der Herrscher dessen ist, was im physischen Leibe lebt, dann nennen wir diesen so unter die Herrschaft des Ich gelangten Teil des physischen Leibes den ‘Geistmenschen’ oder auch, weil jene Arbeit mit einem Regulieren des Atmungsprozesses beginnt, mit einem Worte der orientalischen Philosophie ‘Atman’, was mit ‘Atmen’ zusammenhängt.” (GA 59, S. 15) Atman, den Geistmenschen zu entwickeln ist das ferne Ziel der menschlichen Evolution. So birgt der Laut des Anfangs gleichzeitig das Ziel in sich.
Im A von ‘anthropos’, das griechische Wort für ‘Mensch’, schaut der Mensch in Verwunderung zurück auf seinen Ursprung. Die erste Silbe ‘an-’, eigentlich ‘ana, aná’ hat im Griechischen wie auch im Althochdeutschen und Gotischen die Bedeutung ‘auf, empor’. Die zweite Silbe, ‘tropan, trépein’ heißt, sich zu etwas hinwenden, ‘trópos’ ist die ‘Hinwendung’ und ‘an-tropan’ bedeutet also ’sich emporwenden’ zu etwas. Etymologisch steht das griechische Wort ‘tropan’ in Zusammenhang mit dem sanskritwort ‘trapá’, das ‘Scham, Verwirrung’ bedeutet. Daraus lässt sich erahnen, dass der Mensch im Aufblick zu seinem göttlichen Ursprung Scham empfinden kann, weil das, was er aus sich gemacht hat, so weit von seinem Urbild entfernt ist. Rudolf Steiner sagt, das Schamgefühl würde den Menschen überwältigen. Deshalb wurde die Decke des Schlafs über sein Bewusstsein gebreitet. Das menschliche Schamgefühl ist “eine schwache Andeutung von jenem Gefühl, das zu ungeheurer Stärke anwachsen würde, wenn der Mensch in sein Inneres hineinsehen könnte. Es würde sich dieses Gefühl mit einer solchen Gewalt der menschlichen Seele bemächtigen, dass der Mensch es ausgegossen empfände über alles, was ihm entgegentreten würde in der Außenwelt: er würde ein Erlebnis haben … wie wenn er im Feuer zugrunde ginge, wie eine Art Verbrennen würde dieses Schamgefühl auf ihn wirken.” (GA 119, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 50)
Weiter sagt er: “Gewiss, wenn ich dasjenige anschaue, was ich bin und es vergleiche mit dem, was die weise Weltenführung aus mir gemacht hat, so muss ich ja einsehen, wie klein, wie schlecht, wie niedrig ich noch bin, und die Schamröte, die bei diesem niederschmetternden Gefühl entsteht, würde sich so auswachsen, dass sie wirklich ein versengendes, brennendes Feuer werden könnte.” Zugleich, fährt Rudolf Steiner fort, kann man zu sich sagen: “Ja, jetzt fühle ich mich so gering als möglich gegenüber dem, was ich werden kann, aber ich will versuchen, die starken Kräfte zu entwickeln, damit ich fähig werde, die weise Weltenlenkung zu begreifen und zu versuchen, mich ihrer würdig zu machen.” (GA 119, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 50)
Rudolf Steiner erklärt das Wort ‘anthropos’ tatsächlich so: “Der Zu-den-Höhen-Blickende, so könnte man es, wenn man es richtig übersetzen wollte, in unsere gegenwärtige Ausdrucksweise übersetzen. ‘Der Zu-den-Höhen-Blickende’ ist zu gleicher Zeit die Definition des Menschen, die in dem griechischen Worte ‘Anthropos’ zum Ausdruck kommt, d.h. ‘der in den Höhen des Lebens seinen Ursprung Suchende’ und ‘der seine eigenen Gründe nur in den Höhen des Lebens Findende’. Das ist der Mensch, nach dem Gefühle der griechischen Welt.” (GA 137, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 51) Das ist das A in ‘Vater’ und im ‘Ahne’, dem Vorfahre aus ‘alter’ Zeit. Mit ‘Adam’ beginnt die ganze Menschheit.
Bevor der Mensch inkarnierte, war er ein geistiges Wesen und wird es als Atman, als Geistmensch, wieder sein. Das Geistige des Menschen ist dieses A, sagt Rudolf Steiner: “Den ersten Buchstaben für den Menschen nannte der Hebräer Aleph, die Griechen Alpha, und sie meinten damit, was geistig sich im Menschen bewegt, was hinter dem physischen Menschen geistig ist. Nun haben Sie aber auch noch ein deutsches altes Wort. … Zunächst wird es dann gebraucht, wenn der Mensch besondere Träume hat; wenn ihn ein geistiger Mensch drückt, dann nennt man dies den Alpdruck, den Alp. Da sagt man, da komme über den Menschen etwas, was ihn besessen macht. Aber daraus ist das Elp entstanden, Elp, Elf, der Elf, die Elfe — diese geistigen Wesen, die Elfen; der Mensch ist nur ein verdichteter Elf. Dieses Wort Elf, das auf Alp zurückführt, das kann Sie noch erinnern an Alpha im Griechischen. … Aleph = ein Geistiges. … Die Alten haben gesagt: Ihr braucht ja nur auf den Menschen selber hinzuschauen, dann habt ihr den Alph, nur dass da der Alph im Körper drinnen steckt und nicht ein feines ätherisches Wesen ist, sondern ein dichtes körperliches Wesen ist im Menschen.” ((GA 353, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 53f)
Dieses Fluide, Bewegliche drückt sich im ‘Wasser’, in ‘Bach’ und ‘Aal’ ebenso aus wie in ‘Tal’, durch das der Bach fließt und im ‘Aar’, der darüber kreist. Alle schwedischen Flüsse heißen ‘Elf’, altnordisch ‘Alfr’ z.B. ‘Dal Elf’, ‘Klar Elf’. Auch die deutsche Elbe geht auf diese Wurzel zurück.
Auch die ‘Sprache’ fließt, jemand ‘plappert’ wie ein ‘Wasserfall’. Die Interjektion ‘Ah’ drückt Erstaunen, ‘Andacht’ aus der ‘Farbenpracht’ des ‘Abendhimmels’ gegenüber. ‘AA’ drückt dagegen ‘Abwehr’ aus, Resignation ‘ach’ und ‘aha’ Verstehen. Im Althochdeutschen ist ‘aha’ das fließende Wasser, während ‘aha’ im Gotischen ‘Verstand’ bedeutet, ‘ahma’ dagegen ‘Geist’.
Das slawische Alphabet nennt das A ‘As’, was ‘ich’ bedeutet. (Auf russisch heißt ‘ich’ allerdings ‘ja’.) Doch dieses Ich hängt zusammen mit dem Göttlichen. ‘As’ ist verwandt mit ‘Aza’, der ‘Ase’, der Gott. Rudolf Steiner sagt: “Indem der Mensch sich als Ich fühlte, fühlte er sich eigentlich gar nicht als der Erde angehörig. … und dieses Ich wurde gar nicht gefühlt als ein menschliches Ich. Mensch war der Mensch nur dadurch, dass er auf Erden mit einem physischen Leibe umkleidet wurde. Und durch diesen physischen Leib, der als eine Art Schale des Ich angesehen wurde, war der Mensch Erdenbürger. Aber das Ich wurde eigentlich innerhalb des Irdischen immer als etwas Fremdes angesehen. Und wollten wir heute einen Namen prägen für die Art, wie das Ich angesehen wurde, so müsste man sagen: der Mensch fühlte dazumal gar nicht menschliches Ich, sondern göttliches Ich. … Das göttliche Ich war ihm ein Tropfen aus dem Meere des Göttlichen. … Und eigentlich betrachtete man das, was das Ich von der Erde hat, etwa so, wie Ereignisse, die an dem kosmisch-göttlichen Ich vorüber gingen, während das Wesen des Ich eben durchaus kosmisch-göttlicher Natur für diese alten Zeiten war.” (GA 121, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 57)
Das gotische Alphabet des Wulfila bezeichnet den A‑Laut mit ‘Aza’, d.h. ‘Gott’. Das A ist der Asen‑, der Götterlaut. Der Runenspruch lautet:
‘Os’ (der As, Odin) ist der alte Schöpfer
und Asgards König
und Walhalls Fürst.
(Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 58)
Das Asowsche Meer wurde das Asa-Meer (bzw. Don) genannt und der Kaukasus war Sitz der Asen. Rudolf Steiner sagt: “Die gotischen und skandinavischen Völker nannten jenen Fuß des Kaukasus in ihrer nordischen Heroenlehre das ‘Asaland, Asahaimur’. Es ist der Ursitz der Asen, ihrer Götter- und Heroengeschlechter, und Odhin zieht nach allen Sagen von da erst in den europäischen Norden ein … Prometheus hatte die Asia zur Mutter oder zur Gemahlin — Der erhabene Kaukasus selbst hat als Ursitz der Asengeschlechter noch den Wurzellaut ‘Azi’ in seiner letzten Silbe behalten und gilt bei allen Völkern als eine hohe, erhabene, durch frühe Göttergeschlechter geheiligte Berglandschaft.” (GA 121, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 59)
Das Weibliche wird mit dem A verbunden. In vielen Sprachen enden weibliche Namen auf A. In Latein heißt der Herr ‘domin-us’, die Herrin ‘domin‑a’. Das Weiße, Reine, Helle weckt die Bewunderung, die Seelenstimmung des A, sagt Rudolf Steiner: “Dem Vollen gegenüber, dem Weißen, Hellen und alledem gegenüber, das mit dem Hellen oder Weißen verwandt ist, auch dem Klange gegenüber, der mit dem Hellen verwandt ist, haben wir die Gefühlsnüance der Bewunderung, der Verehrung, des ‘A’.” (GA 293, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 60) Lateinisch ‘alba’, ‘weiß’ und ‘lac’, die ‘Milch’ zeigen diesen Aspekt.
Sich ‘aalen’ in Wohlgefühl, sich ungeniert benehmen wie die ‘Barbaren’, auch das gehört zum A, wie Rudolf Steiner begründet: “Wenn Sie ein A aussprechen, … so senken Sie eigentlich, so gut es geht, ihren astralischen Leib in Ihren physischen Leib hinein. Das bedeutet Wohlbefinden. Das ist wirklich so, wie wenn Sie Ihren astralischen Leib — ich will für weniger nüchterne Menschen sagen: wie perlenden Wein, der durch die Glieder fließt, empfinden würden — für nüchterne Menschen würde ich sagen: wie Limonade fließt, empfinden würden. Also Sie haben tatsächlich in diesem A‑Aussprechen etwas, wie wenn Sie perlendes Nass durch Ihren physischen Leib ergießen würden. Was tritt aus diesem physischen Leib zutage? A = es ist das Wohlbehagen, das Wohlbefinden, welches da zutage tritt.” (GA 278, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 59) Das ist der ‘animalische’ Aspekt des A, die Hingabe an den ‘Schlaf’ oder der Genuss eines ‘warmen’ Bades’.
Für den A‑Vokal ist der Tier-Gott-Charakter kennzeichnend. Wie der Engel ist das Tier reines Göttergeschöpf ohne die Möglichkeit der menschlichen Freiheit. Rudolf Steiner sagt: “Mit all denjenigen Kräften im Menschen [hängt er zusammen], die ihn gierig machen, die ihn nach dem Animalischen hin organisieren. Das A liegt ja tatsächlich dem Animalischen am nächsten. … Das A tönt aus dem Tierischen des Menschen heraus. … [Und] was zunächst aufgetreten ist in der menschheitlichen Entwicklung, das ist der noch ganz aus dem Tierischen herausklingende A‑Laut” (GA 315, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 60f)
Auf die Frage, was dem Menschen die Freiheit ermöglicht, mit der er sich über das Tier heraushebt, antwortet Rudolf Steiner: “Es ist die Möglichkeit, gewisse Maße, eigentlich Maßrichtungen, die das Tier in eine strenge Form bringen, in der menschlichen Wesenheit beweglich zu halten, sodass der Mensch als ein Zusammenfluss von Kräften angeschaut werden kann, die sich in ihm eben zusammenfinden. Der Mensch würde das einförmig empfinden müssen, wenn er seinen Ursprung, über den er selber erstaunen soll, … so wie wir ihn für die Pflanzen, das Tier suchen müssen, nur an einem Punkt des Himmels suchen müsste. Der Mensch kann gerade dasjenige, was ihn an sich selbst in Verwunderung setzt, nur von verschiedenen Richtungen des Himmels her empfinden. Und das drückt sich ja dadurch aus, dass wir empfinden: wenn wir uns selbst als Mensch in unserer eigentlichen Wesenheit und Würde erfassen wollen, dass wir uns dann erfassen sollen, als ob die Götter aus dem Umkreis des Weltalls ihre Kräfte in uns zusammenfließen lassen.” (GA 279, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 61)
Für die Irokelten zeigte sich die Qualität des A in ‘Ailm’, der Ulme, wie Ernst Moll ausführt. Er schreibt: “Die Ulme ist den alten Kelten nicht nur ein bestimmter Baum, sondern die Repräsentanz des ganzen Pflanzenreichs, d.h. des Ätherischen schlechthin.” (Die Sprache der Laute, S. 64) Wikipedia.org nennt jedoch Ailm die Kiefer. Ihre paarweise wachsenden Nadeln bilden stets einen Winkel, ein A.
Zwei Aspekte lassen sich für das A unterscheiden. Zum einen das Göttliche, das sich inkarniert, das einstrahlt und einen Mittelpunkt bildet, zum anderen das Geistige, das vom Menschen ausstrahlt.
Über die Gegensprüche 1 A und 27 a
Das 1. und das 27. Mantra im Seelenkalender tragen die Signatur des Lautes und Buchstaben A. Das Mantra 1 A ist das erste des ganzen Seelenkalender-Jahres und steht gleichzeitig am Beginn des Sommer-Halbjahres. Das Mantra 27 a ist das erste des Winter-Halbjahres. Inhaltlich verbindet beide Mantren die Sonne, die mit ihren vom Mittelpunkt ausstrahlenden Sonnenstrahlen die Winke bildende A‑Geste vollzieht. Im Mantra 1 A spricht die Sonne zum Menschensinn, im Mantra 27 a ahnt der Ich-Sprecher sein Sonne-Sein und sehnt sich danach, sich im Eindringen in die Tiefe des eigenen Wesens, in der Innenschau, in der Selbstbetrachtung als Sommersonnengabe zu finden.
Das Mantra 1 A beschreibt den Vorgang in der neutralen dritten Person und meint mit dem Menschen die ganze Menschheit. Der Mensch ist hier unbewusst. Im Mantra 27 a ist dagegen ein einzelner Mensch, ein wacher Ich-Sprecher anwesend, der Kunde gibt von den Vorgängen in seinem Innern. So zeigen die Mantren 1 A und 27 a den Zusammenhang vom Unbewussten zum Bewusstsein, von Gemeinschaft und Individuum.
Im Mantra 1 A spricht die Sonne aus den Weltenweiten zum Menschensinn. Sie strahlt aus dem Umkreis und bildet damit den Mittelpunkt des Ichs im Menschen, wie Rudolf Steiner es für das A als einstrahlenden Prozess beschreibt. Dem eigenen Erleben näher lässt sich sagen, dass die Sonne auf den Menschen herabstrahlt und ihm mit ihrem Licht die Möglichkeit der Wahrnehmung schenkt — und dadurch auch in ihn einstrahlt. Der Mensch ist hier ganz Wahrnehmungsorgan, ganz Sinn. Das Wort “Sinn” trägt im Mantra 1 A eine zweite Bedeutung, denn auch das Denken, das Zusammenhänge, also Sinn erkennt, indem es die Flut der Wahrnehmungen ordnet, ist hier gemeint. Das Denken kann neben den üblichen Sinnesorganen als ein “Sinnesorgan” angesprochen werden. Ist die Sinnfindung gelungen, antwortet das Innere des Menschen mit Freude und das Sehen wird zum Schauen.
Im Mantra 27 a ist es der Ich-Sprecher, der Mensch, der gleich dem Strahl der Sonne herableuchtet — nun in die Tiefe des eigenen Wesens. Eine Ahnung von Zukunft, ein Hinbewegen, ein Sehnen führt diesen Ich-Menschen, um sich als Sommersonnengabe, als Gabe der Sommersonne zu erkennen. In der Selbstbetrachtung, wenn er wie in einen inneren Spiegel schaut, möchte er sich selbst finden — und zwar nicht so, wie er sich im Außen findet als Mensch voller Unzulänglichkeiten, gemischt aus Licht und Schatten, sondern als Geschenk der Sommersonne, als reines Licht.
Wenn der Mensch also wahrgenommen und verstanden hat (1 A), findet ein weiterer Prozess statt. Dann, so schildert das Mantra 1 A weiter, zieht etwas aus ihm heraus, strahlt etwas von ihm aus. Was da vom Menschen sich löst, von ihm wegzieht, sich verselbständigt, das sind seine Gedanken. Aus der Selbstheit Hülle, also aus der leiblichen Hülle ziehen die Gedanken in die Raumesfernen, hinaus in die Welt. Ein Gedanke wie z.B. die Idee der Evolution der Arten löst sich von demjenigen, der diese Idee zum ersten Mal äußert. Sie wirkt weiter in der Welt. Doch die Aussage des Mantras 1 A, wie diese vom Menschen wegziehenden Gedanken wirken überrascht. Es schließt sich der Kreis gewissermaßen, denn die Gedanken binden das Wesen des Menschen — ohne dass dieser davon weiß — dumpf — an das Sein des Geistes. Die Sonne als geistiges Wesen sprach zu Beginn zum Menschen. Er nahm ihr Sprechen auf, wie in der Einatmung die Luft. Die durch dieses Sprechen ausgelösten Gedanken des Menschen gleichen der Ausatmung. In seinen Gedanken ist der Mensch selber am meisten Geist. Deshalb haben die Gedanken die Macht, den Menschen an den Geist zu binden, ihn den geistigen Gesetzen zu unterwerfen. Dadurch ist er nicht nur Erdenmensch, sondern auch potentiell Geistmensch.
Auch im Mantra 27 a wird eine Gegenbewegung angedeutet. Der Bewegung von oben nach unten beim Eindringen in die Tiefe des eigenen Wesens folgt eine Wachstumsbewegung von unten nach oben. Die Sommersonnengabe ist nicht nur Sonne, sie ist auch Keim, und damit ist sie ein lebendiges Wesen, das von unten nach oben wachst. Dieser Keim lebt wärmend in einer herbstlich kühlen Umgebung — in Herbstesstimmung. Der Keim lebt in einem Leib, der sterblich ist, in dem es bildlich gesprochen Herbst ist. Doch im Keim, dem Geschenk der Sommersonne, lebt neue, junge Lebenskraft. Der Keim ist der Kräftetrieb der Seele. Ich denke, dass dieser von der Sonne stammende Keim die Kundalinikraft ist, das aufsteigende Astralleicht. Dieser Kräftetrieb ist die den Tod überwindende Lebenskraft im Menschen. Stufenweise eröffnet sie Chakra für Chakra dem Menschen immer neue und andere Bewusstseinshorizonte. Damit zeigt sich dieser Kräftetrieb der Seele tatsächlich als ausstrahlendes Bewusstseinslicht — als Sonne.
Welterkenntnis (1 A) und Selbsterkenntnis (27 a) vereinen sich in diesen beiden Mantren des Anfangs. Mit den Worten von Johann Wolfgang von Goethe klingt dieser Zusammenhang so: “Der Mensch kennt nur sich selbst, insofern er die Welt kennt, die er nur in sich und sich nur in ihr gewahr wird. Jeder neue Gegenstand, wohl beschaut, schließt ein neues Organ in uns auf.”
Das Mantra 1 A zeigt die menschheitliche, die große Sonne. Es zeigt die göttliche, die Asen-Perspektive des A. Das Mantra 27 a zeigt den individuellen Menschen, seine kleine Sonne, die er von der großen Sonne als Gabe bekam. Das A ist hier ‘As’, das slawische Wort für ‘ich’. Im Mantra 1 A wird der Geist‑, der Alpha-Elfen-Aspekt deutlich. In den Gedanken, die dumpf in die Raumesfernen ziehen, sind die bisweilen dunklen Alp-Geister erkennbar. Der Mensch als Geistmensch, als Atman, schimmert zart durch das Bild der Sommersonnengabe (27 a), die Keim und Kräftetrieb der Seele ist.