Die Zwischen-Gegensprüche 6 F und 32 f

6 F

Es ist erstanden aus der Eigenheit

Mein Selb­st und find­et sich

Als Wel­tenof­fen­barung

In Zeit- und Raumeskräften;

Die Welt, sie zeigt mir überall

Als göt­tlich Urbild

Des eignen Abbilds Wahrheit.

32 f

Ich füh­le fruch­t­end eigne Kraft

Sich stärk­end mich der Welt verleihn;

Mein Eigen­we­sen fühl ich kraftend

Zur Klarheit sich zu wenden

Im Lebenss­chick­sal­sweben.

.…

.…

Die Eurythmieformen zu den Zwischen-Mantren 6 F und 32 f

Über den Buchstaben “F”

Das F ste­ht gewis­ser­maßen am Ende ein­er Entwick­lungsrei­he, denn es ist aus dem alten phönizis­chen ‘Waw’, ‘Vav’ (vv) oder ‘Vau’ 𐤅her­vorge­gan­gen. Dieser Waw-Laut umfasste nach Her­man Beckh alle Übergänge zwis­chen dem vokalis­chen U über das stimmhafte W bis zum ver­hauchen­den F. Das V, das im Deutschen mal als F, mal als W gesprochen wird, gehört in diese Rei­he und zeigt einen Rest dieser Klang­var­i­anz. (nach Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 127)

Die Griechen als Erben des phönizis­chen Alpha­betes, teil­ten den Waw Laut in das vokalis­che U und das kon­so­nan­tis­che W bzw. V. Der Vokal wurde durch Y, ‘Ypsilon’ beze­ich­net, der Kon­so­nant durch das Zeichen, das unserem F entspricht und ‘Vau’ oder ‘Bau’ genan­nt wurde. Der Blase­laut V/W/F und der Stoßlaut B wur­den noch als Eins erlebt. Bekan­nt ist diese Ver­wandtschaft aus dem Rus­sis­chen, bei dem der Blase­laut V/W/F mit dem Zeichen B geschrieben wird. Und bei dem er direk­ter hin­ter „B“ an drit­ter Stelle ein­ge­ord­net ist in das „ABC“ {Alpha­bet heißt auf Rus­sisch auch} азбука [ásbu­ka].

Im kirchenslaw­is­chen Alpha­bet wurde der F‑Laut ‘vede’, mit der Bedeu­tung ‘ich weiß’ ver­bun­den. Vede stammt von ‘vede­ti’, ‘wis­sen’. Wie ähn­lich im slaw­is­chen ‘wis­sen’ und ’sehen’ erlebt wur­den, zeigen die fast iden­tis­chen Worte. Wis­sen heißt ‘vede­ti’, Sehen ‘vide­ti’. Dieses ‘Vede’ hängt zusam­men mit altindisch ‘veda’, griechisch ‘voi­da’ mit der­sel­ben Bedeu­tung. Im griechis­chen Alpha­bet ging dieses F ver­loren. Die Wortver­wandtschaft von ‘veda’ lässt sich weit­er­ver­fol­gen: gotisch ‘wait’, altisländisch ‘veit’, angel­säch­sisch ‘wat’, alt­säch­sisch ‘wet’, althochdeutsch ‘weiz’ und schließlich neuhochdeutsch ‘weiß’, also ‘ich weiß’. Das indis­che ‘veda’, das ‘Wis­sen’, von dem auch die indis­chen Veden ihren Namen haben, ist also das gle­iche Wort wie das slaw­is­che ‘vede’, ‘ich weiß’.

Diesem Charak­ter des Wis­sens entsprechend beschreibt Rudolf Stein­er das F: “Das F ist vielle­icht schw­er zu empfind­en in dem heuti­gen sprach­lich so ver­schrumpel­ten Leben. Aber es kann einem zu Hil­fe kom­men eine Reden­sart, die ziem­lich all­ge­mein gebraucht wird. Man sagt näm­lich, wenn ein­er über etwas Bescheid weiß: ein­er ken­nt die Sache aus dem FF. Und in den Mys­te­rien sagte man über das F: Wenn jemand das F spricht, stößt er den ganzen Atem aus: der Atem aber ist das­jenige, wodurch die Got­theit­en den Men­schen geschaf­fen haben, was also die ganze men­schliche Weisheit im Winde enthält. … Sodass alles das­jenige, was der Inder ler­nen kon­nte, indem er in der Yoga-Philoso­phie den Atem beherrschen lernte, dadurch sich mit inner­er Weisheit füllte, er dann fühlte, wenn er das F ausstieß … Man machte seine Yoga-Übun­gen, deren Tech­nik darin­nen bestand, dass man inner­lich fühlte die Organ­i­sa­tion des Men­schen, die Fülle der Weisheit. Und im Aussprechen des F fühlte man, wie einem die Weisheit im Worte bewusst wurde. F kann daher nur richtig emp­fun­den wer­den, wenn man auch noch nach­fühlt, wie eine gewisse Formel … in den ägyp­tis­chen Mys­te­rien lautete: Willst du anzeigen, was die Isis ist, die da weiß das Ver­gan­gene, das Gegen­wär­tige und das Zukün­ftige, die niemals ganz enthüllt wer­den kann, so musst du es in dem Laute F tun. Das sich Erfüllen mit der Tech­nik des Atems, das Erleben der Isis im aus­ge­haucht­en Atmungsvor­gange ist im F. Sodass eigentlich F nicht ganz genau, aber annäh­ernd gefühlt wer­den kann als: ‘Ich weiß’. (GA 279 in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 128)

Den tradierten griechis­chen F‑Laut, das Phi, gibt das slaw­is­che Alpha­bet durch das selbe Zeichen mit dem Namen ‘fert bzw. phert’ wieder. Die Bedeu­tung des Namens ist unsich­er. Ein­er­seits kön­nte es mit dem per­sis­chen ‘Ferz’, dem klug agieren­den ‘Feld­her­ren’ zusam­men­hän­gen, der gle­ichzeit­ig der ursprüngliche Name der zweit­en Schachfig­ur war. Dieser Name wurde von den Fran­zosen in ‘vierge’ abge­wan­delt und so wurde aus dem Feld­her­rn die Köni­gin, die Spielfig­ur “Dame”. Als zweite Vari­ante kön­nte ‘fert’ ‘Pferd’ bedeuten. Schon beim gotis­chen Namen des E, ‘ehu’ mit der Bedeu­tung ‘Pferd’ fand sich der Zusam­men­hang des Pfer­des mit der men­schlichen Intel­li­genz. Rudolf Mey­er schreibt: Die Seele kon­nte in alten Kul­ture­pochen noch nicht den Gedanken in Frei­heit hand­haben. Triebe, die viel klüger waren als der Kopf, lenk­ten und belehrten sie. So ent­stand die Imag­i­na­tion des Zen­tau­ren. Ein Zen­taur war z.B. noch der weise Lehrer der griechis­chen Heroen, Chi­ron; aus ihm sprach nicht men­schliche Ver­nun­ft, son­dern die aus Natur­trieben auf­steigende Weisheit. … Aber diese Stufe, da der Men­sch noch mit dem Pferde zusam­mengewach­sen war, musst über­wun­den wer­den. Nun wird der Men­sch erst zum Reit­er. Er lernt selb­st das Pferd lenken. Damit begin­nt er, die trieb­haften Weisheit­skräfte von seinem Ich aus zu meis­tern.” (Rudolf Mey­er, in Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 131f)

Worte, die aus dem Griechis­chen stam­men wie ‘Physis’, also der physis­che Kör­p­er, zeigt das Phi als F. Im Griechis­chen bedeutet ‘phýein’ ‘her­vor­brin­gen, erzeu­gen’ und ‘phý­sis’ die ‘Geburt’, ‘phylé’ ist der ‘Volksstamm’.

Im Gotis­chen gibt es einen Urlaut, ‘uuaer’, ‘hver’, ver­mut­lich das ‘Rad’, dessen Zeichen entspricht dem Son­nen­ze­ichen, dem Kreis mit Punkt in der Mitte. Der Lautwert des nur im Gotis­chen auftre­tenden Lautes ist HV, H mit Lip­pen­run­dung. In diesem ein­heitlichen Laut sind H und ein zarter Blase­laut, ein zartes V/F noch vere­int. Die Urweisheit der Sonne ist noch nicht men­schliche Intel­li­genz gewor­den. Rudolf Stein­er sagt: “Im F‑Laut suchen wir das Geistige im Innern … [und] im H‑Laut suchen wir das Geistige im Äußeren.” (GA 315 in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 137)

Das Geistige im Außen und im Innern zu find­en, sagt Rudolf Stein­er, ver­mochte der alte Inder: “Das waren Fähigkeit­en, die in der alten atlantis­chen Zeit bei allen Men­schen vorhan­den waren. Eine einzige Volks­ge­mein­schaft der nachat­lantis­chen Zeit, die alte indis­che, gab es, die bei­de Anla­gen in sich vere­inigte; durchzu­drin­gen durch die äußere Maja und hin­aufzusteigen in die geisti­gen Wel­ten dahin­ter, wie auch hinein sich zu leben in das eigene Innere, in die tief­sten Unter­gründe der mys­tis­chen Versenkung, und durch den Schleier des eige­nen See­len­lebens die geisti­gen Wel­ten zu finden.

Blick­te da hin­aus die Seele des alten Inders, so erschienen ihr ätherische Gestal­ten, sie kam bis zum Schauen der Äther­sphäre und man sah das alles gestal­tet zu der äußeren Göt­ter­welt. Das indis­che Bewusst­sein nan­nte das, was da draußen sich aus­bre­it­et das ‘Tat’, das ‘Das’. Und um auszu­drück­en, dass der Men­sch von der­sel­ben Wesen­sart ist wie dieses ‘Tat’, wie dieses ‘Jenes’, wie dieses ‘Es’, sprach er dieses Urteil aus: ‘Ich bin dieses Tat — Tat twam asi: Das da draußen, das bist Du selb­st.’ Aber er wusste zu gle­ich­er Zeit, dass dieselbe Wesen­heit auffind­bar ist, wenn man in das eigene Innere hinein­schaut. Dann stelle ich mich in die richti­gen Beziehung, wenn ich das Urteil jet­zt ausspreche: Ich bin Brah­man — aham brah­ma asmi.” (GA 113 in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 137)

All­wis­sende Frauen waren die drei Nor­nen der nordis­chen Mytholo­gie, die im römis­chen Reich als die ‘tria fata’ bekan­nt waren, die drei Matro­nen. Das lateinis­che Wort für Schick­sal, ‘fatum’, hängt mit diesen weisen Frauen zusam­men. Daraus wurde das deutsche Wort Fee, das durch keltischen Ein­fluss eine mehr elfe­nar­tige Bedeu­tung erlangte.

Das F ist zunächst der Laut der gefühlten, aus dem eige­nen Inneren stam­menden Weisheit. Rudolf Stein­er sagt: “Das F ist das Bewusst­sein von dem Durch­drun­gen­sein mit der Weisheit. Wenn man das eigene Wesen zuerst in sich empfind­et, und dann es in dem Aushauchen, in dem Ausat­men erlebt … dann hat man das F. Man erlebt die Weisheit sein­er selb­st, gewis­ser­maßen den eige­nen Äther­leib im Aushauchen. In dem F haben wir sehr genau drin­nen die Nachah­mung dieses so viel sagen­den bewussten Aushauchens.” (GA 279 in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 133)

Als dieses ursprüngliche Erleben der Weisheit ver­loren ging, entschwand auch der ele­mentare Zugang für das F und es wurde der Laut des Wis­sens, des find­i­gen, sog­ar spitzfind­i­gen Erfind­ers. Mit gespitzten Lip­pen erscheint und wird der Men­sch ‘pfif­fig’ — und ‘pfeift’ auf jede Ord­nung. Homer nan­nte Odysseus “lis­ten­re­ich”. Homer schildert in ihm den mod­er­nen Men­schen, denn Odysseus zeich­nete sich bei seinen Aben­teuern durch lis­ten­re­iche Ideen aus. Gle­ichzeit­ig hat­te er seine Heimat ver­loren und irrte zehn Jahre umher, bis er wieder nach Hause fand.

Der luz­iferische Ein­fluss mit dem Sün­den­fall macht sich gel­tend im Verb ‘fall­en’, das mit dem lateinis­chen ‘fall­ere’, ‘täuschen’, zusam­men­hängt, eben­so in den Worten ‘falsch’, ‘fies’, ‘Fede’ (Stre­it), ‘Falle’ und ‘Teufel’. Zugle­ich ist das F auch der Laut des Schö­nen, der Farbe, des Funkelns, des Feuers, der Frei­heit und Freude. Das griechis­che Phi-Zeichen ste­ht in der Math­e­matik oft für die Zahl des Gold­e­nen Schnittes, der Har­monie der Proportionen.

Das gotis­che Alpha­bet ken­nt den eigentlichen F‑Laut als ‘fe’, eigentlich ‘fai­hu’ (ai = e) mit der Bedeu­tung ‘Vieh’, ver­bun­den mit der über­tra­ge­nen Bedeu­tung ‘Gold, Geld, Vermögen’.

Ein isländis­ch­er Runen­reim lautet folgendermaßen:

Aurum ist Gold

Gold ist Vieh (fé)

Vieh (fé) ist der Runenstab.

(Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 142)

Was ist mit dem Gold und dem Vieh gemeint? Das Gold ist die Erin­nerung an das Gold­ene Zeital­ter der Urzeit, an das Weisheits­gold des dama­li­gen Bewusst­seins. Das instink­tive Wis­sen der Tiere, des Viehs, erin­nerte die Men­schen an diesen Bewusst­sein­szu­s­tand. Pal­las Athene wird ‘kuhäugig’ genan­nt, denn die Kuh verkör­pert diese alte Weisheit, das Pferd dage­gen die men­schliche Intel­li­genz. Die Milch der Kuh erin­nerte die Men­schen an die nährende, weisheitsvolle Urflut, die alles Leben ins Dasein trägt. Auch die Milch­straße am nächtlichen Ster­nen­him­mel ist Bild dieser Erin­nerung. Nicht der einzelne Men­sch hat­te damals Weisheit. Sie lebte in der Gemein­schaft, in der Grup­penseele. Die Weisheit umgab die Men­schen wie die Luft zum Atmen, als sie noch eine “Herde” waren. Hier erlauscht­en sie das Urwort, indisch ‘Vâc’, von dem die Veden erzählen. ‘Veda’, wörtlich ‘Wis­sen’, heißen die alten, heili­gen indis­chen Texte. Im Lateinis­chen heißt die Kuh noch ‘vác­ca’ und legt dadurch Zeug­nis ab von diesem Zusammenhang.

Wer heute etwas wis­sen will, muss sich das Wis­sen durch Ler­nen aneignen, bis er es aus dem FF kann. Auch diesen Aspekt bein­hal­tet das F. Rudolf Stein­er sagt: F ist, “wenn jemand, der einen belehren will, auf ihn los­ge­ht und in irgend ein­er Form F faucht. — Wisse du — (der Andere, zu dem man spricht; F sage ich zu ihm, um ihn aufmerk­sam zu machen, dass ich ihn belehren kann -) ‘wisse, dass ich weiß!’ ” (GA 279 in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 142)

Auch in der Redewen­dung: “Da pfeife ich drauf!” kommt der besser­wis­serische Aspekt des F zum Aus­druck, denn das Objekt wird als unwichtig, als belan­g­los beurteilt. Gle­ichzeit­ig zeigt der Sprech­er, dass ihn dies nicht aus der Ruhe brin­gen kann.

Drei Aspek­te lassen sich für das F, den Laut des Wis­sens unter­schei­den und damit die z.T. fließen­den Übergänge zu anderen Laut­en erk­lären. Als der Men­sch Weisheit und Wis­sen außer­halb von sich im Kos­mos erlebte, fühlte er diese ord­nende, belebende Kraft ein­strö­men in sich mit dem Atem — H, HV. Fühlte er sich stärk­er berührt von den göt­tlichen Kräften, inner­lich vib­ri­erend, so wan­delte sich der Hauch in die Qual­ität des W. Dann erlebte der Men­sch diese Kraft auch in sich, doch zunächst als instink­tive, noch nicht von ihm hand­hab­bare Kraft. Der Zen­taur Chi­ron ist Lehrer der Heroen. Er ist Bild der Intel­li­genz der Grup­penseele, die den einzel­nen Men­schen lenkt. Dieses noch objek­tive, im Men­schen zu find­ende Wis­sen, find­et sich in dem noch zwis­chen F und W wech­sel­nden Blase­laut V. Auch das griechis­che Phi, oft das Zeichen der Har­monie im Gold­e­nen Schnitt, wird dadurch ver­ständlich. Bricht diese Kraft mehr oder weniger explo­siv her­vor, kann sie in der Verbindung PF bzw. in dem Fluk­tu­ieren zwis­chen F und B erlebt wer­den. Erst der mod­erne Men­sch kann wirk­lich von sich sagen: ‘ich weiß’. Erst dieses Wis­sen ist selb­st erar­beit­et und muss auch sel­ber ver­ant­wortet wer­den. Das ist das von der kos­mis­chen Weisheit zum men­schlichen Wis­sen geschrumpfte F. Seine Nähe zum Vokal U liegt in der Furcht, die auf­steigt in der Seele, wenn die Ver­ant­wor­tung dieser kos­misch-men­schlichen Kraft der Intel­li­genz gegenüber gefühlt wird.

Über die Gegensprüche 6 F und 32 f

Die Gegen­sprüche 6 F und 32 f liegen bei­de zwis­chen einem Licht- und einem Krisen­spruch. Sie liegen zwis­chen Licht und Dunkel, zwis­chen Bewusst­sein und Unter­be­wusst­sein. Inter­es­san­ter­weise sind es jedoch die Licht­sprüche, die in der neu­tralen drit­ten Per­son geschrieben sind, also ohne bewussten Ich-Sprech­er, und damit ste­hen sie für ein Bewusst­sein des Men­schen, das sich nicht sel­ber reflek­tieren kann, für ein Bewusst­sein ‘an sich’. Sowohl die Zwis­chen­sprüche als auch die Krisen­sprüche weisen dage­gen dieses andere, dieses per­son­al­isierte Selb­st-Bewusst­sein auf, denn sie sind aus der Per­spek­tive eines Ich-Sprech­ers ver­fasst. Die Licht­sprüche kön­nen deshalb als Aus­druck des Schlaf­be­wusst­seins gele­sen wer­den, die Krisen­sprüche als Aus­druck des Wach­be­wusst­seins. Dazwis­chen befind­et sich das Traum­be­wusst­sein, das sich — kühn gedacht — in den Zwis­chen­sprüchen wiederfind­en müsste. Die See­len­fähigkeit­en des Denkens, Füh­lens und Wol­lens arbeit­en auf je ein­er Wach­heitsstufe der Seele: Denken braucht ein wach­es Bewusst­sein, Fühlen find­et im Traum­be­wusst­sein statt und der Wille arbeit­et im Schlaf­be­wusst­sein, denn die eigentlichen Muskelvorgänge bei der Bewe­gung vol­lziehen sich unbe­wusst. Das Wach­be­wusst­sein ist ein Gegen­stands­be­wusst­sein, das Traum­be­wusst­sein ein Bilder­be­wusst­sein und das Schlaf­be­wusst­sein ist ein Bewusst­sein noch ohne solchen Inhalt.

In den Mantren 6 F und 32 f müsste sich dem­nach das Fühlen und das träu­mende Bilder­be­wusst­sein zeigen. Das ist tat­säch­lich der Fall. Im Mantra 32 f wird die Tätigkeit des Ich-Sprech­ers zweimal als Fühlen benan­nt. Das Mantra begin­nt mit “Ich füh­le …” und in der mit­tleren Zeile heißt es nochmals “Mein Eigen­we­sen fühl ich kraftend …” Das Mantra 6 F schließt damit, dass die Welt dem Ich-Sprech­er zeigt, dass er das wahre Ab-Bild des göt­tlichen Ur-Bilds ist. Er ist Bild. Vorher find­et sich das Selb­st als Wel­tenof­fen­barung in Zeit- und Raumeskräften. Auch eine Offen­barung kann Bild­charak­ter haben, ins­beson­dere wenn es sich um eine Offen­barung des Selb­st in den Raumeskräften handelt.

Im Mantra 6 F beschreibt der Ich-Sprech­er ein inneres Erleb­nis, sein Erleben ein­er großen Verän­derung. War das Selb­st des Ich-Sprech­ers vorher in der Eigen­heit gefan­gen, so hat es sich nun daraus erhoben, ist erstanden — aufer­standen. Das Selb­st ist die Spiegelung des rein geisti­gen Ichs am bzw. im indi­vidu­ellen physis­chen Leib, wie Rudolf Stein­er ein­mal das Selb­st definiert hat: “Und was der Men­sch sein Selb­st nen­nt, ist nicht das wirk­liche Ich, ist das Ich, wie es sich spiegelt im physis­chen Leib.” (GA 145, S. 188) Das in der Eigen­heit gefan­gene Selb­st entspricht also etwa dem All­t­ags-Ich bzw. dem Ego. Doch nun ist das Selb­st des Ich-Sprech­ers befre­it von dieser Eigen­heit und find­et sich neu. Wo find­et sich das Selb­st — oder anders gefragt, woran spiegelt sich das wirk­liche Ich nun? Im Mantra 6 F heißt es, das Selb­st find­et sich als Wel­tenof­fen­barung — in der Offen­barung der Zeitkräfte und der Raumeskräfte. Das Ich spiegelt sich jet­zt nicht mehr nur am eige­nen Leib, son­dern an den Zeit- und Raumeskräften. Diese Kräfte offen­baren ein weit größeres Bild. Sie sind eine viel größere Pro­jek­tions­fläche für das Ich, als der eigene physis­che Leib. Im Jahreskreis erlebe ich die Pro­jek­tion der Zeitkräfte, und ich erlebe im Hor­i­zon­tkreis mit den vier Him­mel­srich­tun­gen die Pro­jek­tions­fläche der Raumeskräfte. Diese bei­den nur gedanklich zu fassenden Kre­is­flächen bilden gemein­sam das göt­tliche Urbild, das die Welt dem Ich-Sprech­er zeigt. Von diesem Urbild ist er sel­ber Abbild. Und dieses Abbild ist die Wahrheit. Das in der Eigen­heit gefan­gene, nur den eige­nen Kör­p­er als Pro­jek­tions­fläche anerken­nende Selb­st war Täuschung. Dieses Bild war ein falsches Bild.

Das Bewusst­sein des Ich-Sprech­ers ist kein Gegen­stands­be­wusst­sein mehr. Es ist ein Traum­be­wusst­sein. Doch der Ich-Sprech­er reflek­tiert sich in diesem Traum­be­wusst­sein, wodurch deut­lich wird, dass es sich nicht um das nor­male Traum­be­wusst­sein han­deln kann. Im Mantra 6 F kommt ein Bewusst­sein zur Gel­tung, das nicht wie das übliche Traum­be­wusst­sein unter der Wach­heit des tag­wachen Gegen­stands­be­wusst­seins liegt, son­dern darüber. Diesen Wach­heits­grad des Bewusst­seins nen­nt Rudolf Stein­er das bewusste Bilder­be­wusst­sein oder das psy­chis­che Bewusstsein.

Der Ich-Sprech­er im Mantra 32 f fühlt seine eigene Kraft fruch­t­end. Die eigene Kraft wirkt also, die Bemühun­gen frucht­en. Die eigene Kraft ist nach mein­er Mei­n­ung die Kraft des Bewusst­seins. Präsent im Hier und Jet­zt zu wer­den, bedarf ein­er Kraftanstren­gung des Bewusst­seins. Je öfter diese Bewusst­wer­dung gelingt, desto stärk­er wird die Kraft des Bewusst­seins und umso präsen­ter ist ein Men­sch in der Welt. Die Präsenz ver­lei­ht den Men­schen der Welt. Er wird wach und hand­lungs­fähig in der Welt.

Nach­dem vom Ich-Sprech­er zuerst die eigene Bewusst­sein­skraft fruch­t­end, also wirk­sam gefühlt wurde, wird im zweit­en Schritt das Eigen­we­sen gefühlt. Dieses Eigen­we­sen gewin­nt fort­laufend an Kraft. Der Ich-Sprech­er fühlt sein Eigen­we­sen kraftend. Das Eigen­we­sen ist mehr als nur Bewusst­sein. Es ist der ganze inkarnierte Men­sch. Aus­ges­tat­tet mit der wach­senden Bewusst­sein­skraft kann sich das Eigen­we­sen — der Men­sch als Ganzes — zur Klarheit wen­den im Weben des Schick­sals. Erschienen viele Ereignisse des Schick­sals früher zufäl­lig, wirr und unge­ord­net, weil er sein Leben eher wie im Traum lebte und nicht wach war für die weisheitsvolle Ord­nung, so ändert sich das nun mit erhöhter Wach­heit. Klarheit erscheint, die Lebens­fä­den kön­nen in ihren Zusam­men­hän­gen erkan­nt wer­den. Eine innere Umwen­dung geschieht, wenn diese Fäden in zukün­fti­gen Schrit­ten nicht weit­er ver­wirrt, son­dern nach und nach geord­net wer­den. Der Ich-Sprech­er fühlt, dass sein Eigen­we­sen im Begriff ist, die dazu erforder­liche Kraft zu entwick­eln. Auch dieser Ich-Sprech­er wächst über das alltägliche Gegen­stands­be­wusst­sein hin­aus. Er fühlt und erken­nt füh­lend. Sein Bewusst­sein kann als psy­chis­ches Bewusst­sein ange­se­hen wer­den. Im “Lebenss­chick­sal­sweben” erscheint zum Schluss und wie zur Bestä­ti­gung des vom Ich-Sprech­er errun­genen Bilder­be­wusst­seins das Bild-Wort des Webens.

Der Ich-Sprech­er des Mantras 6 F weiß durch sein Bilder­be­wusst­sein. Und dieses Bilder­be­wusst­sein entspricht dem ural­ten hell­sichti­gen Bewusst­sein des ursprünglichen, umfassenden F, “ich weiß”, nun mit gle­ichzeit­ig wachem Ich­be­wusst­sein. Dieser Ich-Sprech­er weiß, weil er sieht, weil das Wis­sen ihm von außen als Wel­tenof­fen­barung zukommt.

Der Ich-Sprech­er des Mantras 32 f weiß durch sein Fühlen. Hier kommt die Erken­nt­nis von innen. Sie ist nicht belehrend, besser­wis­serisch, son­dern auf das Wohl aller ori­en­tiert. So kön­nen die Schick­sals­fä­den von einem Wis­senden in einem wun­der­schö­nen Muster ver­webt werden.