10 K

Zu som­mer­lichen Höhen

Erhebt der Sonne leuch­t­end Wesen sich;

Es nimmt mein men­schlich Fühlen

In seine Raumesweit­en mit.

Erah­nend regt im Innern sich

Empfind­ung, dumpf mir kündend,

Erken­nen wirst du einst:

Dich fühlte jet­zt ein Gotteswesen.

Die erste Woche nach der Osterzeit

Mit dieser Woche treten wir aus den Wochen der Osterzeit her­aus. Wir ver­lassen die Zeit der nur in sich zusam­men­hän­gen­den Feste, die aber nicht an wiederkehrende Dat­en gebun­den sind. Zur Erin­nerung: Mit dem Ostert­er­min ver­schieben sich unter anderem auch Him­melfahrt, Pfin­g­sten und Fron­le­ich­nam. Auch die Wochen vor Ostern sind davon betrof­fen, denn auch Ascher­mittwoch und Palm­son­ntag sind durch den Abstand zu Ostern definiert, nicht durch ihr Datum. Diese im Son­nen­jahr begren­zt frei fluk­tu­ieren­den Wochen nenne ich gerne die Oster­scholle. Sie umfassen unge­fähr ein Drit­tel des Jahres (16 bzw. ich sage sog­ar 18 Wochen). Wie ein Mond liegen diese aus der Datums­bindung her­aus­ge­hobe­nen Wochen im Jahreskreis. Mit der Woche 10 K treten wir nun von der Mon­den­zeit des Jahres in die Son­nen­zeit ein. Ab jet­zt sind die Feste an ein Datum und dadurch an einen ganz bes­timmten Son­nen­stand gebun­den. Für diesen Schritt von der Beweglichkeit in das dauer­haft Gle­ich­bleibende ist meist eine Anpas­sung notwendig, damit die für die Feste vorge­se­henen Mantren (Johan­ni, Michaeli, Wei­h­nacht­en) mit den tat­säch­lichen Fes­ten übereinstimmen.

Anpassung

Das erste wieder an ein Datum gebun­dene Fest nach Ostern ist Johan­ni am 24. Juni. Da Ostern eine ganze Rei­he von Wochen früher oder später liegen kann, das Johan­nifest aber laut Rudolf Stein­er zur Woche 12 (! ohne Buch­staben) gehört, muss nach dieser Osterzeit — der Oster­scholle — naturgemäß in vie­len Jahren angepasst wer­den. (Gle­ich­es gilt auch im Vor­griff, wenn die Osterzeit begin­nt, denn son­st liegt das let­zte Mantra 52 z nur sel­ten und zufäl­lig in der Kar­woche.) Es gibt dadurch Jahre, die an diesen Übergän­gen eine Dehnung erfordern, andere eine Stauchung.

Die vari­able Osterzeit macht aus dem immer gle­ichen Son­nen­jahr ein indi­vidu­elles Jahr. Die zu Ostern gehören­den Wochen sind jew­eils mit ein­er Mond­phase ver­bun­den, fest­gelegt duch den ersten Voll­mond nach der Tag- und Nacht­gle­iche in der Kar­woche. Der Oster-Mondim­puls prägt jedem neuen Jahr sein Siegel auf, ver­lebendigt das Starre und macht es einzi­gar­tig. Mal schwingt die Oster­scholle weit­er in das Som­mer-Hal­b­jahr hinein, mal mehr in das Win­ter-Hal­b­jahr. Eine Mit­tel­lage nimmt die Osterzeit ein, wenn Kar­fre­itag um den 3. April liegt. Dieses Datum ist nach Rudolf Stein­er der Ur-Kar­fre­itag.

Im Jahr 2022 lag Ostern spät (17. 4.), die Osterzeit wurde weit in das Som­mer-Hal­b­jahr hineingeschoben. Deshalb war mit dem Schritt aus der Osterzeit hin­aus eine starke Stauchung notwendig. Auf die Fron­le­ich­namswoche (9 und großes i) fol­gte direkt die Johan­ni­woche mit dem Mantra 12 !, über­schrieben mit Johannes-Stim­mung. Der Schritt von der Oster-Mon­den-Zeit in die Son­nen-Zeit des restlichen Jahres war 2022 ein großer Sprung. Ein Prozess, der sich eigentlich in drei Stufen vol­lzieht, musste in einem einzi­gen, großen Schritt vol­l­zo­gen wer­den. Solch eine Sit­u­a­tion kann als her­aus­fordernd erlebt werden!

Im Jahr 2023 ist es anders. Ostern lag etwas früher (9. 4.) und deshalb muss weniger ges­taucht wer­den. In diesem Jahr kom­men auf drei Mantren (10 K, 11 L, 12 !) zwei Wochen. Johan­ni am 24. Juni ist dieses Mal ein Sam­stag. Wenn so angepasst wird und nun zwei Mantren in ein­er Woche „ver­daut“ wer­den, liegt auch Michaeli (29. 9.) in der Woche 26 Z, so wie es sein soll.

Ich passe trotz­dem nicht so an. Ich schaue noch weit­er in die Zukun­ft und richte die Anpas­sung nach dem kom­menden Wei­h­nachts­fest aus. Ich empfinde das Wei­h­nachts­fest als Johan­ni und Michaeli über­ge­ord­net. Über dem Mantra 38 m ste­ht Wei­he-Nacht ‑Stim­mung. Und hier stimmt die Anzahl der Wochen und der Mantren ohne Anpas­sung übere­in. Ich nehme also in Kauf, dass Johan­ni in der Woche 11 L und Michaeli in der Woche 25 Y sein wer­den. Der Heilige Abend (24. 12.) wird dieses Jahr ein Son­ntag, und damit auch der 4. Advent sein. Mit diesem Son­ntag ist die Wei­henachts-Woche 38 m ver­bun­den. Ich ver­suche bei der Anpas­sung immer so wenig in den Zeit­en­fluss einzu­greifen wie nötig, weshalb ich mich dage­gen entsch­ieden habe vor Johan­ni anzu­passen und nach Michaeli nochmals. Das ist meine Entschei­dung und kann natür­lich auch anders gehand­habt werden.

Im Jahr 2024 wird Ostern am 31. 3. sein.

Die Zahl 10 als neue 1

Der Spruch 10 K ist der erste Spruch nach der Oster­scholle. Schon in der Zahl steckt die neue Eins darin, jet­zt gesteigert, poten­ziert durch die Null. Im Spruch 1 A war die Sonne als eine Sprechende, wirk­ende beschrieben. Auch dieser Spruch ist, wie sich noch zeigen wird, ganz der Sonne gewid­met. War sie in 1 A zu hören, sie sprach, ist sie nun in 10 K zu sehen, sie erhebt sich, sie leuchtet. Da der Spruch 11 L eine einzige Belehrung ist, kann er als Rede der Sonne gele­sen wer­den. Auch die 11 ist eine Vari­a­tion der 1 und zeigt sich in diesem Zusam­men­hang als „Sonne“.

Auch wenn wir den Men­schen betra­cht­en, find­en wir die 10 an wichtiger Stelle. Mit unseren 10 Fin­gern erfassen wir die Dinge und begreifen dadurch die Welt. Was wir mit ihnen hal­ten, behal­ten wir auch im Bewusst­sein. Was wir ver­standen haben, wird in uns zu ein­er Ein­heit, zu einem Be-griff. Es wird durch uns zu etwas Neuem. Die 1 eröffnet den Zahlen­raum der ein­stel­li­gen Zahlen, die 10 ist das Tor in den viel größeren Raum der Zweis­tel­ligkeit, ein­er neuen Dimen­sion im Zahlenraum.

Was folgt auf den Tod?

Kon­nte der Spruch 9 I als die innere Sicht des Todes gele­sen wer­den, so ist es fol­gerichtig, die näch­sten Mantren darauf hin zu befra­gen, ob hier die Phasen nach dem Tod beschrieben wer­den. Vor­bere­i­t­end soll für das Mantra 10 K deshalb die nun fol­gende Phase dargestellt wer­den, entsprechend der Angaben Rudolf Stein­ers. Nach­dem mit dem Tod der physis­che Leib abgelegt wurde, löst sich nun während unge­fähr drei Tagen auch der Leben­skräfte-Leib, der Äther­leib des ver­gan­genen Lebens auf. Während dieser Zeit bekommt die Indi­vid­u­al­ität ihr voll­ständi­ges Lebenspanora­ma gezeigt. Manch­mal wird es als Tableau, also als gle­ichzeit­ige Wahrnehmung aller Sta­tio­nen des Lebens beschrieben, manch­mal ähn­lich wie in einen Film, jedoch rück­wärts laufend. So tritt zuerst in den Blick, was die Folge eines Ereigniss­es war. Dadurch lernt die Indi­vid­u­al­ität die Ereignisse ihres Lebens mehr tele­ol­o­gisch und weniger kausal anzuschauen, das heißt, wo etwas hinge­führt hat und nicht was die Ursache war.

Rudolf Stein­er beschreibt das Lebenspanora­ma und die Auflö­sung des Äther­leibes ein­mal so: “Alles das­jenige, dessen wir son­st in der Zeit uns erin­nern, das wird gle­ichzeit­ig wie in einem gewalti­gen Panora­ma um uns herum aufgestellt in einem mächti­gen Leben­sta­bleau. Dann aber wird unser ätherisches Wesen von uns los­gelöst, es wird gle­ich­sam aus uns her­aus­ge­zo­gen. Das tun die Wesen­heit­en der drit­ten Hier­ar­chie (Engel, Erzen­gel und Archai), und die weben es allmäh­lich dem Wel­tenäther ein, so daß dieses Gewebe des Wel­tenäthers nach unserem Tode aus dem beste­ht, was wir während unseres Lebens zwis­chen Geburt und Tod hinzuge­fügt haben und was ver­ar­beit­et wor­den ist von den Wesen der drei näch­sthöheren Hier­ar­chien. Das, was Zeit unseres physis­chen Lebens in uns gelebt hat, ist nun ein Stück Außen­welt gewor­den, so daß es von uns angeschaut wer­den, von uns betra­chtet wer­den kann.” (Lit.: GA 167, S. 35)

Auf mich selb­st bezo­gen hieße das: Das Lebens-Tableau, wie es an ander­er Stelle von Rudolf Stein­er benan­nt wird, ist eine große Imag­i­na­tion, in deren Zen­trum ich ste­he. So wie im Erden-Leben mein Bewusst­sein son­nen­gle­ich um mich herum ausstrahlt, meine Sinne mir ermöglichen in alle Rich­tun­gen (im Ide­al­fall) gle­ich­mäßig präsent zu sein, so ste­hen nun die Ereignisse, das Erlebte, meines ver­gan­genen Lebens um mich herum.

Die äußere Quelle der Leben­skräfte ist die Sonne. Sie regt alles Wach­s­tum an und befähigt die Pflanzen, sich über die Schwere der Erde zu erheben. In ihrem Licht erblick­en wir die Welt. Die Sonne wurde immer als äußer­lich sicht­bare Quelle der eigentlich unsicht­baren und bis heute durch die Natur­wis­senschaft kaum zu erfassenden Leben­skraft (Ätherkraft) ange­se­hen. Im Leben­srück­blick schaut die Indi­vid­u­al­ität auf ihr Leben und sieht es so, wie wir unseren Hor­i­zon­tkreis überblick­en. Auch hier ste­hen wir immer im Zen­trum. Immer wieder beschreiben Men­schen mit Nah-Tode­ser­leb­nis­sen, dass sie eine unendlich liebende, sie fra­g­los annehmende, son­nen­gle­iche Macht neben sich gespürt haben, die ein unendlich helles, aber erstaunlich­er Weise nicht blenden­des, gold­enes Licht ausstrahlte.

Die Verklärung Christi auf dem Berg Tabor

Eine weit­ere Ver­ständ­nishil­fe für das Mantra 10 K ist für mich die Schilderung der Verk­lärung Christi. Deshalb will ich kurz zum einen auf das Ereig­nis, wie es die Evan­gelien beschreiben, zum zweit­en auf das diesem Ereig­nis gewid­mete Fest, und zum drit­ten auf die tra­di­tionelle Art der bildlichen Darstel­lung eingehen.

Drei Evan­ge­lis­ten, Lukas (Lk 9, 28–36), Markus (Mk 9, 2–9) und Matthäus (Mt 17, 1 — 8) bericht­en davon. Sie erzählen, dass Chris­tus mit drei Jüngern, Petrus, Jakobus und Johannes auf einen Berg stieg, um zu beten. Dieser Berg wird in der Tra­di­tion als der Berg Tabor ange­se­hen. Während Chris­tus betete, verän­derte sich das Ausse­hen seines Gesicht­es, es leuchtete wie die Sonne und sein Gewand wurde leuch­t­end, strahlend weiß wie das Licht. Nun erschienen Mose und Elias und sprachen mit ihm. Die drei Apos­tel fall­en vor Schreck zu Boden. Sie sind der Schau des göt­tlichen Licht­es nicht gewach­sen, kon­nte doch vor­dem kein Men­sch das Antlitz Jahves erblick­en, ohne zu ster­ben. Petrus schlägt daraufhin vor, drei Hüt­ten zu bauen. Das bedeutet, drei Zelte der Offen­barung zu erricht­en. Nun kommt eine Wolke, die Schechi­na, Ein­woh­nung Gottes nach jüdis­ch­er Tra­di­tion. Aus ihr erklingt eine Stimme, die sagt: “Dies ist mein geliebter Sohn” (Mt. 17, 5; u.a.) und wieder­holt damit, was auch bei der Taufe Jesu im Jor­dan aus der Wolke erk­lang (Mt 3, 17; u.a.). Nun fügt diese Stimme hinzu: “Auf ihn sollt ihr hören.”

Man nimmt heute an, dass sich dieses Ereig­nis im Herb­st ereignete, an einem der fol­gen­den Feiertage. Ich denke, es kön­nte der höch­ste jüdis­che Feiertag, das Ver­söh­nungs­fest “Jom Kip­pur” gewe­sen sein, das nach dem jüdis­chen Kalen­der am 10. Tag des Monats Tis­chri (Ende Sep­tem­ber, Anfang Okto­ber) began­gen wird. Hier spricht der Hohe­p­riester das einzige Mal im Jahr feier­lich den Namen Jah­wes im Aller­heilig­sten des Tem­pels aus. 10 Tage vorher, mit Beginn des Monats Tis­chri wird das Neu­jahrs­fest gefeiert, fünf Tage später, zu Voll­mond am 15. bis 21. Tis­chri das Laub­hüt­ten­fest. Der let­zte Tag des Laub­hüt­ten­festes gilt als der let­zte Tag, an dem die göt­tlichen Urteilssprüche für das ger­ade begonnene Jahr noch geän­dert wer­den kön­nen. Unmit­tel­bar daran anschließend find­et “Schmi­ni Azet”, “der Achte Tag der Ver­samm­lung” und “Sim­chat Tora”, das Torafreuden­fest statt. Der Tag der Ver­samm­lung scheint mir mit Elias zusam­men­zuhän­gen, das Torafreuden­fest hat natür­lich mit Mose zu tun. Alle Feste haben offen­sichtlich mit dem Über­gang vom Som­mer- zum Win­ter-Hal­b­jahr, bzw. mit dem Ankom­men im Win­ter-Hal­b­jahr zu tun.

Das Fest der Verk­lärung wird sowohl in der Ostkirche als auch in der katholis­chen Kirche tra­di­tionell am 6. August gefeiert. Ich las bei A. Lukassek, dass der Papst zu diesem Fest das erste Mal den neuen Wein im Gottes­di­enst ver­wen­det und die Trauben seg­net. Seit dem 5. Jahrhun­dert wurde das Fest am 6. August in der Ostkirche gefeiert. Erst 1457 nahm Papst Kallix­tus III. das Fest in den Fes­tkalen­der des Jahres auf — mit gle­ichem Datum.

In der Ostkirche heißt das Fest „Meta­mor­pho­sis“, Ver­wand­lung, in der katholis­chen Kirche „Trans­fig­u­ra­tio Domi­ni“, lateinisch Ver­wand­lung des Her­rn. Erst Mar­tin Luther nan­nte es Verk­lärung, weil er an eine Ver­wand­lung von Brot und Wein im Abendmahl nicht glauben kon­nte. Der Bezug des Festes zum Abendmahl, der durch den alten Namen „Ver­wand­lung“ gegeben ist, ging dadurch verloren.

Der Bil­dauf­bau der Verk­lärung bei Fra Angeli­co (siehe unten) entspricht ein­er auch auf Iko­nen vorzufind­ende Tra­di­tion. Das Bild fol­gt der Schilderung in den Evan­gelien, zeigt durch die Kom­po­si­tion aber mehr: Chris­tus erscheint verk­lärt zwis­chen Elias und Mose. Elias wird tra­di­tionell links vom Betra­chter und alt, vom Him­mel her­abk­om­mend dargestellt, Mose rechts vom Betra­chter dage­gen jung und manch­mal sog­ar aus einem Grab auf­steigend, aus­ges­tat­tet mit den Geset­zestafeln. Eine Gegen­be­we­gung wird dadurch angedeutet, auf die ich unten nochmal einge­he. In der Darstel­lung von Fra Angeli­co ist unter­halb des weißbär­ti­gen Gesichts von Elias die Jungfrau Maria zu sehen, unter dem jun­gen Gesicht von Mose der heilige Domenikus. Ganz unten auf dem Bild sind von links nach rechts die drei Jünger Petrus, Jakobus und Johannes zu sehen. Petrus dreht Chris­tus den Rück­en zu: er erträgt nur die Wieder­spiegelung des Geschehens. Jakobus muss sich mit der Hand gegen das blendende Licht schützen, nur müh­sam kann er sich aufrecht hal­ten. Johannes allein kann sich der Schau anbe­tend hingeben. Die drei Jünger repräsen­tieren dadurch drei Entwick­lungsstufen des Seelisch-geistigen.

Bilder der Verk­lärung, ins­beson­dere die Iko­nen, aber auch das von Fra Angeli­co sind stets als Darstel­lung dreier Säulen konzip­iert. Bei Fra Angeli­co ste­hen Elias und Maria für den inkarnieren­den Strom, die zur Erde strö­mende Weisheit, die die Wahrnehmungswelt erschafft – die Säule des Som­mer-Hal­b­jahrs. Mose und Domenikus ste­hen für den auf­steigen­den, vergeisti­gen­den Strom. Sie verkör­pern das im Men­schen stat­tfind­ende Geist-wer­den, die Ätheri­sa­tion des Blutes. Dieser Strom der Bewusst­seins­bil­dung ermöglicht es, nicht nur auf den eige­nen Vorteil aus­gerichtet zu sein, son­dern das Denken frei zu lenken – die Säule des Win­ter-Hal­b­jahrs. Chris­tus verk­lärt in der Mitte, im Gespräch mit den bei­den Vertretern der Säulen, Elias und Mose, gibt kund, dass nun die Zeit anbricht, in der Wahrnehmung und Denken, Makrokos­mos und Mikrokos­mos, so zusam­men­wirken, dass göt­tlich­er Glanz von dem Drit­ten, das daraus entste­ht, ausstrahlen kann.

Das eiför­mige Pro­fil und die weißliche Farbe der Man­dor­la des Chris­tus besagt bei Fra Angeli­co sehr viel: bei­des weist auf das dominierende Sym­bol des Oster­festes, das Ei. Ich kenne zwei ver­schiedene Aus­rich­tun­gen des Jahreskreis­es. Ist das Wei­h­nachts­fest die Basis, gestal­tet sich der Jahres­lauf wie üblich als Jahreskreis. Ist das Oster­fest ganz unten, dehnt sich die Kre­is­form zu einem zwei­di­men­sion­alen Ei. Hier find­en sich die bei­den Hal­b­jahre rechts und links und kön­nen als die bei­den Säulen ange­sprochen wer­den, die in den Bildern der Verk­lärung stets als Elias und Mose gemalt werden.

Die Verk­lärung auf dem Berg Tabor, Frau Angeli­co (etwa 1437–1446)

Rudolf Stein­er sagt über dieses Ereig­nis: „Die geistige Welt sollte den Jüngern offen­bar wer­den ohne das Zeichen des Salo­mo [die an Vererbung gebun­dene alte Hell­sichtigkeit, A.F.] und ohne das Zeichen des Jonas [die durch Schu­lung und dre­itägi­gen Mys­te­rien­schlaf erlangte Hell­sichtigkeit, A:F:]. In der Verk­lärungsszene wer­den die drei Jünger Petrus, Jakobus und Johannes, in die geistige Welt hin­aufge­führt und ihnen tritt ent­ge­gen, was in der geisti­gen Welt als Moses und Elias vorhan­den ist, und zugle­ich das Geistige selb­st, was in dem Chris­tus Jesus lebt. Sie schaut­en für einen Moment in die geistige Welt hinein, um ein Zeug­nis dafür zu bekom­men, daß man ohne das Zeichen des Salo­mo und ohne das Zeichen des Jonas in die geistige Welt Ein­blick erhält. Aber zugle­ich zeigt sich, daß sie noch Anfänger sind; sie schlafen gle­ich ein, nach­dem sie durch die Gewalt dessen, was geschieht, aus ihren physis­chen und Äther­leibern her­aus­geris­sen sind. Daher find­et der Chris­tus sie schlafend. Daran sollte gezeigt wer­den, welch­es die dritte Art, in die geistige Welt hineinzukom­men, ist, außer der unter dem Zeichen des Salo­mo und der unter dem Zeichen des Jonas. Das wußte eben der­jenige, der für die dama­lige Zeit die Zeichen der Zeit zu deuten ver­stand, daß das Ich sich entwick­eln mußte, daß es jet­zt unmit­tel­bar inspiri­ert wer­den mußte, daß die göt­tlichen Kräfte unmit­tel­bar in das Ich hinein­wirken mußten.“ (Lit.: GA 114, S. 214)

“Der Name Elias bedeutet so viel wie der Weg Gottes, das Ziel. Der Name Moses repräsen­tiert die Wahrheit. Moses ist die okkulte Beze­ich­nung für die Wahrheit. Jesus bedeutet das Leben. Da wurde sozusagen mit ehernen Worten in das Men­tale geschrieben: «Der Weg, die Wahrheit und das Leben».“ (Lit.: GA 97, S. 20f)

Rudolf Stein­ers Gedanken fasst der Ein­trag bei Anthrowiki.at, Verk­lärung fol­gen­der­maßen zusam­men: “Nur wenn wir uns mit dieser licht­en Aufer­ste­hungskraft durch­drin­gen, wer­den wir fähig, das strahlende Licht der geisti­gen Welt zu ertra­gen, ohne dass unser Ich­be­wusst­sein durch ihren Glanz so über­strahlt wird, dass wir uns selb­st vergessen und ver­lieren. Die Verk­lärung des Äther­leibs reicht nicht hin, um das Ich­be­wusst­sein bis hin­auf zum Nir­vana­plan zu erhal­ten. Daher geht der Bud­dhis­mus davon aus, dass mit dem Ein­tritt ins Nir­vana auch das Ich voll­ständig ver­we­ht. Richtig ist, dass das Ich­be­wusst­sein spätestens im Nir­vana völ­lig erlis­cht, solange der Men­sch nicht der Aufer­ste­hungskräfte teil­haftig ist, was in vorchristlich­er Zeit noch nicht möglich war. Erst durch das Mys­teri­um von Gol­gatha hat sich die Sit­u­a­tion grundle­gend geän­dert. Grund­sät­zlich ist es von nun an möglich, dass der Men­sch — freilich erst nach einem entsprechen­den geisti­gen Entwick­lungsweg durch alle noch fol­gen­den irdis­chen Inkar­na­tio­nen — voll­be­wusst seinen geisti­gen Wesenskern, sein wirk­lich­es Ich, ergreift, das seinen Ursprung auf dem Nir­vana­plan hat.”

Was erlebe ich hier im Mantra 10 K?

Das Mantra 10 K begin­nt auf den ersten Blick recht banal. Natür­lich beschreibt die Sonne um Johan­ni ihre größten Bögen, erhebt sich die Sonne am höch­sten über den Hor­i­zont und selb­stver­ständlich ist jet­zt Som­mer. Doch ist das alles, was gemeint ist? Es heißt nicht, dass sich die Sonne erhebt, son­dern der Sonne Wesen! Rudolf Stein­er beschreibt (u.a. in GA 342 s.u.), dass in vorchristlich­er Zeit in der Sonne die am höch­sten verehrte Geist-Macht erlebt wurde. Und weit­ers: die Wis­senden nah­men wahr, wie dieses Son­nen­we­sen sich immer mehr der Erde näherte, um schließlich als Men­sch geboren zu wer­den. Aus diesem Wis­sen her­aus macht­en sich die Magi­er, die heili­gen drei Könige, auf den Weg, um das Kind anzu­beten. In der Taufe vol­len­dete sich dieser Abstieg, um schließlich im Tod auf Gol­gatha zu mün­den. Mit der Aufer­ste­hung und der Him­melfahrt wird uns der Auf­stieg dieses Son­nen­we­sens geschildert, nach­dem es im Leibe bei der Verk­lärung auf dem Berge Tabor zum ersten Mal für die Jünger anschaubar wurde. Der Aufer­standene, der lebendi­ge Gott, der Chris­tus nach Gol­gatha, ist das Gottes-Wesen, das in diesem Spruch im Bild der sich wieder erheben­den Sonne gese­hen wer­den kann.

Im Spruch 10 K heißt es weit­er, dass das Son­nen-Wesen mein men­schlich­es, das heißt noch irdis­ches, Fühlen in seine Raumesweit­en mit­nimmt. Mein Fühlen und damit mein füh­len­des Gewahr­sein weit­et sich dadurch ins Unendliche. Dadurch erhält mein füh­len­des Bewusst­sein Hil­fe aus dem irdis­chen Begren­zt-sein, dem Leben in der Dual­ität, in den Raum des Son­nen-Wesens hin­auszuwach­sen. Unendliche Weit­en des Raumes durch­strahlt schon die physis­che Sonne. Für das Son­nen-Wesen kann man sich­er auch die Weite des Zeit-Raumes mit­denken, vom Anbe­ginn der Erd- und Men­schheits-Entwick­lung bis zu ihrem fer­nen Ziel. Dadurch gewin­nt mein Fühlen als meine geistige Präsenz eine Beziehung zur ewigen Exis­tenz meines Seins.

Im Leben fühlen wir uns und unsere Seele als ein Zen­trums-Sein. Nun wird mein Fühlen in die Raumesweit­en mitgenom­men, meine Seele wird Umkreis-Sein, indem sie aufgenom­men wird vom Wesen der Sonne. Mein kleines son­nenähn­lich­es Bewusst­sein wird hin­aufge­tra­gen durch die wesen­hafte Sonne, durch den Chris­tus, in seine Weit­en des Raumes, in seine Größe. Als Reak­tion auf diese Hil­fe regt sich in meinem Innern etwas. In mir wird etwas lebendig, begin­nt sich zu bewe­gen, zu regen, in einen Prozess einzutreten. Eine Empfind­ung regt sich, dumpf, noch vor­be­wusst. Ich ahne sie mehr als dass ich sie wahrnehme. Wie das Mor­gen­rot die Sonne ankündigt, so kün­det die Empfind­ung mir ein zukün­ftiges Erkennen.

Diese Empfind­ung aus meinem Innern, meinem Zen­trum, spricht mich als ein Du an. Sie tritt mir dadurch gegenüber mit einem größeren, tief­er­en Erleben, als ich bish­er hat­te. In dieser Sit­u­a­tion, die ganz an ihr Ende gekom­men war, in der ich ganz Umkreis gewor­den war, regt sich in meinem Innern eine Empfind­ung, die auf die Zukun­ft gerichtet ist, die Hoff­nung ausstrahlt. Die Empfind­ung ver­heißt mir ein neues Erken­nen. Die Empfind­ung macht mich darauf aufmerk­sam, dass mich genau jet­zt, in diesem Moment, ein Gotteswe­sen fühlt.

Empfind­ungsseele nen­nt Rudolf Stein­er die ger­ade aufkeimende Bewusst­sein­skraft, die sich noch eins fühlt mit allem, die noch nicht vom Intellekt ergrif­f­en wurde. Deshalb ist die Empfind­ung dumpf. Doch das bewusste Erken­nen ist ihr Ziel. Sie kündigt es mir schon an. Noch ist die Bewusst­sein­skraft der Empfind­ung wie ein Echo, das ganz unver­fälscht ins Bewusst­sein nimmt, was ger­ade passiert. Und das, was ger­ade jet­zt in diesem Mantra 10 K geschieht, ist etwas außeror­dentlich Großes. Ein Gotteswe­sen fühlt mich.

Um die Größe dieses Geschehens ins Bewusst­sein nehmen zu kön­nen, soll das men­schliche Fühlen kurz betra­chtet wer­den: Fühlen ist Gegen­warts-Ereig­nis. Mein Gefühl ist immer wahr, als mein gegen­wär­tiges Erleb­nis. Es ist immer indi­vidu­ell, denn jed­er reagiert anders, auch wenn die Sit­u­a­tion dieselbe ist. Durch meine Gefühlsreak­tion erschaffe ich eine Wirk­lichkeit, meine innere, seel­is­che Wirklichkeit.

Jeman­den fühlen heißt ihn im Herzen zu tra­gen. Wenn das Gotteswe­sen mich fühlt, so bin ich von Ihm getra­gen — ich bin in Gott. Und so kann ich sagen: Indem das Gotteswe­sen mich fühlt, erschafft es mich in seinem Son­nen­be­wusst­sein. Es erschafft mich neu, nach­dem mein altes Fühlen ganz Umkreis gewor­den ist, ganz in die Raumesweit­en getra­gen wor­den ist, sich ver­strömt hat. Diese Neuschöp­fung geschieht im Aller­heilig­sten Gottes, im Ver­bor­ge­nen. Die Empfind­ung kün­det davon in der Ver­gan­gen­heits­form: “Dich fühlte jet­zt ein Gotteswe­sen”. Diese Neuschöp­fung ist der Same, aus dem die Empfind­ung als erste Bewusst­seinsstufe her­vor­wächst. Das Erken­nen fol­gt erst in den weit­eren Stufen — einst, — nach weit­eren lan­gen Entwicklungen.

Mit diesem Schritt im Mantra verän­dert sich auch meine Möglichkeit, das Son­nen-Wesen wahrzunehmen. Es wird nun als ein Gotteswe­sen benan­nt. Dies ist ein viel inner­licheres, intimeres Erleb­nis, als zu Beginn des Spruch­es. Dort erlebte ich nur die Sonne wesen­haft, als leuch­t­en­des Wesen — das Gotteswe­sen im Bild der Sonne. Was hat diesen neuen Schritt ermöglicht? Indem das Gotteswe­sen mich fühlt, mit mir in Kon­takt geht, bekomme auch ich ein Gefühl für dieses Wesen. Der Gott in meinem Innern, meine sich regende Empfind­ung, mein aufkeimendes Bewusst­sein, lässt mich auch das Gotteswe­sen im Außen, im leuch­t­en­den Wesen der Sonne, wahrnehmen.  Das ganze Mantra ist geprägt von diesem Erleb­nis. Das Gotteswe­sen fühlt mich: “Ich bin in Gott.” Mein Bewusst­sein ist göt­tlichen Ursprungs: “Gott ist in mir.” Rudolf Stein­er emp­fiehlt die Punk-Umkreis genan­nte Med­i­ta­tion im Heilpäd­a­gogis­chen Kurs: „In mir ist Gott. Ich bin in Gott.“ Sie bringt das all­ge­mein übliche Son­nen­sym­bol in Bewe­gung und bere­it­et auf die Wesens­begeg­nung mit dem Chris­tus als dem Wesen der Sonne vor, wie sie in diesem Mantra geschildert ist.

Warum heißt es hier “ein“ Gotteswe­sen und nicht “das” Gotteswe­sen? Hier wird mit einem sehr schlicht­en Mit­tel auf die Dreifaltigkeit des Vaters, des Sohnes und des Heili­gen Geistes hingewiesen. Im Bild der Sonne wird ein­er­seits der Chris­tus verehrt, der auch Gottes Sohn, also Sohnes-Gott ist, ander­er­seits die Dreifaltigkeit. Über die Schluss­worte des Vaterunser-Gebets, die Dox­olo­gie, sagt Rudolf Stein­er: “Gemeint ist, wenn man die Trinität — das Reich, die Macht und die Her­rlichkeit — äußer­lich zusam­men­fasst: <… denn Dein ist die Sonne>, wenn man das Innere, Geistig-Seel­is­che anschauen will, und — den Vater ansprechend, den der Welt Sub­sistieren­den -: <denn Dein ist der Sohn, Chris­tus-Jesus, er ist bei Dir>.” (GA 342, S.1936).

Die Trinität im Son­nen­sym­bols stellt sich mir so dar: Ich sehe das Reich als den Umkreis, der den Vater sym­bol­isiert, die vom Mit­telpunkt ausstrahlende Macht als den Sohn, und den über das Reich hin­ausstrahlen­den Ruhm, die Her­rlichkeit, als den Heili­gen Geist. Indem es „ein Gotteswe­sen“ heißt, ist unaus­ge­sprochen der Fokus auf den Sohnes-Gott gerichtet, der aber ohne Vater und Heili­gen Geist in der Dreieinigkeit nicht gedacht wer­den kann.

Zum Abschluss will ich noch ver­suchen, die Stufe des Mantras 10 K im Wahrnehmung­sprozess des Men­schen zu betra­cht­en. Im Mantra 9 I wurde ich aufge­fordert, mich im Licht zu ver­lieren. Ich ging aus mir her­aus, wurde Eins mit der Wahrnehmung. Nun im Mantra 10 K werde ich mitgenom­men in eine Weite, die ich aus eigen­er Kraft nicht erre­ichen kön­nte. Das Wesen der Sonne nimmt mein men­schlich­es Fühlen in diese Raumesweit­en mit. Hier, jen­seits alles Irdis­chen, find­et Wesens­begeg­nung mit einem Gotteswe­sen statt. Im Wahrnehmung­sprozess gibt es diesen Moment, der hin­ter dem Sin­ness­chleier liegt, der jedoch meist unbe­wusst ver­stre­icht. In allem Wahrgenomme­nen begeg­ne ich unbe­wusst der Schöpfer­ma­cht, ihrer bedin­gungslosen Liebe, die all diese Wesen ins Sein gebracht hat. Hin­ter jed­er Wahrnehmung ste­ht das Urbild als Imag­i­na­tion und hin­ter dieser die Ur-Imag­i­na­tion, die Sonne.