47 v

Es will erste­hen aus dem Weltenschoße,

Den Sin­nen­schein erquick­end, Werdelust.

Sie finde meines Denkens Kraft

Gerüstet durch die Gotteskräfte,

Die kräftig mir im Innern leben.

Weltenschoß und Werdelust

Das Mantra 47 v spricht von der Werdelust, die aus dem Wel­tenschoß erste­hen will. Um eine konkretere Vorstel­lung davon zu gewin­nen, was zum einen die Werdelust, zum anderen der Wel­tenschoß ist, habe ich bei Rudolf Stein­er nach Darstel­lun­gen gesucht, in denen er diese Begriffe bzw. deren zugrun­deliegende Idee ver­wen­det. Die Her­vorhe­bun­gen in den Zitat­en stam­men von mir.

Wel­tenschoß:

“Diesel­ben Kräfte, die in unserem Mikrokos­mis­chen den Gedanken auf­blitzen lassen, sind die Kräfte, die da draußen im Schoße des Uni­ver­sums den Regen­bo­gen her­vor­rufen. Wie die Deme­terkräfte von draußen in den Men­schen hineinziehen und darin­nen wirk­sam wer­den, so sind es die Kräfte, die draußen den Regen­bo­gen for­men aus den Ingre­dien­zien der Natur — da wür­den sie aus­ge­bre­it­et im Raume wirken -, die in uns drin­nen mikrokos­misch, in der kleinen Welt des Men­schen wirken; da lassen sie auf­blitzen aus dem Unbes­timmten den Gedanken. .…

Und da haben wir das Mikrokos­misch-Sub­stantielle, den Astralleib, und kön­nen nun die Frage, die wir eben aufge­wor­fen haben in bildlich­er Form, in ein­er mehr geis­teswis­senschaftlichen Form aufw­er­fen und kön­nen sagen: Mikrokos­misch ist der astralis­che Leib in uns. Was entspricht dem astralis­chen Leib in den Raumesweit­en draußen, was erfüllt alle Räume, rechts und links, vorne und hin­ten, oben und unten? — Ger­ade so wie der astralis­che Leib in unserem Mikrokos­mos aus­ge­bre­it­et ist, so sind die Raumesweit­en, so ist der uni­verselle Äther durch­zo­gen vom makrokos­mis­chen Gegen­bilde unseres astralis­chen Leibes. Und wir kön­nen auch sagen: Das, was der alte Grieche unter Zeus sich vorstellte, ist das makrokos­mis­che Gegen­bild unseres astralis­chen Leibes. In uns ist der astralis­che Leib, er bewirkt das Aufleucht­en der Erschei­n­un­gen des Bewußt­seins. Außer uns ist die Astral­ität aus­ge­bre­it­et, die aus sich her­aus wie aus dem Wel­tenschoß gebiert den Regen­bo­gen, die Mor­gen- und die Aben­dröte, den Blitz und Don­ner, Wolken, Schnee und so weit­er. Der heutige Men­sch hat nicht ein­mal eine Wort­beze­ich­nung für das, was der alte Grieche sich unter Zeus dachte und was das makrokos­mis­che Gegen­bild unseres astralis­chen Leibes ist.” (Lit.: GA 129, 3. Vor­trag, 20.8.1911, S. 59ff)

Rudolf Stein­er beschreibt Zeus hier erstaunlich “weib­lich”, als den Wel­tenschoß, den kos­mis­chen Astralleib. Vorher hat­te er Deme­ter als eine ganz ähn­liche Kraft dargestellt. Zeus ist die Kraft, die das Bewusst­sein aufleucht­en lässt, Deme­ter dage­gen das, was von außen einzieht und den Gedanken auf­blitzen lässt. Zeus ste­ht makrokos­misch für allum­fängliche Bewusst­sein­skraft, Deme­ter für die in der Wahrnehmung enthal­tene Weisheit, die Gedanken her­aus­fordert. Bei­de wer­den in Verbindung mit dem Schoß, dem “Schoß des Uni­ver­sums” bzw. dem “Wel­tenschoß” gebracht. Der Makrokos­mos in Gestalt von Deme­ter und Zeus erscheint hier als die große Mut­ter, die alle Erschei­n­un­gen aus sich her­aus gebiert. Offen­sichtlich ist dieser Wel­tenschoß sowohl weib­lich als auch männlich. Im See­lenkalen­der find­et sich diese “Zwei-Einigkeit”, die Dop­pel­natur, in den Hal­b­jahren wieder. Die jedem Mantra als Über­schrift beigegebene Ord­nungszahl formt die 52 Mantren des See­lenkalen­der-Jahres zu ein­er Ein­heit. Die außer­dem in der Über­schrift mit­gegebe­nen Buch­staben durch­laufen zweimal das Alpha­bet. Das Jahr wird dadurch auch in Hal­b­jahre geteilt, die durch die Ein­heit ihres jew­eili­gen Alpha­bets zu eine­nen Ganzheit­en geformt wer­den. Erst Gemein­sam bilden diese Hal­b­jahre den Jahreskreis — den Weltenschoß.

In der Frühzeit der Erde­nen­twick­lung, in der polar­ischen und hyper­boräis­chen Zeit, lebte der Men­sch ein pflanzen­haftes Leben, wie heute noch vorüberge­hend der Embryo, sobald der Keim sich in die Gebär­mut­ter ein­genis­tet hat (siehe unten Embry­olo­gie — Pflanzen­stufe). Rudolf Stein­er beschreibt diese Frühzeit des Men­schen folgendermaßen:

„Dann müssen wir bedenken, daß der Men­sch, der das nieder­ste von den höheren Wesen war, damals schon im Keim vorhan­den war als das neue Kind der Erde, getra­gen und gehegt von diesen hohen Wesen, im Schoße dieser göt­tlichen Wesen lebend. Der Men­sch, der in jen­er Zeit lebte, in welch­er wir jet­zt mit unseren Betra­ch­tun­gen in der Erdenevo­lu­tion ste­hen, mußte, weil er noch im Schoße dieser Wesen­heit­en war, auch damals einen viel feineren Leib haben. Und da ergibt sich dem hellse­hen­den Bewußt­sein, daß der Leib des dama­li­gen Men­schen nur bestanden hat aus ein­er feinen Dun­st- und Dampf­form, einem Luft- oder Gasleib, einem vom Lichte ganz durch­strahlten, ganz durch­set­zten Gasleib. Denken wir uns eine regelmäßig gestal­tete Wolke, wie eine nach oben sich erweit­ernde, kelchar­tige Bil­dung, und denken wir uns diesen Kelch durchglüht und durch­leuchtet von dem inneren Lichte, und wir haben die dama­li­gen Men­schen, die eben erst anfan­gen in dieser Erde­nen­twick­elung ein dumpfes Bewußt­sein zu haben, ein Bewußt­sein, wie es heute die Pflanzen­welt hat. Nicht wie die Pflanzen im heuti­gen Sinne waren die Men­schen; sie waren durch­leuchtete und durch­wärmte Wolken­massen in Kelch­es­form und ohne feste Gren­zen, nicht durch feste Gren­zen getren­nt von der Gesamterdenmasse.

Das war ein­mal die Gestalt des Men­schen, eine Gestalt, die ein physis­ch­er Lichtleib war, teil­haftig noch der Kräfte des Licht­es. Deshalb kon­nten sich, wegen der Fein­heit des Leibes, nicht nur hinein­senken ein eigen­er Äther­leib und Astralleib, nicht nur das Ich in den ersten Anfän­gen, son­dern auch die höheren geisti­gen Wesen­heit­en, die mit der Erde ver­bun­den waren. Damals wurzelte der Men­sch noch sozusagen nach oben in den göt­tlich-geisti­gen Wesen, und diese durch­drangen ihn. Es ist wirk­lich nicht leicht, die Her­rlichkeit der Erde von damals zu schildern und eine Vorstel­lung zu geben von jen­er Zeit. Wir müssen uns die Erde als eine licht­durchglänzte Kugel vorstellen, von licht­tra­gen­den Wolken umstrahlt, wun­der­bare Lichter­schei­n­un­gen von wun­der­barem Far­ben­spiel erzeu­gend. Wenn man eine füh­lende Hand hätte hine­in­streck­en kön­nen in diese Erde, man hätte Wärmeer­schei­n­un­gen wahrgenom­men, auf und ab wogend die durchglüht­en, durch­leuchteten Massen, darin alle heuti­gen Men­schen­we­sen, umwebt und umwogt von all den geisti­gen Wesen­heit­en, nach außen hin in grandios­er Man­nig­faltigkeit strahlen­des Licht aussendend! Außen der Erdenkos­mos in sein­er großen Man­nig­faltigkeit, innen der lich­tum­flossene Men­sch, in Verbindung mit den göt­tlichgeisti­gen Wesen­heit­en, von ihnen aus­ge­hend und Ströme von Licht in die äußere Licht­sphäre strahlend. Der Men­sch hing wie an ein­er aus dem Göt­tlichen entsprin­gen­den Nabelschnur an diesem Ganzen, an dem Lichtschoß, dem Wel­tenschoß unser­er Erde. Ein gemein­samer Wel­tenschoß war es, in dem die Lichtpflanze Men­sch damals lebte, sich eins füh­lend mit dem Licht­man­tel der Erde. So war der Men­sch in dieser feinen Dun­stpflanzen­form wie an der Nabelschnur der Erden­mut­ter hän­gend, so war er gehegt und gepflegt von der ganzen Mut­ter Erde. Wie in einem gröberen Sinne heute das Kind gehegt und gepflegt ist im müt­ter­lichen Leibe als Kindeskeim, so war damals gehegt und gepflegt der Men­schenkeim. So lebte der Men­sch damals in der urfer­nen Erden­zeit.“ (Lit.: GA 106, S. 68f)

Zusam­men­fassend lässt sich sagen, dass der Wel­tenschoß ein Lichtschoß ist, die in der Welt aus­ge­bre­it­ete Astral­ität, die den pflanzen­haften Men­schen der Frühzeit in sich barg. Diese Beschrei­bung scheint mir auf den Jahreskreis und die fortschre­i­t­ende Zeit zu passen. Noch heute wird alles Leben von der dahin­fließen­den Zeit getra­gen, gehegt und gepflegt. Der Jahreskreis ist immer noch dieser Wel­tenschoß. Nie­mand kann aus dem Gang der Zeit her­aus­fall­en und gestern oder über­mor­gen leben, denn es gibt nur das sich wan­del­nde Jet­zt. Die geistige Sonne, die im Zen­trum des Jahreskreis­es erblickt wer­den kann, durch­strahlt diesen Zeitor­gan­is­mus mit Licht. Auch über den indi­vidu­ellen Astralleib des Men­schen, der laut Rudolf Stein­er ein Lichtleib ist und das Ich aus sich gebiert, lässt sich sagen, dass er ein Mut­ter­schoß ist. Mit diesem Hin­ter­grund erschließt sich der Name “See­lenkalen­der” neu als Begleitung im Durch­leben des Wel­tenschoßes — der Weltenastralität.

Werdelust:

Plotin (um 205 — 270 n. Chr.), ein antik­er Philosoph, der den Neu­pla­ton­is­mus begrün­dete, sieht in der Werdelust einen zen­tralen Fak­tor für das irdisch Wer­den des Men­schen. Rudolf Stein­er lässt ihn fol­gen­der­maßen lebendig wer­den: „Man sehe, wie Plotin seine geisti­gen Erleb­nisse schildert: «Oft­mals, wenn ich aus dem Schlum­mer der Kör­per­lichkeit erwache, zu mir komme, von der Außen­welt abgewen­det in mich einkehre, so schaue ich eine wun­der­same Schön­heit; dann bin ich gewiß, meines besseren Teiles inne gewor­den zu sein; ich betätige das wahre Leben, bin mit dem Göt­tlichen geeint, und in ihm gegrün­det, gewinne ich die Kraft, mich noch über die Über­welt hin­aus zu ver­set­zen. Wenn ich dann nach diesem Ruhen in Gott aus dem Geistess­chauen wieder zur Gedanken­bil­dung her­ab­steige, dann frage ich mich, wie es zug­ing, daß ich jet­zt her­ab­steige und daß über­haupt ein­mal meine Seele in den Kör­p­er einge­gan­gen ist, da sie doch in ihrem Wesen so ist, wie sie sich mir eben gezeigt hat­te», und «was mag denn der Grund sein, daß die See­len den Vater, Gott, vergessen, da sie doch aus dem Jen­seits stam­men und ihm gehören und so von ihm und sich selb­st nichts wis­sen? Des Bösen Anfang ist für sie der Wage­mut und die Werdelust und die Selb­stent­frem­dung und die Lust, nur sich zu gehören. Es gelüstete sie nach Selb­s­ther­rlichkeit; sie tum­melten sich nach ihrem Sinne, und so geri­eten sie auf den Abweg und schrit­ten zum vollen Abfalle vor, und damit schwand ihnen die Erken­nt­nis ihres Ursprungs aus dem Jen­seits, wie Kinder, früh von ihren Eltern getren­nt und in der Ferne aufge­zo­gen, nicht wis­sen, wer sie und ihre Eltern sind.»“ (Lit.: GA 8, S. 162f) Die Zitate von Plotin stam­men aus den Ennead­en, die sein Schüler Por­phyrios nach dem Tod seines Lehrers veröffentlichte.

Die Werdelust war für Plotin mit dem Wage­mut der Grund allen Übels, dass der Men­schen von einem geisti­gen Wesen zu einem irdis­chen wurde. Im Mantra ist die Werdelust nicht neg­a­tiv kon­notiert, doch muss sich die Denkkraft gerüstet find­en — sie muss vor­bere­it­et sein. Was passiert, wenn die Denkkraft nicht gerüstet ist, wird nicht gesagt, eine gewisse Gefährdung des Men­schen schim­mert jedoch hindurch.

Die Schlangengöttin — die personifizierte Werdelust

Die voraus­ge­gan­gene Krisen­woche (46 u) und die nach­fol­gende Licht­spruch-Woche (48 w) bilden mit der gegen­wär­ti­gen, dazwis­chen­liegen­den Woche (47 v) eine über­ge­ord­nete Ein­heit. Vier solche drei­wöchi­gen Ein­heit­en gibt es im Jahreskreis des See­lenkalen­ders. Jede dieser vier Dreier­grup­pen bringt eine Äther­art zur Erschei­n­ung, welche sind der Leben­säther, der chemis­che Äther, der Lichtäther und der Wärmeäther. Die hier inter­essieren­den drei Wochen wer­den geprägt vom Lichtäther. Der Lichtäther zeigt sich als indi­vidu­elles Bewusst­seinslicht. Dieses Licht wurde im Laufe der Men­schheit­sen­twick­lung Eigen­tum der Men­schen, sie lern­ten zu denken. Das sich entwick­el­nde Bewusst­sein brachte die Kul­turen­twick­lung der Men­schheit in Gang — und das Entwick­lungsstreben jedes einzel­nen Men­schen. Jed­er Men­sch hat heute seinen eige­nen Hor­i­zont des Ver­ständ­niss­es, seine eigene Per­spek­tive. Und das ist gut so!

Die Bibel erzählt, dass es die Schlange war, die Adam, stel­lvertre­tend für die ganze Men­schheit dazu ver­führt hat, sein göt­tlich-uni­verselles Bewusst­sein einzu­tauschen gegen ein indi­vidu­elles, auf Entwick­lung und Ler­nen angewiesenes. Die Ergeb­nisse dieses erwachen­den, neuen, sich denk­end gegenüber­stel­len­den Bewusst­seins waren Acker­bau und Viehzucht und alle Kul­tur – mit den Licht- und Schat­ten­seit­en, die wir kennen.

Ich fand es sehr inter­es­sant ger­ade aus dieser frühen Zeit Darstel­lun­gen der Schlangengöt­tin zu find­en. In vie­len alten Kul­turen wird die Schlange als Bringerin der Weisheit verehrt. Steinzeitliche Darstel­lun­gen der Schlangengöt­tin zeigen neben ein­deutig schlangen­haften Darstel­lun­gen auch ganz untyp­is­che Kör­per­for­men. In der Moldau-Region wur­den Fig­uren gefun­den, die eher an Sch­neck­en erin­nern. Sie wer­den von Archäolo­gen aber als Schlangengöt­tin interpretiert.

Die Schlangengöt­tin, die ich in den Jahreskreis gestellt habe, zeigt zwei zusam­men­liegende Beine, Brüste und einen Kopf. Das Beck­en als mit­tlerer Teil des Kör­pers ist kre­is­för­mig ver­bre­it­ert – und gedrit­telt. Zeigt die Fig­ur damit kün­st­lerisch und geheimnisvoll auf einen Jahreskreis, aus dem die schlangen­haft ver­fließende Zeit her­vorge­ht? Zeigt sie im Bild, wie die zyk­lis­che Zeit sich wan­delt zur lin­earen Zeit?

Ich sehe in dieser Darstel­lung den Über­gang vom Kreis zur Lin­ie, vom kreis­run­den Raum der Gegen­wär­tigkeit zur lin­ear ver­fließen­den Zeit. Ger­ade der Oster-Impuls indi­vid­u­al­isiert das Jahr. Er bewirkt, dass kein Jahr dem anderen gle­icht, da das Oster­da­tum immer neu bes­timmt wer­den muss. Die zu Ostern gehörende Zeit, die Oster­scholle, drit­telt den Jahreskreis. Ein weit­eres Drit­tel liegt im Som­mer-Hal­b­jahr, das andere im Win­ter-Hal­b­jahr. Schon zum Beginn der Kul­turen­twick­lung gab es möglicher­weise eine entsprechende, das Jahr indi­vid­u­al­isierende Idee ein­er Drit­telung des Jahreskreises.

Diese Darstel­lung zeigt auf wun­der­bare Art, wie das Erleben der reinen Gegen­wär­tigkeit, das die Fig­ur der Venus von Wil­len­dorf verkör­pert (46 u), sich zu wan­deln begin­nt in ein lin­ear­es Ver­fließen der Zeit, wie es uns heute ver­traut ist. Nach meinem Empfind­en muss eine Schlange waagerecht kriechen, nicht senkrecht nach oben. Deshalb ist die Schlangengöt­tin wie die Venus von Wil­len­dorf in den Kreis einge­fügt – das Som­mer-Hal­b­jahr oben, das Win­ter-Hal­b­jahr unten (und nicht in das Ei mit den Hal­b­jahren rechts und links). Noch ist der Wan­del zum Weib, das den Mond unter ihren Füßen hat (Apoka­lypse des Johannes), nicht vol­len­det – die Oster­scholle ist noch nicht zum tra­gen­den Fun­da­ment gewor­den, wie die Maria auf der Mond­sichel es später zeigt. Im Mantra deutet sich diese aufrich­t­ende Kraft in dem Wort “erste­hen” an.

Ich habe die Schlangengöt­tin so einge­fügt, dass sie mit ihrem Kopf in der Kar- und Oster­woche auf das bald auss­chlüpfende neue Oster-Jahr hin­deutet. Mit der Oster­woche begin­nt das neue See­len­jahr des See­lenkalen­ders – in der Kar­woche davor endet das alte.

Schlangengöt­tin­nen wer­den oft gekrönt dargestellt. Die unten abge­bildete zweite Fig­ur der Schlangengöt­tin zeigt eine solche gekrönte Göt­tin. Schon die sch­neck­en­hafte Schlangengöt­tin der Moldau-Region verkör­pert den Impuls der Aufrich­tung. Dieser ist bei der gekrön­ten Schlangengöt­tin aus Kre­ta noch deut­lich­er. Ihre übere­inan­dergeschla­ge­nen Beine sehe ich als Jahreskreis­lauf, der stete, zyk­lis­che Wieder­hol­ung darstellt. Aus diesem in der Waagerecht­en ange­ord­neten Kreis der Beine, das Durch­schre­it­en des immer Gle­ichen Zyk­lus anzeigend, erhebt sich der Oberkör­p­er der Schlangengöt­tin und verdeut­licht bewusst erlebte Gegen­wart. Die Kro­ne der Schlangengöt­tin zeigt an, dass ihr Selb­st­be­wusst­sein erwacht ist und ihr Bewusst­sein­sraum eben­so rund ist wie das zyk­lis­che Jahr.

Eine Schlangengöt­tin aus der Cucuteni-Kul­tur, Moldau-Region, 5. Jahrtausend vor Chr. im Jahreskreis (mit Licht- und Krisensprüchen)

 

Eine Schlangengöt­tin mit Kro­ne, Kre­ta um 6000 v.Chr.

Embryologie — Pflanzenstufe

In der Embry­ona­len­twick­lung ste­ht das Mantra 47 v für die Stufe des Pflanzen­re­ich­es, entsprechend der Ein­teilung von Jaap van der Wal. Nun begin­nt tat­säch­lich Entwick­lung. Die Pflanze wächst nach dem Gesetz der Meta­mor­phose. Hier find­et nicht nur Vervielfäl­ti­gung des immer Gle­ichen statt, wie im Min­er­al­re­ich, son­dern Umgestal­tung. Das Eine geht aus dem Anderen her­vor. Da seine Ansicht­en zur Embry­ona­len­twick­lung so neuar­tig sind, zitiere ich ihn aus­führlich, um seine Gedanken bess­er nachvol­lziehbar zu machen.

„Nach der Phase der ersten Woche hat sich die Ein­heit der Zygote zu ein­er Zwei­heit entwick­elt, näm­lich zum Embry­oblast und zum Tro­phoblast als jew­eils einem Innen und einem Außen. Es wäre bess­er beim Embry­oblast und beim Tro­phoblast von einem Zen­trum und ein­er Periph­erie zu sprechen. …

Während der Tage, die fol­gen, tritt bei der Entwick­lung des Embryos eine radikale Verän­derung auf, sowohl in Bezug auf den Charak­ter wie auch auf die Dynamik … Beson­ders die Periph­erie begin­nt eine völ­lig andere Entwick­lung vorzuweisen. Da man­i­festiert sich ab jet­zt eine enorme Wach­s­tums- und Stof­fwech­se­lak­tiv­ität. Der Tropho­plast dehnt sich enorm aus. Die Zell­teilungsak­tiv­ität ist so vehe­ment, dass die Zellen an der Außen­seite sog­ar ihre Struk­tur ein­büßen und zu ein­er Art Zel­len­synzytium … ver­schmelzen. Das Alles macht einen fast bösar­ti­gen Ein­druck, denn der Tro­phoblast über­schre­it­et seine Gren­ze und wuchert in das müt­ter­liche Gewebe hinein. Mit vie­len Enzy­men <ver­daut> der Embryo das endometrische Gewebe der Mut­ter und nis­tet sich immer tiefer in die Schleimhaut der Gebär­mut­ter ein. Der Über­schre­itungscharak­ter wird durch die Tat­sache, dass der müt­ter­liche Organ­is­mus keine Bar­riere schafft, um sich zu <vertei­di­gen>, noch mehr betont: nach eini­gen Tagen bah­nt sich der Embryo sog­ar einen Weg in die müt­ter­lichen Blut­ge­fäße. Jedoch strebt der Embryo noch weit­er der Periph­erie zu, und zwar bis jen­seits der anatomis­chen Gren­zen des Synzy­tiotro­phoblasts! Der Tro­phoblast schei­det Hor­mone aus, deren Men­gen winzig sein mögen …, die aber enorme Kon­se­quen­zen bis in die ferne Periph­erie hinein aufweisen. Der ganze müt­ter­liche Organ­is­mus wird durch sie bee­in­flusst und in einen solchen Zus­tand ver­set­zt, dass er den neuen Organ­is­mus akzep­tieren kann, der ihm im Grunde genom­men ja fremd ist. …

Dieser Tro­phoblast ist viel mehr als das anatomis­che Äußere. Seine dynamis­che Gebärde ist eine, die nach außen strebt, die gren­zen­los ist, die über sich selb­st hin­auswächst. Sie erstreckt sich nach außen und ver­schmilzt mit ihrer Umge­bung, während sie gle­ichzeit­ig Anze­ichen von Wurzeln-Schla­gen und Sich-Fest­set­zen aufweist. Man kön­nte den Tro­phoblast zurecht den periph­eren Kör­p­er des Embryos nen­nen. Die Periph­erie, das <Außen> ist der Ort, wo er mit sein­er Umge­bung inter­agiert, wo sein Stof­fwech­sel und sein Wach­s­tum sich abspie­len, wo er sich aus­bre­it­et. In seinem äußeren Kör­p­er wächst und lebt der Embryo, währen er sich vom Zen­trum zur Periph­erie aus­dehnt. Die Verän­derung von der Rich­tung der ersten Woche ist deut­lich zu erken­nen. Wir haben uns von dem Zus­tand eines abgekapsel­ten <Raum­schiffes> in einen wach­senden, sich aus­bre­i­t­en­den, <um-sich-greifend­en> und inter­agieren­den Organ­is­mus verwandelt. …

Die Gebärde kommt deut­lich zum Aus­druck, wenn man als Gegen­satz das Zen­trum des Embryos berück­sichtigt. Auch beim Embry­oblast zeigen sich Verän­derun­gen, aber die Dynamik ist völ­lig anders. Was hier geschieht, ist eine Dif­feren­zierung in den (Prä-)Ektoderm und den (Prä-)Entoderm … Das Wach­s­tum und das Ver­hält­nis zur Periph­erie sind jedoch völ­lig unter­schiedlich zu dem des Tro­phoblasts. Was wir hier vorfind­en, ist langsames Wach­s­tum mit geringer Dif­feren­zierung aber nicht den For­mver­lust und die Aus­dehnung des Tro­phoblasts. Die Dynamik richtet sich nicht nach außen, son­dern sie wen­det sich eher davon ab und wird hier eine konzen­tri­erende. Es entste­ht nun auch die Amnion­höh­le, und dadurch löst sich das Keim­blatt vom Tro­phoblast. Hier­durch entste­ht eine unge­heure inner­liche Span­nung im Embryo. Ein­er­seits gibt es da nun die Periph­erie (den Tro­phoblast), die nach außen strebt (zen­trifu­gal), ander­er­seits das Zen­trum (den Embry­oblast), das sich <nach innen> richtet (zen­tripedal). … Das Innere und das Äußere des Embry­oblasts und des Tro­phoblasts sind nun als Entozyst (inneres Ei) und Ektozyst (äußeres Ei) man­i­fest gewor­den. Mit Entozyst ist der Kom­plex gemeint, der die Amnion­höh­le, den Dot­ter­sack und die zweiblät­trige Keim­scheibe umfasst gegenüber Ektozyst oder Tro­phoblast, der sich inzwis­chen weit­er dif­feren­ziert hat. Obwohl die Teile sich verän­dert haben, ist die Dynamik unverkennbar die gle­iche geblieben. Der Embryo strebt während der zweit­en Woche der Periph­erie zu; er wächst fortwährend nach außen. Der Kern des Embryos – die zweiblät­trige Keim­scheibe des Ekto­derms und des Ento­derms – ist das Zen­trum, um welch­es sich alles dreht. Die Periph­erie über­wiegt beim Embryo; er hat keinen <Inhalt> son­dern Extern­halt> (oder <Außen­halt>). Er strebt so stark nach außen, streckt sich aus, um Wurzeln in der Außen­welt zu schla­gen, sodass das Zen­trum in Bezug auf das Wach­s­tum ganz beträchtlich zurück­bleibt. Ein ganz neuer Raum entste­ht, welch­er sich zwis­chen dem sich aus­dehnen­den Ektozyst und dem Entozyst, welch­er zurück­bleibt, befind­et. Es bildet sich eine Höh­le, welche ver­mit­telt und Raum schafft, und welche die Chori­on­höh­le genan­nt wird. Das Meso(-derm), welch­es sich in dieser Höh­le befind­et, formt einen Haft­stiel, welch­er die Verbindung zwis­chen <Periph­erie> und <Zen­trum> aufrechterhält. …

Die Dynamik, die sich hier man­i­festi­er, ist der polare Gegen­satz zu der­jeni­gen der ersten Woche! Zu dem Zeit­punkt war alles, was beschlosse­nen Raum, Wach­s­tums­be­gren­zung, Unterteilung und Inner­halb-Bleiben charak­ter­isiert, die Ten­denz. Der Embryo der zweit­en Woche strebt nach außen, wen­det sich dem Jen­seits zu. Er ver­liert die Kom­pak­theit der Moru­la. Er begin­nt auf eine Art und Weise zu wach­sen, wie wir das bei leben­den Wesen gewöh­nt sind: Sowohl das Vol­u­men wie auch der Stof­fwech­sel nehmen zu. Dieser Embryo hat wohl ein Zen­trum, aber das ist nichts weit­er als ein Aus­gangspunkt für ein periph­eres Streben. Alles scheint sich um dieses Zen­trum (die Keim­scheibe oder den Embry­onald­iskus) zu drehen, wie ein Rad um seine Achse.

Inzwis­chen hat der Zeit­fak­tor in der Entwick­lung Bedeu­tung angenom­men, Während Meta­mor­phose, Dif­feren­zierung und Wach­s­tum sich abspie­len, hat der Embryo damit begonnen, am Zeit­geschehen teilzunehmen, er lässt nun die Dynamik des Lebens erken­nen. … dieser Embryo weist typ­is­che Pflanzeneigen­schaften vor, welche nach außen gerichtet sind. Dies kön­nte man den <Außen­men­schen> oder <Außen­halt­men­schen> nen­nen. Zu dieser Schlussfol­gerung kön­nen wir nur anhand der phänom­e­nol­o­gis­chen Sichtweise kom­men. Wir kön­nen charak­ter­isieren, wie die Pflanzen sich ihrer Umwelt hingeben; sie opfern und öff­nen sich und haben somit wenig Möglichkeit, sich von ihrer Umge­bung zu emanzip­ieren. Ihre Mor­pholo­gie zeigt uns das. Die Wurzeln spreizen sich und geben sich der Erde hin, während die Blät­ter und Blüten das gle­iche der Atmo­sphäre, der Luft, dem Licht und der Wärme gegenüber tun. Pflanzen ste­hen so offen, dass sie dadurch prak­tisch wehr­los und völ­lig den Außene­in­flüssen preis­gegeben sind. …

… dieses Wesen [der Embryo] ist offen­sichtlich hier auf der Erde noch nicht völ­lig anwe­send. Oben­drein kann man wahrnehmen, dass die zweiblät­trige Keim­scheibe der zweit­en Woche nicht nur der Mit­telpunkt ist, um den <sich alles dreht>, son­dern dass er auch flach und zwei­di­men­sion­al erscheint. Während dieser Phase beste­ht der Embryo aus nicht mehr als zwei aufeinan­dertr­e­f­fend­en Ober­flächen, welche zwei Epithe­lien sind. Daher kann man noch nicht von <Inhalt> reden, beson­ders auch weil wir wis­sen, dass es da noch kein Meso(-derm) gibt, d.h. die Dimen­sion des Gewebes der <Fül­lung> (Raum schaf­fen und verbinden) fehlt noch. Während dieses zwei­di­men­sion­alen Beste­hens hat die flache zweiblät­trige Keim­scheibe nur ein Außen, Periph­erie, Umge­bung. Seine <Rich­tung> geht vom Mit­telpunkt zur Periph­erie. Schlüs­sel­worte, die den Men­schen während sein­er zweit­en Woche charak­ter­isieren, sind also: aus­dehnen, flächen­haft, pflanzenar­tig.“ (Jaap van der Wal, Dynamis­che Mor­pholo­gie und Embry­olo­gie, Skript der Osteopathie Schule Deutsch­land, S. 87ff).

Die Par­al­lele zu der obi­gen Aus­führun­gen des pflanzen­haften “Früh­men­schen” von Rudolf Stein­er, der im Wel­tenschoß her­an­wächst, ist frap­pierend: siehe den Abschnitt “Wel­tenschoß”.

Worum geht es im Mantra 47 v?

Werdelust, Entwick­lung, Erneuerung will aus dem Wel­tenschoß geboren wer­den. Das ewig Gle­iche soll in Fluss kom­men, soll erste­hen – aufer­ste­hen, sich ver­jün­gen. Und diese erneuernde Kraft teilt sich dem wahrnehmenden Men­schen mit. Es will erste­hen – „es“ ist die Werdelust, doch warum erfährt man das erst nach zwei Zeilen? Der Beginn mit „es“ bewirkt eine neu­tral-küh­le Stim­mung. Etwas vol­lzieht sich, an dem ich als Men­sch unbeteiligt bin, mehr noch, die Benen­nung und damit das Erken­nen dieses „es“ erfol­gt erst am Ende der zweit­en Zeile. Erst jet­zt taucht aus dem Neb­ulösen die Werdelust auf. Erst jet­zt weiß ich, was da aus dem Unkonkreten in die Erschei­n­ung drängt. Ich bin also nicht nur pas­siv, son­dern zunächst auch unwis­send, dem Geschehen ausgeliefert.

Auch die Werdelust ist nicht selb­st etwas, sie ist nichts Fer­tiges, Gewor­denes. Sie ist selb­st nur die Lust, die Freude und der Impuls des Wer­dens, nicht das Wer­den sel­ber. Die Werdelust will erste­hen. Erste­hen ist ver­wandt mit auf­ste­hen. Die Lust am Wer­den hat darniedergele­gen, nun hat sie den Willen, sich zu erheben, eine neue Dimen­sion zu erobern. Sie erwacht, richtet sich auf und tritt in Aktion.

Es heißt Werdelust, nicht Werdekraft oder Werdeziel. Lust beschreibt ein Gefühl. Diese Lust scheint mir eine Stufe bewusster und seel­is­ch­er zu sein als die Begierde. Rudolf Stein­er beschreibt die Begierde als die Grund­lage von Kar­ma, den Astralkör­p­er nen­nt er den Begier­denkör­p­er (GA 93a, 2. Vor­trag, 27.9.1905, S. 25). Füh­le ich der Lust nach, so erzeugt sie eine inner­lich feurig auf­strebende, jubel­nde Bewe­gung. Auch dies weist auf den Astralleib hin, denn die Bewe­gungsrich­tung des Astralleibs, seine Wirkrich­tung, gibt Rudolf Stein­er von unten nach oben an: “Von unten her­auf ergießt sich näm­lich die Haupt­strö­mung des astralis­chen Leibes und von oben herunter die Haupt­strö­mung des Ich.” (GA 115, S.59) Diese auf­steigende Bewe­gung des Astralleibs ist als Kun­dali­ni-Auf­stieg bekannt.

Aus dem Wel­tenschoße will die Werdelust erste­hen, sich erheben. Der Mut­ter­schoß ist der Ort, in dem ein Kind her­anwach­sen kann. Der Wel­tenschoß ist also der Entste­hung­sort der Erneuerung in der Welt — und let­ztlich der Geburt­sort ein­er neuen Welt. Plotin hat­te die Werdelust eine der Ursachen von allem Bösen in der Welt genan­nt. (Siehe den Abschnitt “Werdelust”) Die Werdelust will Verän­derung und deshalb ste­ht sie nach sein­er Mei­n­ung der göt­tlichen Ord­nung ent­ge­gen. Im Mantra erste­ht die Werdelust aus dem Wel­tenschoße. Sie kommt also aus der göt­tlichen Ord­nung. Rudolf Stein­er hat den makrokos­mis­chen Astralleib bildlich als den Wel­tenschoß benan­nt. Das Mantra sagt also: Die Werdelust als auf­steigende, Bewusst­sein erschaf­fende Kraft entstammt dem kos­mis­chen Astralleib, dem Weltenschoß.

Vielle­icht kön­nte man die im Mantra beschriebene Sit­u­a­tion ins Seel­is­che über­tra­gen so beschreiben: die Kreativ­ität ist bere­its erwacht, doch der Kün­stler hat wed­er begonnen zu arbeit­en, noch hat er bere­its eine Idee, ein Ziel. Er spürt lediglich das drän­gende innere Bewegt-Sein durch die Kraft der Kreativität.

Die Werdelust will erste­hen — noch geschieht es nicht. Doch wenn es geschieht, führt es dazu, dass der Sin­nen­schein erquickt wird. Sich erquick­en heißt wieder frisch und jung wer­den. Das Bild eines klaren, sprudel­nden Wassers entste­ht. Der Sin­nen­schein ist die Maya, die nur Schein und nicht Wahrheit ist. Die Wahrheit hin­ter dem Sin­nen­schein ist die geistige Welt. Doch hier wird ihr physis­ches Erscheinen, so wie sie sich den Sin­nen physisch dar­bi­etet, erneuert. Auch wenn die Welt Maya, Täuschung, Schein ist, wird dieser Sin­nen­schein erquickt, mit neuem Leben erfüllt. Die äußere Welt wird erneuert, ver­jüngt, wieder aufge­frischt durch die Werdelust. Dieser Prozess vol­lzieht sich als Natur­vor­gang aus den Kräften höher­er Wesen­heit­en ohne Beteili­gung des Menschen.

Dieser vir­u­len­ten Energie, die nun in alles einzieht, dieser Werdelust, begeg­net mein Denken durch die Sin­ne­sein­drücke, die es von der Außen­welt empfängt. Das Denken muss sich dem gewach­sen fühlen, son­st wird es über­schwemmt, über­ran­nt von der Vielzahl und Dif­feren­ziertheit der Sinneswahrnehmungen. Das Denken ist stets auf der Suche nach Wahrheit. Nun ist es die Frage, ob es diese in der explodieren­den Wahr-Nehmung find­en kann. Das Erwachen der Wach­s­tum­skräfte im Früh­ling ergreift den Men­schen, wie es auch die Pflanzen- und Tier­welt ergreift. Die Denkkraft muss für diese Über­schwem­mung an Vielfältigkeit vor­bere­it­et sein. Dafür muss das Denken gerüstet sein durch Gotteskräfte, die innen, in der Seele leben. Welche Kraft gibt dem Denken diese Rüs­tung – diesen Schutz im Kampf mit den anbran­den­den Sin­ne­sein­drück­en? Welch­es sind die Gotteskräfte?

Wenn die Ablenkun­gen vielfältig sind, ist Konzen­tra­tion gefragt, innere Ruhe, Über­schau. Doch das sind eigentlich Men­schen-Kräfte, diese bringt der Men­sch sel­ber auf. Was sind also die Gotteskräfte?

Es gibt zwei grund­sät­zliche Bewe­gun­gen: die eine dif­feren­ziert, die andere vere­in­heitlicht. Der Strom, der ins Leben führt, der aus der Quelle allen Seins kommt, ist ein dif­feren­zieren­der. Die eine Vogel­mut­ter legt mehrere Eier und aus jedem schlüpft ein anderes Küken aus, — der eine Baum lässt die vie­len Samen reifen und aus jedem Samen kann poten­tiell ein neuer Baum wach­sen. Der Strom der Dif­feren­zierung geht vom Urbild aus und erschafft an seinem Ende den einzel­nen, ganz konkreten Löwen­zahn, oder dieses eine Vögelchen. Und auch aus dem immer gle­ichen Zyk­lus des Jahreskreis­es erschafft sich im Strom der Zeit der einzelne Moment als ganz indi­vidu­elle, unwieder­bringliche Sin­gu­lar­ität. — Der andere Strom erhebt das Vere­inzelte in eine höhere Ein­heit. Denk­end geht der Men­sch von der Viel­heit der Schöp­fung, vom Vere­inzel­ten, einzi­gar­ti­gen aus, umfasst das Vere­inzelte durch den Begriff und verbindet es durch über­ge­ord­nete Begriffe zu immer größeren Gemein­schaften. Die konkrete Pflanze wird als Löwen­zahn, als Korb­blütler, als Pflanze, als Lebe­we­sen usw. begrif­flich erkan­nt. Sofern die Begriffs­bil­dung eine lebendi­ge war, kann der Men­sch dadurch die einzelne Wahrnehmung denk­end zu ihrem Urbild erheben. Durch die im Begriff enthal­tene Vorstel­lung kann er das Urbild hin­ter der konkreten Wahrnehmung inner­lich schauen – und so tat­säch­lich den Sin­nen­schein für wahr-nehmen. Auch mit den vie­len einzel­nen Momenten von Gegen­wart ver­fährt das Denken so und erschafft durch Erin­nern und Voraus­denken die Vorstel­lung des Jahreskreis­es, der ohne diese Aktiv­ität un-“sichtbar” bleiben würde.

Das men­schliche Denken ist so angelegt, dass es bei­de Ströme hand­habt. Im Denken kön­nen wir dif­feren­zieren, zerteilen, analysieren und uns immer tiefer in Details ver­graben. – Und wir kön­nen zusam­men­fassen, Ein­heit­en bilden, syn­thetisieren, indem wir uns inner­lich auf eine höhere Ebene erheben. Diese im Denken wirk­enden Kräfte wirken auch in der Welt als inkarnierende, erschaf­fende, her­abführende und im Gegen­zug auch wieder exkarnierende, erhebende, vergeisti­gende Kräfte. Sie sind die Gotteskräfte, die auch im Innern des Men­schen wirken. Diese Kräfte geben dem Denken die Rüs­tung, sie sind die Werkzeuge, die Aus­rüs­tung der Denkkraft, um mit der sich ent­fal­tenden, stetig an Kraft zunehmenden Werdelust umge­hen zu kön­nen. Ein michaelis­ch­er Zug klingt in dem Wort „gerüstet“ an. Michaelis­che Gotteskräfte müssen die men­schliche Denkkraft rüsten. Ich-geführte, bewusst gehand­habte Denkkraft muss in der Seele leben und kraftvoll müssen sich die Gotteskräfte des Zerteilens und Verge­mein­schaftens betäti­gen. Als lebendi­ge, nicht tech­nisch tote Kräfte müssen sie gehand­habt wer­den. Gelingt dies, kann der Men­sch schöpferisch denk­end und damit dem Schöpfer der Welt ähn­lich wirken.

Im Mantra fällt die Anhäu­fung des Wortes “Kraft” auf: “meines Denkens Kraft”, “Gotteskräfte”, “kräftig”. Warum find­et sich diese Kul­mi­na­tion der Kraft hier, die jed­er Deutschlehrer als kor­rek­turbedürftig markieren würde? Es han­delt sich um Denkkraft (Ein­zahl), Gotteskräfte (Mehrzahl, min­destens zwei) und um ein Adjek­tiv, das charak­ter­isiert, wie die Gotteskräfte im Innern, ger­ade jet­zt, gegen­wär­tig agieren, leben. Durch die Denkkraft ver­wirk­licht sich das Ich. Seine Kraft strömt aus ein­er einzi­gen Quelle. Die Gotteskräfte sind für mein Dafürhal­ten die bei­den sich im Gle­ichgewicht hal­tenden auf- und abbauen­den Kräfte, Wer­den und Verge­hen, die bei­den Säulen der Welt und bilden gemein­sam den Astralleib wie die Hal­b­jahre das Jahr. Das Adjek­tiv “kräftig” markiert den Moment des Zusam­men­wirkens von Ich und Astralleib, indem das Ich die bei­den astralen Kräfte in Inter­ak­tion bringt. Die Gotteskräfte liegen dann nicht brach, son­dern leben kräftig im Innern, wenn das Ich-geführte Denken sich ihrer bedient.

Das Mantra 47 v ist das Mantra der sich ent­fal­tenden Leben­skraft. In der tradierten chi­ne­sis­chen Weisheit wurde diese Früh­lingskraft als der Drache geschaut, der aus der Erde bricht und in den Him­mel auf­steigt. Unser Denken ist diesem Ansturm an Sinneswahrnehmungen nur gewach­sen, wenn es bei­de Denkbe­we­gun­gen, die Analyse und die Syn­these bis hin­auf zum geisti­gen Urbild gle­icher­maßen hand­haben kann. Das eigene Licht des Denkens muss so kräftig strahlen, dass es bis in die Höhe hin­aufre­icht, von der das Leben der Sinneswelt seinen Anfang nahm. Dann gelingt es bildlich gesprochen, den Drachen der Ätherkräfte zu reit­en und sich in den Him­mel hin­auf­tra­gen zu lassen.