Mantra ohne Gegenspruch 51 !
51 ! Frühling-Erwartung
Ins Innere des Menschenwesens
Ergießt der Sinne Reichtum sich,
Es findet sich der Weltengeist
Im Spiegelbild des Menschenauges,
Das seine Kraft aus ihm
Sich neu erschaffen muss.
Die Eurythmieformen zum Manta 51 !
Über die seelische Taubheit — den fehlenden Buchstaben
Das Mantra 51 ! (das ich mit einem Ausrufezeichen kennzeichne) hat keinen Buchstaben, und deshalb kann es auch keinen Gegenspruch haben — genauso wie das Mantra 12 ! -, denn per Definition sind Gegensprüche nicht die mathematisch im Jahreskreis gegenüberliegenden Mantren, sondern diejenigen mit gleichem Buchstaben — und den gibt es eben nicht. (Zur Problematik der Seelenkalender Ausgabe von 1925/26, bei der alle Mantren Buchstaben haben, siehe Gut zu wissen.) Der Buchstabe in der Überschrift der Mantren kennzeichnet die Logoskraft, die das ganze Mantra durchzieht. Fehlt diese Logoskraft, so kann es für dieses Fehlen zwei Gründe geben. Der eine Grund ist, dass der Logos schweigt. Darüber habe ich beim Mantra 12 ! geschrieben. Der andere Grund kann darin bestehen, dass der Logos zwar spricht, aber das Organ zur Aufnahme fehlt — das geistige “Ohr” taub ist.
Rudolf Steiner attestiert dem Menschen nicht nur 12 gegenwärtig entwickelte Sinnesorgane, sondern weitere, die noch nicht bzw. nicht mehr in Funktion sind. Diese geistigen Sinnesorgane sind die Chakren, auch Lotusblumen genannt, die in alter Zeit gegen den Uhrzeigersinn drehten und so den Menschen in die geistige Welt schauen ließen. Gegenwärtig stehen sie jedoch still und erst in Zukunft werden sie wieder beginnen sich zu drehen — nun im Uhrzeigersinn. Wird diese Entwicklung individuell beschleunigt, erreicht der Mensch auch jetzt höhere Bewusstseinszustände. „Hat der Mensch diesen devachanischen [höheren Bewusstseins-]Zustand erlangt, dann fangen die Lotusblumen, die Chakrams oder Räder, an gewissen Stellen im Astralleib an, sich wie der Zeiger einer Uhr von links nach rechts zu drehen. Sie sind die Sinnesorgane des Astralleibes, aber ihr Wahrnehmen ist ein aktives. Das Auge zum Beispiel ist in Ruhe, es läßt das Licht in sich hereinkommen und nimmt es dann wahr. Dagegen nehmen die Lotusblumen erst dann wahr, wenn sie sich bewegen, wenn sie einen Gegenstand umfassen. Die durch das Drehen der Lotusblumen erregten Schwingungen bewirken dann eine Berührung der Astralmaterie, und so entsteht die Wahrnehmung auf dem Astralplan.” (GA 95, S. 1119)
Das Mantra 51 ! spricht zwar nicht vom Ohr, dafür aber vom Menschenauge, dass sich seine Sehkraft neu erringen muss. Wie diese Sehkraft des geistigen Auges und darauffolgend auch des geistigen Ohres beschaffen sein wird, erklärt Rudolf Steiner hier: „Wenn Sie nun in der Lage sind, ohne daß eine äußere Veranlassung da ist, Ihre astralischen Fangarme herauszustrecken, so tritt das ein, was man im höheren Sinne das geistige Wahrnehmen nennen kann. Es bilden sich die eigentlichen geistigen Wahrnehmungsorgane. In dem Augenblick, wo der Mensch die Fähigkeit erlangt, … — zwischen den Augenbrauen — seine astralische Substanz herausschieben … wie zwei Fangarme, da bildet er an dieser Stelle das, was man die zweiblättrige Lotusblume nennt, das erste geistige Organ, was man auch nennen kann den imaginativen Sinn… Und in demselben Maße, als der Mensch immer fähiger und fähiger wird, so aus sich selbst heraus, ohne daß er durch die Außenwelt gezwungen wird, seine astralische Substanz herauszustrecken, in demselben Maße bildet er weitere höhere Sinne aus. In der Gegend des Kehlkopfes bildet er aus durch diese Arbeit einen sehr komplizierten Sinn, die sechzehnblättrige Lotusblume, den inspirierenden Sinn; weiter in der Herzgegend den Sinn, den man auch den intuitiven Sinn nennen kann, die zwölfblättrige Lotusblume, und dann noch weitere höhere Sinne, die man aber nun, weil man da ins rein Geistige kommt, nicht mehr Sinn nennen kann im gewöhnlichen Sinne. Es genügt ja, daß wir zu den physischen, eigentlichen Sinnen hinzuzufügen haben den imaginativen Sinn, den inspirierenden Sinn und den intuitiven Sinn.
Nun fragen wir uns: Sind nun diese drei Sinne nur tätig im hellsichtigen Menschen oder gibt es auch beim gewöhnlichen Menschen etwas, was er als eine Tätigkeit dieser Sinne auffassen kann? — Ja, auch beim gewöhnlichen Menschen gibt es etwas, was als eine Tätigkeit dieser Sinne aufzufassen ist, des imaginativen, des inspirierenden und des intuitiven Sinnes. Wenn Sie genau aufgefaßt haben, wie diese Sinne beim hellsichtigen Menschen wirken, so werden Sie sich sagen, sie wirken, indem sie sich wie Fangarme nach außen erstrecken. Beim gewöhnlichen Menschen sind sie auch vorhanden, nur mit dem Unterschiede, daß sie sich da nicht nach außen, sondern daß sie sich nach innen strecken. Genau an der Stelle, wo die zweiblättrige Lotusblume beim hellsichtigen Menschen entsteht, da ist beim gewöhnlichen Menschen etwas vorhanden wie zwei solcher Fangarme, die nach innen gehen, die sich nur in der Gegend des Vorderhirns kreuzen. So wendet das gewöhnliche Bewußtsein einfach diese Fangarme, statt wie beim hellsichtigen Menschen nach außen, nach innen.
Dasjenige, was hier vorliegt, kann ich Ihnen nur durch einen Vergleich klarmachen. Sie müßten viel meditieren, wenn Sie über den Vergleich hinauskommen wollten zur Tatsache. Denn eine Tatsache ist es. Sie brauchen sich nur klarzumachen, daß der Mensch das, was er außer sich hat, sieht, und das, was er in sich hat, nicht sieht. Keiner hat noch sein eigenes Herz oder Gehirn gesehen. So ist es auch im Geistigen. Die Organe werden nicht nur nicht gesehen, sondern sie werden auch nicht bewußt, und sie können daher auch nicht angewendet werden. Aber sie wirken. Dadurch, daß etwas nicht bewußt ist, ist es noch nicht untätig. Das Bewußtsein entscheidet nicht über die Wirklichkeit. Sonst müßte alles dasjenige, was um uns ist in dieser Stadt Berlin und was Sie jetzt nicht sehen, nicht da sein. Allerdings ist das eine Logik, wonach diejenigen gehen, welche die höheren Welten ableugnen, weil sie sie nicht sehen. Tätig sind diese Sinne, aber ihre Tätigkeit richtet sich nach innen. Und diese Wirkung der Tätigkeit nach innen nimmt jetzt der Mensch wahr. Wie nimmt er sie wahr? Indem sich der imaginative Sinn nach innen ergießt, entsteht das, was man im gewöhnlichen Leben die Empfindung irgendeiner Sache nennt, die äußere Empfindung, die äußere Wahrnehmung. Daß Sie die Dinge draußen sehen, das beruht darauf, daß nach innen hinein dieser Sinn arbeitet. Was Sie nach draußen als Empfindung, als Wahrnehmung haben, das können Sie nur dadurch haben, daß dasjenige in Sie hineinarbeitet, was im imaginativen Sinn zum Vorschein kommt. Unterscheiden Sie aber wohl, was hier Empfindung genannt ist, von dem, was zum Beispiel ein Ton ist. Es ist noch etwas anderes, einen Ton zu hören, eine Farbe zu sehen, oder eine Empfindung dabei zu haben. Eine Farbe zu sehen und zu sagen, sie ist rot, ist etwas anderes, als die Empfindung dabei zu haben: sie ist schön oder häßlich, angenehm oder unangenehm im unmittelbaren Eindruck.
Auch der inspirierende Sinn ergießt seine Tätigkeit nach innen, und durch diese Tätigkeit entsteht das, was nun eine kompliziertere Empfindung ist: das Gefühl. Das ganze Gefühlsleben, das mehr Innerlichkeit hat als das bloße Empfindungsleben, ist eine Tätigkeit des inspirierenden Organes, das nur nach innen tätig ist statt nach außen. Und wenn der intuitive Sinn sich nach innen ergießt, dann entsteht das, was wir eigentlich jetzt das Denken nennen, das Gedankenbilden. Das ist der Erfolg der Tätigkeit des intuitiven Sinnes nach innen. Zuerst hat der Mensch eine Empfindung von der Sache, dann kommt das Gefühl, und zuletzt bildet er sich seine Gedanken darüber.
Damit werden Sie gesehen haben, daß wir aus dem Sinnesleben bereits hineingestiegen sind in das Seelenleben. Wir haben von außen, aus der Sinnenwelt heraus, im Menschen selber die Seele ergriffen in Empfindungen, in Gefühlen, in Gedanken. Wenn wir nun weitergehen würden und die höheren Sinne, die wir nun nicht mehr gut Sinne nennen können, die den andern Lotusblumen entsprechen, in ihrer Wirkung nach innen betrachten, so würden wir das gesamte höhere Seelenleben finden. Wenn zum Beispiel die im Organismus weiter unten gelegene achtblättrige oder die zehnblättrige Lotusblume ihre Tätigkeit nach innen ergießt, dann entsteht eine noch feinere Seelentätigkeit. Und am Ende dieser Reihe finden wir jene allerfeinste Seelentätigkeit, die wir nun nicht mehr mit dem bloßen Gedanken bezeichnen, sondern als den reinen Gedanken, den bloß logischen Gedanken. Das ist das, was hervorgebracht wird durch das Hineinwirken ins Innere des Menschen durch die verschiedenen Lotusblumentätigkeiten.
Wenn nun dieses Hineinarbeiten wiederum aufhört, bloßes Hineinarbeiten zu sein und, wie ich angedeutet habe, anfängt hinauszuarbeiten, wenn also jene Fangarme, die sich sonst nach innen erstrecken, sich überall kreuzen und nach außen sich als Lotusblumen ergießen, dann kommt jene höhere Tätigkeit zustande, durch die wir von der Seele aufsteigen zum Geiste, wo dasjenige, was uns sonst bloß als Innenleben erscheint in Denken, Fühlen und Wollen, nunmehr in der Außenwelt auftritt, getragen von geistigen Wesenheiten.“ (Lit.: GA 115, S. 53ff)
Geistiges Sehen, Imagination, entsteht, wenn die zweiblättrige Lotusblume zwischen den Augenbrauen ihre Fangarme ausstreckt und den Gegenstand im Uhrzeigersinn drehend umgreift. Diese umgreifende Vorstellung verstehe ich als Jahreskreis, speziell des Seelenkalender-Jahreskreises, den ich stets in Beziehung setze zu allem, was ich erforschen möchte. Durch die dadurch in Beziehung gebrachten Qualitäten entsteht tatsächlich eine Empfindung von Übereinstimmung — oder eben nicht. Geistiges Hören, Inspiration, entsteht, wenn zu der Empfindung das eigene Fühlen hinzutritt, das innere Abtasten. Wie ein Echo zum Ruf passt, so können eigene Interpretationen und Seelenkalenderstrukturen zusammengehören, sich aussprechen. Was Rudolf Steiner hier Intuition nennt, ist das Denken mit dem Ätherherzen, von dem er an anderer Stelle spricht.
„Es ist notwendig, daß man sich diese Dinge klarmacht, denn man lernt da erst erkennen, unter welchen ungeheuren Irrtümern das Denken der Gegenwart leidet, mit welcher Summe von Irrtümern sich dieses Denken der Gegenwart selber narrt, und wie eine Gesundung stattfinden muß durch jenes schwierigere Wissen, welches nicht etwa keine Rücksicht nimmt auf den physischen Leib: wenn wir mit dem physischen Leibe gehen, müssen wir den Boden unter unseren Füßen haben; wenn wir in der physischen Welt denken, so müssen wir eine Widerlage als Boden für das Denken haben: das Nervensystem. Wenn wir aber unsere Denkarbeit zurückverlegen in unseren astralischen Leib, dann wird für uns der Ätherleib dasselbe, was dann, wenn wir im Ätherleibe denken, der physische Leib ist.
Schreiten wir zum imaginativen Denken fort, dann denken wir im astralischen Leibe, und der ätherische Leib behält dann die Spuren, wie sonst, wenn im Ätherleibe gedacht wird, der physische Leib die Spuren behält. Und wenn wir nach dem Tode außerhalb des physischen Leibes sind und auch den Ätherleib abgelegt haben, wie das oftmals beschrieben worden ist, dann ist unsere Widerlage der äußere Lebensäther, dann schreiben wir dasjenige, was der Astralleib und später das Ich entwickelt, in den ganzen Weltenäther ein.
So also ist der Vorgang, den wir durchmachen bei dem, was man die erste Stufe der Initiation nennt. Dieser Vorgang ist der, daß wir unser Denken zurückverlegen — es bleibt nicht Denken, es ist nur die Tätigkeit des Denkens -, daß wir unser Denken zurückverlegen vom Ätherleib in den Astralleib, und die Aufbewahrung der Spuren, die früher dem physischen Leibe obgelegen hat, dem flüchtigeren Ätherleibe auferlegen. Das ist das Wesentliche des ersten Schrittes der Initiation: die Zurückverlegung dieser Tätigkeit, die vorher der Ätherleib ausgeführt hat, auf den astralischen Leib.
So sehen wir, daß wir, während wir in imaginativen Erkenntnissen leben, uns gewissermaßen zurückziehen von dem physischen Leibe auf den Ätherleib, und dann keine weiteren Spuren in den physischen Leib eingraben. Dadurch geschieht es, daß für den, der diese ersten Schritte der Initiation durchmacht, dieser physische Leib, von dem er sich zurückzieht, objektiv wird, daß er ihn jetzt außerhalb seines astralischen Leibes und Ichs hat. Früher hat er darinnen gesteckt; jetzt ist er außerhalb. Er denkt, fühlt und will im astralischen Leibe. Den Ätherleib beeinflußt er, macht Spuren darin; aber den physischen Leib beeinflußt er nicht mehr, den sieht er jetzt wie etwas Äußeres. Das ist gewissermaßen der normale Gang in bezug auf die ersten Schritte in der Initiation. Er spricht sich im subjektiven Erleben in einer ganz bestimmten Weise aus.
Nun will ich Ihnen zuerst durch eine Art schematischer Zeichnung klarmachen, worin diese ersten Schritte der Initiation bestehen.
Ätherherz in der Originalzeichnung von Rudolf Steiner und bildlich gedeutet als Seelenkalender-Jahreskreis von mir
Nehmen wir an, das sei das menschliche physische Haupt, so sei der Ätherleib um dieses menschliche physische Haupt herum. Wenn nun der Mensch anfängt, dasjenige zu entwickeln, wovon ich gesprochen habe, wenn er anfängt, imaginative Erkenntnisse zu entwickeln, dann vergrößert sich der Ätherleib in dieser Weise, und das Eigenartige ist dabei, daß natürlich dem parallel gehen die Erscheinungen, die wir beschrieben haben als die Ausbildung der Lotusblumen. Der Mensch wächst gleichsam ätherisch aus sich heraus, und das Eigentümliche ist, daß der Mensch, indem er ätherisch also aus sich herauswächst, außerhalb seines Leibes etwas ähnliches entwickelt, möchte ich sagen, wie eine Art Ätherherz.
Als physische Menschen haben wir unser physisches Herz, und wir wissen alle zu schätzen den Unterschied zwischen einem trockenen, abstrakten Menschen, der wie eine richtige Maschine seine Gedanken entwickelt, und einem Menschen, der mit seinem Herzen bei alledem ist, was er erlebt; ich meine, mit seinem physischen Herzen dabei ist. Diesen Unterschied wissen wir alle zu schätzen. Dem trockenen Schleicher, der mit seinem Herzen nicht ist bei dem, was er in der Seele erlebt, muten wir nicht viel zu in bezug auf wirkliche Welterkenntnis auf dem physischen Plan. Eine Art geistiges Herz, das außerhalb unseres physischen Leibes ist, bildet sich aus, parallel all den Erscheinungen, die ich beschrieben habe in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? », so wie sich das Blutnetz bildet und im Herzen sein Zentrum hat. Dieses Netz geht außerhalb des Leibes, und wir fühlen uns außerhalb des Leibes dann herzlich verbunden mit demjenigen, was wir geisteswissenschaftlich erkennen. Nur muß man nicht verlangen, daß der Mensch sozusagen mit dem Herzen, das er im Leibe hat, bei dem geisteswissenschaftlichen Erkennen dabei ist, sondern mit dem Herzen, das ihm außerhalb des Leibes wird; mit dem ist er herzlich bei dem, was er geisteswissenschaftlich erkennt.“ (Lit.:GA 161, S. 241ff, Hervorhebungen A.F.)
Über das Mantra 51 !
Das Mantra 51 ! hat keinen Buchstaben und gleicht dadurch aus, was durch das Mantra 12 !, das ebenso keinen Buchstaben hat, als Differenz entstanden war zwischen der mathematischen Gegenüberstellung der Mantren im Seelenkalender-Jahreskreis und der durch den gleichen Buchstaben bedingten. Schon seine Überschrift “Frühling-Erwartung” verweist auf ein Zukünftiges, zu Erwartendes. (Mehr zur Überschrift siehe Blog 51 !)
Das Mantra 51 ! ist aus einer Außensicht, in der neutral beschreibenden dritten Person geschrieben. Eine selbstbewusste Ich-Instanz gibt es in diesem Mantra nicht. Im Mantra wird deshalb eine seelische Situation beschrieben, die sich dem Willen des tagwachen Ichs entzieht.
Zunächst beschreibt das Mantra, wie sich die Flut der Sinneswahrnehmung, ihr Reichtum, ins Innere des Menschenwesens ergießt. Dieser Tatbestand ist leicht nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass der Mensch im wachen Zustand ständig und gleichzeitig Wahrnehmungen der meisten seiner 12 Sinne hat. Doch auch im Schlaf werden unterbewusst weiterhin Hör- Riech- Wärme- Tast- und Lagewahrnehmungen gemacht, sowie durch den Lebenssinn die Vitalität des Körpers empfunden.
Nun wird das Menschenauge stellvertretend für alle Sinne genannt. In ihm findet sich der Weltengeist. Das, was Geist ist in der Welt, ihre Ordnung und Gesetze, die Weisheit, aus der heraus jedes Geschöpf gebildet ist, all dies vermittelt sich dem Menschen durch die Wahrnehmung. Der Weltengeist ist im Spiegelbild zu finden. Er ist da. Dieses Spiegelbild verstehe ich als die Vorstellung, die man sich aufgrund der Wahrnehmung bildet. Doch gegenwärtig ist der Weltengeist nicht wahrnehmbar für den Menschen. Die Weisheit spiegelnde, den Geist in der geschaffenen Vorstellung schauenden Kraft des Menschenauges ist erloschen. Dieses Auge — wohlgemerkt ein einziges Auge — ist gegenwärtig blind für den Geist. Es muss sich seine Kraft aus dem Weltengeist erst wieder neu erschaffen.
Wie dieses Krafttraining des geistigen Wahrnehmungsorgans erfolgen kann, schildert Rudolf Steiner hier: „Nicht wahr, unser gewöhnliches Geistesleben im wachen Zustande verläuft ja so, daß wir wahrnehmen und eigentlich immer im Wahrnehmen schon das Wahrgenommene mit Vorstellungen durchtränken, im wissenschaftlichen Denken ganz systematisch das Wahrgenommene mit Vorstellungen verweben, durch Vorstellungen systematisieren und so weiter. Dadurch, daß man sich ein solches Denken angeeignet hat, wie es allmählich hervortritt im Verlaufe der «Philosophie der Freiheit», kommt man nun wirklich in die Lage, so scharf innerlich seelisch arbeiten zu können, daß man, indem man wahrnimmt, ausschließt das Vorstellen, daß man das Vorstellen unterdrückt, daß man sich bloß dem äußeren Wahrnehmen hingibt. Aber damit man die Seelenkräfte verstärke und die Wahrnehmungen im richtigen Sinne gewissermaßen einsaugt, ohne daß man sie beim Einsaugen mit Vorstellungen verarbeitet, kann man auch noch das machen, daß man nicht im gewöhnlichen Sinne mit Vorstellungen diese Wahrnehmungen beurteilt, sondern daß man sich symbolische oder andere Bilder schafft zu dem mit dem Auge zu Sehenden, mit dem Ohre zu Hörenden, auch Wärmebilder, Tastbilder und so weiter. Dadurch, daß man gewissermaßen das Wahrnehmen in Fluß bringt, dadurch, daß man Bewegung und Leben in das Wahrnehmen hineinbringt, aber in einer solchen Weise, wie es nicht im gewöhnlichen Vorstellen geschieht, sondern im symbolisierenden oder auch künstlerisch verarbeitenden Wahrnehmen, dadurch kommt man viel eher zu der Kraft, sich von der Wahrnehmung als solcher durchdringen zu lassen. Man kann sich ja schon gut vorbereiten für eine solche Erkenntnis bloß dadurch, daß man wirklich im strengsten Sinne sich heranerzieht zu dem, was ich charakterisiert habe als den Phänomenalismus, als das Durcharbeiten der Phänomene. Wenn man wirklich an der materiellen Grenze des Erkennens getrachtet hat, nicht in Trägheit durchzustoßen durch den Sinnesteppich und dann allerlei Metaphysisches da zu suchen in Atomen und Molekülen, sondern wenn man die Begriffe verwendet hat, um die Phänomene anzuordnen, um die Phänomene hin zu verfolgen bis zu den Urphänomenen, dann bekommt man dadurch schon eine Erziehung, die dann auch alles Begriffliche hinweghalten kann von den Phänomenen. Und symbolisiert man dann noch, verbildlicht man die Phänomene, dann bekommt man eine starke seelische Macht, um gewissermaßen die Außenwelt begriffsfrei in sich einzusaugen.“ (Lit.: GA 322, S. 113f)
Denken und Wahrnehmung müssen zunächst bewusst auseinandergehalten werden. Der Weltengeist kann sich nur spiegeln im Menschenauge, in der Vorstellung, wenn keine eigenen Interpretationen, keine Vorurteile und Bewertungen hineingemischt werden. Gleichzeitig soll die Wahrnehmung in Fluss gebracht werden durch Synnergien anderer Sinnesbereiche und durch symbolisches Verständnis bis hin zum Urbild.
Für mich ist sozusagen die Vorstellung des Seelenkalender-Jahreskreises das “Auge”, das dem Weltengeist die Möglichkeit gibt, nicht nur gespiegelt, sondern auch wahrgenommen zu werden. Im obigen Zitat beschreibt Rudolf Steiner, wie das Ätherherz sich außerhalb des Körpers bildet und mit dem Geistigen in Beziehung steht wie das Herz durch das Blut mit allen Organen. Die zweite Abbildung zeigt, wie dieses Ätherherz ebenfalls als Seelenkalender-Jahreskreis verstanden werden kann.