49 x

Ich füh­le Kraft des Weltenseins:

So spricht Gedankenklarheit,

Gedenk­end eignen Geistes Wachsen

In fin­stern Weltennächten,

Und neigt dem nahen Weltentage

Des Innern Hoffnungsstrahlen.

Zentrale Worte des Mantras 49 x: Weltensein, Weltennächte und Weltentag

Drei “Welt”-Worte find­en sich im Mantra 49 x, deren Sinn sich nicht ohne weit­eres erschließt: die Kraft des Wel­ten­seins, Wel­tennächte und Wel­tentag. Nacht und Tag ergänzen sich und bilden zusam­men eine über­ge­ord­nete Ein­heit, einen Zyk­lus: in diesem vere­inen sich Wel­tennacht und Wel­tentag zu einem Wel­tenzyk­lus. Ist dieser Wel­tenzyk­lus in sein­er Gänze das Weltensein?

Ein Aus­druck der Kraft des Wel­ten­seins ist möglicher­weise die stetige Verän­derung, der stetige Wan­del, dem alles unter­wor­fen ist — sog­ar die fes­ten Steine; und dieser Wan­del gliedert sich zunächst in zwei gegen­sät­zliche Bewe­gun­gen: das Entste­hen und das Verge­hen von etwas. Die Wel­tennächte sind die Zeitspanne, in der das Alte in der Dunkel­heit ver­schwindet und sich gle­ichzeit­ig das Neue vor­bere­it­et. Der Wel­tentag ist das Momen­tum des In-Erschei­n­ung-Tretens dieses Neuen — bis es wiederum in ein­er neuen Wel­tennacht verschwindet.

“Als Man­van­tara (skrt. मन्वन्तर, Zusam­men­ziehung von manu-antara, wörtlich das Lebens- oder Zeital­ter eines Manu) oder Wel­tentag wird in Anlehnung an die an den Hin­duis­mus anknüpfende indisch-theosophis­che Ter­mi­nolo­gie die äußere Offen­barung eines plan­e­tarischen Entwick­lungszu­s­tandes beze­ich­net. Jedes Wel­tensys­tem macht im Zuge sein­er Entwick­lung sieben solch­er äußer­lich offen­bar­er Zustände durch, die jew­eils durch eine Wel­tennacht, ein sog. Pralaya, voneinan­der getren­nt sind, während der sich das Wel­tensys­tem voll­ständig aus der äußeren Offen­barung zurückzieht. Jedes Man­van­tara wird dabei von einem ganz bes­timmten Manu geleitet.”

“Als Pralaya (skrt. प्रलय „Unter­gang, Zer­störung“) oder Wel­tennacht wird jen­er Zwis­chen­zu­s­tand beze­ich­net, während dem sich ein in Entwick­lung begrif­f­enes Wel­tensys­tem voll­ständig aus der äußeren räum­lichen Offen­barung, dem sog. Man­van­tara oder Wel­tentag, in ein rein geistiges Dasein zurückzieht.

Unser Plan­eten­sys­tem macht im Zug sein­er Entwick­lung sieben Verkör­pe­run­gen durch, die als die sog. 7 okkul­ten Plan­eten beze­ich­net wer­den, und zwis­chen jed­er dieser äußeren Verkör­pe­run­gen liegt ein gross­es Pralaya. Unser heutiges Plan­eten­sys­tem, dem auch unsere Erde (Plan­et) ange­hört, ist die vierte und mit­tlere dieser äußeren Wiederverkörperungen.

Jed­er einzelne der okkul­ten Plan­eten entwick­elt sich wiederum in ein­er Abfol­gen von sieben Leben­szustän­den oder Run­den. Zwis­chen jed­er Runde liegt ein kleines Pralaya.” (Anthrowiki.at, Man­van­tara sowie Pralaya)

Die “Welt”-Worte im Seelenkalender

In den Mantren des See­lenkalen­ders kommt “Welt” alleine bzw. als Wort­teil auf­fal­l­end häu­fig vor. Die Tabelle gibt eine Über­sicht über die einzel­nen Vari­anten und Wiederholungen:

Mantra Welt-Worte in 38 Mantren Anzahl: 52 Auch im Mantra: Unter­schiedliche “Welt”-Worte: 33
  1  A Weltenweit­en 1 22 V Wel­tenweit­en
  2  B
  3  C Weltenall 2 Wel­te­nall
  4  D Son­ner­hellte Welt, Men­sch und Welt 3, 4 32 f, 33 g, 46 u Welt
  5  E Weltensein 5 49 x, 52 z Wel­ten­sein
  6  F Weltenof­fen­barung 6 Wel­tenof­fen­barung
  7  G Weltenlichte 7 12 ! Wel­tenlicht
  8  H
  9  I Weltenwärme 8 12 ! Wel­tenwärme
10  K
11  L Weltenschön­heit, Welten-Ich 9, 10 Wel­tenschön­heit, Welten-Ich
12  ! Weltenschön­heits­glanz, Weltenfluge, Weltenlicht, Weltenwärme 11, 12, 13,14  

7 G; 9 I

Wel­tenschön­heits­glanz, Weltenfluge
13  M Geistes Feuerwelten 15 Feuer­wel­ten
14  N Weltendenken 16 48 w Wel­tendenken
15  O Weltenschein 17 43 r Wel­tenschein
16  P
17  Q Weltenwort, Weltenweit­en 18, 19 36 k, 38 m, 40 o, 22 V; 1 A Wel­tenwort
18  R Weltenkeimesworte 20 Wel­tenkeimesworte
19  S
20  T Welten-Dasein 21 Wel­ten-Dasein
21  U
22  V Licht aus Weltenweit­en, Weltenselb­st 22, 23 1 A; 35 i Wel­tenselb­st
23  W Weltenschlaf (bzw. Winterschlaf) 24 (-) Wel­tenschlaf (Win­ter­schlaf)
24  X Weltengeist 25 29 c, 51 ! Wel­tengeist
25  Y
26  Z
27  a
28  b
29  c Weltengeistes Kräfte­quell 26 24 X, 51 !
30  d
31  e
32  f Mich der Welt verleihn 27 4 D, 33 g, 46 u
33  g So fühl ich erst die Welt 28 4 D, 32 f, 46 u
34  h Erweck­end Weltenkräfte 29 Wel­tenkräfte
35  i Weltenselb­st 30 22 V
36  k Weltenwort 31 17 Q, 38 m, 40 o
37  l Weltenwin­ter­nacht, Weltengrün­den 32, 33 Wel­tenwin­ter­nacht, Weltengründe
38  m Weltenwort, Weltenfer­nen 34, 35 17 Q, 36 k, 40 o Wel­tenfer­nen
39  n Weltenwe­sens Licht 36 Wel­tenwe­sens Licht
40  o Herzens Liebewelten, Weltenwortes Feuerkraft 37, 38 17 Q, 36 k, 38 m Liebe­wel­ten
41  p
42  q
43  r Weltenscheine, Weltenkälte 39, 40 15 O Wel­tenkälte
44  s Ver­wirrend sprossend Weltenwer­den 41 45 t Wel­tenwer­den
45  t Weltenwer­den 42 44 s
46  u Die Welt dro­ht zu betäuben 43 4 D, 32 f, 33 g
47  v Weltenschoß 44 Wel­tenschoß
48  w Licht aus Weltenhöhen, Weltendenkens Sicher­heit 45, 46 14 N Wel­tenhöhen
49  x Weltensein, Weltennächte, Weltentag 47, 48, 49 5 E, 52 z Wel­tennächte, Weltentag
50  y Weltenda­seins Werdelust 50 Wel­tenda­seins Werdelust
51  ! Weltengeist 51 24 X, 29 c
52  z Weltensein 52 5 E, 49 x

Die Verteilung der 52 “Welt”-Worte im Seelenkalender-Jahreskreis

Die Anzahl von 52 “Welt”-Worten kommt zus­tande, wenn das Mantra 23 W in der Fas­sung wiedergegeben wird, wie sie sich in der Fak­sim­i­le Aus­gabe des See­lenkalen­ders von 1912/13 in Rudolf Stein­ers Hand­schrift find­et. Hier ste­ht “Wel­tenschlaf”. Bei der entsprechen­den Eury­th­mieform notierte Rudolf Stein­er jedoch “Win­ter­schlaf”.

Die “Armsprache” der Göttin

Göt­tin mit „Arm­sprache“, Ritzverzierung eines Tonge­fäßes, Bul­gar­ien, 5800 v.Chr.

V‑Zeichen und drei par­al­lele Lin­ien weisen auf die Vogel­göt­tin, die zwei senkrecht­en „Zähne“ möglicher­weise auf die Schlangengöttin

Nach alter Über­liefer­ung bezog die Schlange ihre Kraft aus dem Wass­er und von der Sonne! Die „Arm­sprache“ dieser Schlangengöt­tin erin­nert an das alte Son­nen­ze­ichen, die Swasti­ka. Trotz des großen zeitlichen und räum­lichen Abstands find­et sich in der Indus-Kul­tur (2800 – 1800 v.Chr.) eine Entsprechung. Hier galt die meist blaue , nach links abgewinkelte Swasti­ka als weib­lich, die meist rote , nach rechts abgewinkelte als männlich. Als Win­drad vorgestellt, dreht sich die weib­liche rechts herum und damit mit dem Son­nen­lauf, die männliche links herum, also gegen den Uhrzeigersinn.

Die Göt­tin zeigt die Armhal­tung der weib­lichen Swasti­ka, ihre Drehrich­tung entspricht dem abge­bilde­ten Jahres­lauf. Die Hal­tung der Göt­tin zeigt ein Kreuz und damit die Fes­tigkeit und Ord­nung des irdis­chen Daseins – die „Kraft des Wel­ten­seins“. Ihre abgewinkel­ten Arme inter­pretiere ich als Hin­weis auf die Hal­b­jahre. Ihr link­er (vom Betra­chter rechte) Arm ist nach oben gerichtet und ste­ht für das Win­ter-Hal­b­jahr. Der aufgerichtete Arm weist auf das in den Wel­tennächt­en stat­tfind­ende geistige Wach­sen hin — eine hin­auf­führende innere Bewe­gung, die dem Men­schen durch seine Fähigkeit zu denken möglich ist. Dem recht­en (vom Betra­chter linken), nach unten geneigtem Arm der Göt­tin entsteigt die Vielfalt der Erschei­n­un­gen des Som­mer-Hal­b­jahres — der Wel­tentag, der alles sicht­bar macht.

Die Göt­tin sel­ber verkör­pert den Über­gang, die Gren­ze der bei­den Hal­b­jahre. Sie ste­ht zwis­chen dem ver­gan­genen Win­ter-Hal­b­jahr und dem kom­menden Som­mer-Hal­b­jahr — und damit auch zwis­chen Ver­gan­gen­heit und Zukun­ft. Die Göt­tin sel­ber hält das Gle­ichgewicht der Gegenwärtigkeit.

Embryologie — Menschen-Ich-Stufe

Die vierte Stufe der Embry­ona­len­twick­lung ist die Men­schen-Stufe. Voraus­ge­gan­gen war: die Min­er­al-Stufe abge­bildet im Krisen­spruch 46 u, die Pflanzen-Stufe im Mantra 47 v und die Tier-Stufe im Licht­spruch 48 w. Jaap van der Wal schreibt über diese vierte Stufe:

„Bei dieser vierten Phase han­delt es sich um den Über­gang vom Tier zum Men­schen. Oder soll­ten wir von ein­er Umkehrung sprechen? Diese Frage bringt uns direkt in die gegen­wär­tige Auseinan­der­set­zung zu der Frage, ob der Men­sch ein Tier ist oder nicht. Wenn wir … [die Abbil­dung unten anse­hen], kön­nen wir erwarten, dass wir wieder eine gegen­sät­zliche Gebärde zwis­chen Tier und Men­sch antr­e­f­fen. Um dies zu begreifen, ist es notwendig, zwis­chen Selb­st­be­wusst­sein und Bewusst­sein der Umge­bung zu unter­schei­den. In unseren vorheri­gen Über­legun­gen haben wir gese­hen, wie tier­liche (astrale) Emanzi­pa­tion gle­ichzeit­ig Bewusst­sein ermöglicht. Mit der Erschaf­fung ein­er inneren Welt gegenüber der Umge­bung entste­ht die Möglichkeit von Bewusst­sein, die Außen­welt kann nun wahrgenom­men wer­den. Dies kann man sich leicht vorstellen. Die Bedin­gung für dies Bewusst­sein ist Tren­nung, (Abstand). Eine ähn­liche Sit­u­a­tion kön­nen wir in der Dynamik und Mor­pholo­gie des Embryos … beobacht­en. In [der] Abbil­dung [unten] deutet Hart­mann an, wie der Men­sch eine grundle­gende neue Rich­tung ein­schlägt. Diese neue Rich­tung kön­nte man als das Find­en eines Stand­punk­tes sein­er eige­nen inneren Welt, d.h. aller eige­nen Erfahrun­gen und Gefüh­le, gegenüber, beschreiben. Das Wort Stand­punkt kön­nte man fast wörtlich nehmen. Daher der Punkt in der Mitte des men­schlichen Dia­gramms in Hart­manns Tabelle. … Wir kön­nen einen Mit­telpunkt in uns selb­st spüren, welch­er sich davon bewusst ist, dass wir bewusste Wesen sind.” (Jaap van der Wal, Dynamis­che Mor­pholo­gie und Embry­olo­gie 2012, S. 98)

 

Haupt­gesten der vier Natur­re­iche in Bezug auf den Raum, auf Mitte und Periph­erie sowie auf Innen und Außen (nach O. J. Hart­mann, Die Gestalt­stufen der Natur­re­iche und das Prob­lem der Zeit, 1945)

a) Kristallin-min­er­alisch, wachsend

b) Pflanze, nach außen wachsend

c) Tier, nach innen wachsend

d) Men­sch, darüber­hin­aus wach­send “ent-wach­send“

(Jaap van der Wal, Dynamis­che Mor­pholo­gie und Embry­olo­gie, S. 6)

Jaap van der Wal fährt fort: “Teil­hard de Chardin drückt es auf die fol­gende Art und Weise aus: <Das Tier weiß etwas, aber der Men­sch weiß, dass er es weiß.> Diese Redewen­dung kön­nte man noch mit zahlre­ichen anderen ergänzen, wie zum Beispiel, <das Tier denkt, aber der Men­sch weiß, dass er denkt>, <das Tier fühlt, aber … usw.> Die Anthro­poso­phie weist hier­für auf das Ich des Men­schen. Dies ist das Ele­ment, welch­es fähig ist, sich über sich selb­st zu äußern, oder mit anderen Worten, das sich selb­st gegenüber­ste­hen kann. Das wird auf der Abbil­dung als <Punkt> angegeben, als der Stand­punkt. Ist das nun die neue Rich­tung, über die wir reden? Wenn wir uns aufs Neue in die astrale Krüm­mungs­ge­bärde … ein­leben, kön­nen wir diese als begren­zt erleben. Sie find­et ihren Abschluss in einem Zus­tand des Abgeschlossen-seins. Die Delam­i­na­tions­be­we­gung endet in einem geschlosse­nen Kreis mit einem inneren Raum. Welche Bewe­gung ste­ht dieser gegenüber und befre­it uns aus diesem Zus­tand? Der hol­ländis­che Arzt L.F.C. Mees charak­ter­isierte das Tier mit dem Aus­druck nach innen wach­sen und den Men­schen mit entwach­sen. Welche Bewe­gung entwächst dem Astralen?

Die entsprechende Mor­pho­dy­namik ist sich streck­en oder sich aufricht­en. Die aufgerichtete Hal­tung ist eine Leis­tung, die dem Men­schen vor­be­hal­ten ist. … diese Behaup­tung [wird] … durch alles, was über die Evo­lu­tion geschrieben wor­den ist, unter­mauert. Wenn wir hier über Aufrich­tung sprechen, meinen wir damit nicht die Zweibeinigkeit oder Zweifüßigkeit. Dieses Merk­mal haben wir zum Beispiel mit den Pin­guinen und den Kän­gu­rus gemein­sam. Worauf hier hingedeutet wird, ist die Tat­sache, dass wir unseren Kopf auf unserem Rumpf im Gle­ichgewicht hal­ten und den Rumpf wiederum auf den unteren Extrem­itäten. Der Schw­er­punkt des Rumpfes ober­halb des Hüft­ge­lenks ist nicht etwas nach vorn ver­lagert, wie das bei den Men­schenaf­fen der Fall ist, oder durch das <Bre­it­beinig-ste­hen> ermöglicht, wie das beim Kän­gu­ru der Fall ist. Um sich diese Hal­tung aneignen zu kön­nen muss man die notwendi­gen kör­per­lichen Voraus­set­zun­gen erfüllen. Darum kann man von einem Streck­prozess im Laufe der Somato­ge­nese während der Embry­ona­len­twick­lung aus­ge­hen. Was damit erre­icht wird, ist eine Kör­pergestal­tung, die Gle­ichgewicht, Bal­ance ermöglicht, nicht nur eine Aufrecht-Fort­be­we­gende son­dern eine mich Aufrecht-Erhal­tende und Stehen-Bleibende. …

Während des Streck­prozess­es emanzip­iert sich der Kopf und das Beck­en aus dem runden/ovalen Wesen, welch­es der Embryo während der vierten Woche noch ist. Allmäh­lich verdeut­licht entste­hen der Hals und der Rumpf. … Sowohl der Kopf wie auch der Rumpf kommen<heraus>. Der Kopf wächst kra­nial weg vom Rumpf, wodurch der Hals entste­ht, das Beck­en <wen­det> sich kau­dal weg um Rumpf und find­et seinen Platz darunter, wodurch die Taille entste­ht. [Kau­dal (lat. cau­da “Schwanz” schwanzwärts oder fußwärts) und kra­nial (kopfwärts) sind anatomis­che Lage­beze­ich­nun­gen. A.F.] Dies stellt die sicht­bare Streck­ung dar. Der Impuls hier­für kommt von innen und rührt von der Aus­dehnung des Gehirns her, wodurch die charak­ter­is­tis­chen Flex­uren zwis­chen den ver­schiede­nen Zonen des Gehirns entste­hen. Dies ist typ­isch für den Men­schen. Hier­durch kommt eine räum­liche Befreiung der Gehir­nen­twick­lung zus­tande, welche nun keine Fort­set­zung der Rump­fachse mehr ist. Man kön­nte diesen ganzen Prozess als Ent-fal­tung beze­ich­nen; der zusam­mengerollte Embryo fal­tet sich auseinan­der. Der Prozess geht vom Kra­ni­um aus, wo er mit dem Gehirn begin­nt, dann den ganzen Kopf und schließlich den Hals mit ein­schließt. Dann fol­gt die For­mung der Taille und die <Emanzi­pa­tion> des Beck­ens vom Rumpf.

… Wenn der Kopf und das Beck­en sich erst ein­mal aus der Krüm­mung befre­it haben, sind die notwendi­gen Voraus­set­zun­gen für die aufrechte Hal­tung des Men­schen geschaffen.

Was hier geschieht, ist jedoch mehr als eine Streck­ung. Hier begin­nt sich gle­ichzeit­ig auch eine Polar­ität zwis­chen dem Kopf ein­er­seits und den Extrem­itäten ander­er­seits zu entwick­eln. Die Emanzip­ierung­s­ten­denz des Tier-(astral) Prozess­es wird schein­bar im Kopf beibehal­ten. Dies ist eigentlich eine Bedin­gung für das richtige Funk­tion­ieren dieses <Pols> beim Men­schen. … Dem gegenüber begin­nen sich die Extrem­itäten zu entwick­eln. Bis zu diesem Zeit­punkt war die Nei­gung dazu im Embryo so gut wie abwe­send. Während sich der Streck­ung­sprozess im Kopf (ober­er Pol) abspielt, streben gle­ichzeit­ig die Extrem­itäten (Radi­en) der Periph­erie zu. Es ist, als ob sich die men­schliche Gestalt zwis­chen Abschließen (<hier>), näm­lich dem Kopf, und Sich-Öff­nen (<dort>), näm­lich den Extrem­itäten, polar­isiert. Es ist nicht allzu schwierig, die zwei Pole der Polar­ität in den Gebär­den des Kopfes und der Extrem­itäten … zu erken­nen. <Sich-Streck­en> und <Aufrecht-Gehen> sind eben­falls Bilder des Gle­ichgewichts zwis­chen polaren Ten­den­zen: <Sich-der-Erde-zuwen­den> oder <Sich-von-ihr-abwen­den>. Dies stellt wiederum eine Man­i­fes­ta­tion der Polar­ität des Radius gegenüber der Kugel dar. …

Was sagt uns das über die Dynamik des Ich und die Frage über Men­sch ver­sus Tier? Die Gebärde des Streck­ens und Ent­fal­tens ist mit dem Frei­w­er­den von <innen her> ver­bun­den. Wir suchen nach ein­er neuen Ten­denz (Rich­tung), nach etwas, welch­es nicht die Fort­set­zung des Tierhaften/Astralen ist (welch­es sich in der ganz typ­is­chen Krüm­mung der entsprechen­den Dynamik aus­drückt). Gibt es etwas, welch­es dem gegenüber­ste­ht und sich davon befre­it? Wir sagen, dass ein neues dynamis­ches Zen­trum in der starken Polar­ität zwis­chen Kopf und Extrem­itäten entste­ht, welch­es wed­er der eine Pol (Kopf, astral, Tier, geschlossen) ist noch der andere (Extrem­itäten, ätherisch, pflanzen­haft, offen). Dadurch, dass der Men­sch die aufrechte Hal­tung beibehält, ist er ein Wesen des Gle­ichgewichts. Man kann es auch als ein Zen­tri­eren und Zu-Sich-Selb­st-Kom­men beschreiben: im Men­schenkör­p­er <bringt die Schw­erkraft uns zu uns selb­st> sozusagen. Kann man das let­ztere nicht als die anatomisch-mor­phol­o­gis­che Gestal­tung ein­er Ich-Organ­i­sa­tion betra­cht­en? Ein Wesen, das geistig zu sich selb­st kom­men kann (Selb­st­be­wusst­sein), muss diese Gebärde zumin­d­est auch mor­phol­o­gisch und phys­i­ol­o­gisch leis­ten kön­nen (Aufrecht-Gehen und –Ste­hen, Balance).

Man kann die Ten­denz hierzu bei allen höheren Säugetieren ent­deck­en; ver­schiedene For­men des Streck­ens und Ent­fal­tens kom­men auch während ihrer embry­onalen Entwick­lung vor. Aber es beste­ht ein Unter­schied: sie brin­gen diese Gebärde nicht zur Vol­len­dung. … Mit anderen Worten, die Mor­pho­genese beim Men­schen charak­ter­isiert sich durch das Sich-Streck­en und Sich-Aufricht­en, begleit­et vom Ent­fal­ten und Polar­isieren der Arme und Beine, des Kopfes und Beck­ens (alle oberen und unteren Teile); dies ist alles notwendig, um aufrecht ste­hen zu kön­nen und diese aufrechte Hal­tung bis zum Erwach­sen­wer­den beizubehalten.

Aufrecht zu ste­hen ist mehr als nur eine anatomis­che Gebärde, es ist auch eine geistige Gebärde. Es ist eine Gebärde der Zurück­hal­tung, des Beibehal­tens des Gle­ichgewichts in Bezug auf die Schw­erkraft. Beim Tier liegt der Schw­er­punkt immer vor der spinalen Achse, und es ergibt sich dieser Kraft. Zu dem Zeit­punkt, wo das Tier nachgibt, bleibt der Men­sch aufrecht. … <Wider­stand unter­schei­det den Men­schen>, so lautet ein rev­o­lu­tionär­er Slo­gan. Er weist auf eine Eigen­schaft hin, welche ein Kennze­ichen des Ich ist“ (Jaap van der Wal, Dynamis­che Mor­pholo­gie und Embry­olo­gie 2012, S. 99ff).

Dieser gekrümmte Embryo mit der erst nach und nach vom Haft­stiel zur Nabelschnur sich entwick­el­nden, dün­ner wer­den­den Verbindung erin­nert sehr an die Bil­dung der Osterscholle.

Mit Vol­len­dung der vierten Stufe ist der Embryo ein­mal durch alle Natur­re­iche gegan­gen. Was nun fol­gt ist die weit­ere indi­vidu­elle Aus­gestal­tung des Men­sch­seins. Inwiefern weit­ere Übere­in­stim­mungen mit der Embry­ona­len­twick­lung und den Mantren vorhan­den sind, kann ich derzeit noch nicht sagen, wohl aber, dass mit dem Mantra 52 z das Geburt­ser­leb­nis beschrieben wird.

Was geschieht im Mantra 49 x?

Ich füh­le. Dieser Anfang wirkt wie ein Aufwachen oder Auf­tauchen aus den wogen­den Wellen des fließen­den Licht­es, das im let­zten Mantra 48 w strömte; denn dieses Mantra ist beschreibend und ohne bewussten Ich-Sprech­er gestal­tet. Doch nun ist dieser Ich-Sprech­er präsent — das Mantra 49 x begin­nt mit: “Ich füh­le Kraft des Wel­ten­seins.” Dann erst erfährt der Leser, dass die Gedanken­klarheit dies sagt. Sie gibt sich Rechen­schaft über sich sel­ber. Haben wir nicht alle so ein sprechen­des Wesen in unserem Kopf? Führen wir nicht alle in Gedanken Selb­st­ge­spräche mit uns sel­ber? Die Gedanken­klarheit, die hier als Ich-Sprech­er auftritt, ver­ste­he ich als die Fähigkeit, sich sel­ber beobach­t­end und kom­men­tierend gegenüberzutreten. Sich sein­er selb­st bewusst zu wer­den ist die Fähigkeit, die es ermöglicht, sich als ein Ich zu erfassen.

Diese im Men­schen sich mit­teilende, sprechende Gedanken­klarheit sagt: “Ich füh­le Kraft des Wel­ten­seins.” Jede Kraft, die gefühlt wer­den kann, übt Wirkung aus, denn son­st würde nichts gefühlt wer­den. Die Kraft hat eine Wirk-Rich­tung, bzw. ein Bezweck­endes, eine Tele­olo­gie. Sie ist wie ein Strom, der vom Noch-nicht-wirken über das Wirken zum Bewirk­ten geht. Die Kraft, die das klare Denken hier füh­lend erlebt, ist die Kraft des Wel­ten­seins. Denk­end fühlt der Ich-Sprech­er die Kraft, die der Welt das Sein gibt, sie ins Sein führt, zur Erschei­n­ung bringt — und auch wieder aus der Erschei­n­ung hin­aus­führt. Das Wel­ten­sein ist der feste Grund, das ewig Gle­ich­bleibende im Wan­del des Wer­dens und Verge­hens der Welt.

Die Gedanken­klarheit ste­ht an ein­er Gren­ze, einem Über­gang zwis­chen Wel­tennacht und Wel­tentag. Es ist die Zeit des Son­nenauf­gangs. Hier gedenkt sie des Ver­gan­genen und wen­det sich gle­ichzeit­ig dem Kom­menden zu. Sie ste­ht zwis­chen Ver­gan­gen­heit und Zukun­ft — und damit in der Gegen­wart. Ger­ade die Gle­ichzeit­igkeit im Erleben der bei­den Zeitqual­itäten zeigt, dass die Gedanken­klarheit in der Gegen­wart präsent ist, ohne diese zu thematisieren.

Die Gedanken­klarheit gedenkt des Wach­sens des eige­nen Geistes in fin­steren Wel­tennächt­en. Das Win­ter-Hal­b­jahr ist die Zeit des Jahres, in der die Dunkel­heit über­wiegt, die Nächte länger als die Tage sind. Das Leben in der eige­nen Gedanken­welt ver­gle­icht Rudolf Stein­er mit dem Win­ter­da­sein. Denken ist ein Innen­prozess, der Fokus und Konzen­tra­tion erfordert. Um klar denken zu kön­nen, ist es nötig, sich nach außen abzuschließen. So in sich ver­schlossen leuchtet das Licht der Gedanken hell in der Fin­ster­n­is. Die Fin­ster­n­is der Wel­tennacht ist Voraus­set­zung für das Wach­sen des eige­nen Geistes. Was geistig gewach­sen ist und sich wer­dend vor­bere­it­et hat, tritt auch irgend­wann in Erscheinung.

Das Wel­ten­sein ist Wan­del. Auf jede Nacht, und wäre sie noch so fin­ster, fol­gt ein neuer Tag. Dem Licht der Sonne leucht­en die Hoff­nungsstrahlen der Seele ent­ge­gen. Sie dürstet nach dem Licht und neigt ihre Hoff­nungsstrahlen vor dem viel größeren Licht der aufge­hen­den Sonne. Im Som­mer-Hal­b­jahr wird das Licht über­wiegen, die Tage sind länger als die Nächte. Die Wahrnehmungs­seite ist die Som­mer­natur des Men­schen. Hier wen­det sich die Seele nach außen. Hoff­nungsstrahlen sendet sie aus. Zunächst gel­ten diese sicher­lich dem kom­menden Tag. Wie wird er wer­den? Welche Ergeb­nisse des eige­nen Geis­teswach­sens kön­nen sich dort tat­säch­lich ver­wirk­lichen? Doch das ist noch nicht alles. So wie das Win­ter-Hal­b­jahr das Wer­den vor­bere­it­et, ist im Som­mer-Hal­b­jahr der Keim des Verge­hens enthal­ten. Alles, was in Erschei­n­ung getreten ist, wird auch wieder verge­hen. Diesen inbe­grif­f­e­nen Nieder­gang kön­nen nur die Hoff­nungsstrahlen über­brück­en, indem sie den ganzen Zyk­lus, Wel­tentag und Wel­tennacht umfassen. Neigen sich die Hoff­nungsstrahlen deshalb, weil sie schon der absteigen­den Kreis­bahn folgen?

Die Gedanken­klarheit ste­ht an der Gren­ze von Nacht und Tag, von Ver­gan­gen­heit und Zukun­ft, Denken und Wahrnehmung, von Innen und Außen. Mit dem erin­nern­den Gedenken ist das Wach­sen ver­bun­den, eine nach oben gerichtete Bewe­gung — mit dem der Zukun­ft zuge­wandten Strahlen der Hoff­nung dage­gen ein Neigen. Die auf­strebende Bewe­gung im Denken lässt sich leicht nachvol­lziehen. Ich füh­le eine stolze Aufrich­tung, wenn sich mir nach langem Nach­denken endlich ein Sachver­halt schlüs­sig darstellt.

Doch warum ist mit der wahrnehmenden Seele ein Neigen ver­bun­den? Das Wach­sen des eige­nen Geistes in den fin­steren Wel­tennächt­en zeigt sich in wach­sen­dem innerem Licht, das nach Außen strahlen will. Doch dieses innere Licht ist ver­schwindend klein gegenüber der schöpferischen Macht der Sonne. Das men­schliche Gedanken­licht muss sich vor ihrem Licht neigen. Sie ist es, die diese Wun­der der Natur, diese Man­nig­faltigkeit des Lebens zur Erschei­n­ung bringt. Ihre Schöpfer­ma­cht über­steigt diejenige des men­schlichen Denkens bei weit­em. Immer wenn ich genau beobachte, wahrnehme ohne vorher zu wis­sen – wenn ich sehe ohne Vor-Urteil, dann neige ich mich nicht nur äußer­lich, son­dern auch seel­isch. Und nur wenn ich mich vor der Natur demütig neige, offen­bart sie mir ihre Wunder.

Das eigene Geis­teswach­sen fand in vie­len Wel­tennächt­en statt, doch die Hoff­nungsstrahlen neigen sich dem einen kom­menden Wel­tentag. In der Erin­nerung sind offen­sichtlich schon viele Zyklen von Wel­tent­a­gen und ‑nächt­en durch­lebt wor­den. Erin­nert wird aber nur das geistige Wach­sen während der Wel­tennächte. Am kom­menden Wel­tentag darf sich der Geist erproben, um in der näch­sten Wel­tennacht daraus zu ler­nen und weit­er zu wachsen.

Die Gedanken­klarheit vere­int Ver­gan­gen­heit und Zukun­ft in füh­lend-gegen­wär­tigem Erleben. Indem die Gedanken­klarheit sich nicht nach­denk­end in der Ver­gan­gen­heit ver­liert und auch nicht wol­lend der Zukun­ft zus­trebt, bleibt sie in diesem labilen Gle­ichgewicht der Gegenwärtigkeit.

Ohne gedanklichen Inhalt erlebt die Seele im Bewusst­sein die Leere des unendlichen Raumes, aus dem alles her­vorge­ht und in den alles zurück­kehrt — die Ursache für alles Wer­den und Verge­hen. Gle­ichzeit­ig han­delt sie. Sie neigt die aus dem Innern kom­menden Hoff­nungsstrahlen dem nahen Wel­tentag zu. Sie neigt ihr Strahlen demütig. Im Bud­dhis­mus wird geübt, das Denken so zu klären, dass die Leere erlebt wer­den kann, aus der das Sein quillt. Im Chris­ten­tum wurde die Demut geübt. Nicht-Denken und Nicht-Wollen sind zwei Wege zur inneren Entwicklung.

Obwohl das Ich als eigene Instanz im Mantra nir­gends vorkommt, erscheint es umso deut­lich­er als Kraft in den beschriebe­nen Sit­u­a­tio­nen. Es wird sicht­bar im Hal­ten des Gle­ichgewicht­es auf der Gren­ze zwis­chen Ver­gan­gen­heit und Zukun­ft, Innen und Außen. Es zeigt sich, indem es sich in der Gegen­wart hält auf dem schmalen Grat, der Denken und Wahrnehmung, Som­mer- und Win­ter-Hal­b­jahr sowohl tren­nt als auch verbindet. Nur das Ich ist in der Lage, durchzuge­hen durch Wer­den und Verge­hen, Inkar­na­tion und Exkar­na­tion. Das Ich kann die Kraft des Wel­ten­seins fühlen, weil es seine Bes­tim­mung ist, diese Kraft sel­ber zu erwerben.