Die Gegensprüche 8 H und 34 h

8 H

Es wächst der Sinne Macht

Im Bunde mit der Göt­ter Schaffen,

Sie drückt des Denkens Kraft

Zur Traumes Dumpfheit mir herab.

Wenn göt­tlich Wesen

Sich mein­er Seele einen will,

Muss men­schlich Denken

Im Traumes­sein sich still bescheiden.

34 h

Geheimnisvoll das Alt-Bewahrte

Mit neuer­stand­nem Eigensein

Im Innern sich belebend fühlen:

Es soll erweck­end Weltenkräfte

In meines Lebens Außen­werk ergießen

Und wer­dend mich ins Dasein prägen.

 

 

Die Eurythmieformen zu den Mantren 8 H und 34 h

Über den Buchstaben “H”

Das H ist der Buch­stabe für den Hauch-Laut, der am näch­sten dem Atem ist und nur anfänglich schon Sprach­laut. So kommt es beim Laut H nicht auf die Stel­lung der Sprach­w­erkzeuge an, son­dern auf die Stimm­lip­pen. Die Hauch­stel­lung wird gebildet, indem die Stimm­bän­der ger­ade so weit geöffnet sind, dass ihre Rän­der nicht in Schwingung ver­set­zt wer­den kön­nen durch den hin­durch­stre­ichen­den Luft­strom. So entste­ht beim Ausat­men durch die ‘Hauchenge’ eine hör­bare Rei­bung. Charak­ter­is­tisch für das H ist also die Hauch­stel­lung der Stimm­lip­pen und der feine Reiz, den dieser Hauch im Sprachraum erzeugt. Die Wan­dun­gen des ganzen Sprachraumes wer­den dadurch fühlbar als etwas, das den Luft­strom umgibt, umhüllt und hält. Je nach dem fol­gen­den Laut nehmen die Sprach­w­erkzeuge bei diesem Hauch ver­schiede Posi­tio­nen ein, sodass der Klang des Hauchs gefärbt wird. Beson­ders deut­lich ist dies bei allen Vokalen, die eigentlich sog­ar mit einem H anlaut­en, wie Rudolf Stein­er sagt: “Wir soll­ten uns abgewöh­nen, das H zu ver­steifen; es liegt in jedem Vokal und begleit­et ihn.” (GA 280, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 168)

Sowohl im Griechis­chen als auch im Slaw­is­chen gibt es für das H keinen Buch­staben. Im Griechis­chen wird es aus­ge­drückt durch zwei apos­trophar­tige Zeichen, durch den spir­i­tus asper (῾), den ’schar­fen oder rauen Hauch’ als eigentlich­es H und durch den spir­i­tus lensis (᾿), den ‘zarten Hauch’, der über jedem Vokal im Anlaut ste­ht. So begin­nt das Alpha­bet eigentlich mit diesem poten­tiellen Laut, dem ‘zarten Hauch’, bevor das A im Alpha zu klin­gen begin­nt. Dieses H ist noch ganz nahe dem Ur-Hauch, dem göt­tlichen Leben­satem, der rein geistiger Natur ist und nicht ins Aktuelle ein­tritt. “Auf ihm beruhen alle Sprach­laute, Vokale wie Kon­so­nan­ten.” (Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 168)

Die Form unseres bzw. des lateinis­chen H ist im griechis­chen Alpha­bet jedoch vorhan­den. Es ist das ‘Heta/Eta’Griechisches Heta/Eta, das zum griechis­chen E wurde. Das Eta stammt vom phönizisch-hebräis­chen ‘Cheth’ mit der Bedeu­tung ‘Gehege’, ‘Mauer’, ‘Umzäu­nung’ und auch ‘Leben’. Tat­säch­lich erin­nert das älteste über­lieferte Zeichen aus der pro­to­si­naitis­chen Schrift, das dann zum Cheth wurde, einem Zaun . Zusam­men mit dem Leben wird das Bild des Paradies­gärtchens geweckt, denn das Leben braucht stets einen Kör­p­er, ein Gefäß, eine Begren­zung, um sich im Innern ent­fal­ten zu kön­nen. Im Hebräis­chen ist Cheth, der Ursprungslaut des griechis­chen Eta, ein kräftiger, sehr stark­er Kehlhauch, weshalb er als CH hier dargestellt wird. Ernst Moll sagt über das hebräis­che H: “Das H kommt aus Göt­ter­höhen. In dieser Nuance ist es auch das Urweib­liche: hebräisch ‘Chaua’ (chvh), ‘Heva’ ist ‘Eva’. … ‘Eva’ bedeutet das ‘Leben’: <Und es hieß Adam den Namen seines Weibes Heva (Leben), denn diese ist die Mut­ter aller Leben­dendi­gen> (1. Mos. 3,20) … ‘chaua’ selb­st hat auch die Bedeu­tung ‘Zelt’, ‘Behausung’.” (Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 174) Das The­ma der Umhül­lung des Lebens find­et sich auch im Deutschen in ‘Haus’, ‘Hof’ ‘Höh­le’ und ‘Haut’.

Da es sowohl im phönizis­chen als auch im hebräis­chen Alpha­bet nur Kon­so­nan­ten gab, ver­wen­de­ten die Griechen die Zeichen der kon­so­nan­tis­chen Hal­b­vokale als Vokalze­ichen für ihr Alpha­bet. So wurde aus dem hebräis­chen Kehllaut Cheth das griechis­che Eta mit dem Lautwert E. Das H sel­ber ver­barg sich und erschien nur als Apos­troph artiges Zeichen. Eben­so gibt es im slaw­is­chen Alpha­bet den Laut H nur als aspiri­ertes G, wie z.B. bei ‘Gospódj’, ‘Gott, der Herr’, gesprochen als ‘haspót’. Die Anrede ‘gospodin’ wird jedoch nicht aspiri­ert, son­dern ‘gas­padin’ aus­ge­sprochen. (Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 172)

Wie deut­lich wurde, umspan­nt der Laut H das kaum ins Bewusst­sein tre­tende H des aspiri­erten Vokals bzw. Kon­so­nan­ten und auch das tief und kräftig in der Kehle gesproch­ene hebräis­che Cheth, das unserem CH nah­este­ht. Das H reicht sozusagen vom Him­mel bis auf die Erde. “Gegenüber dem oberen H nun, wie wir es ken­nen­lern­ten im Aleph [und im aspiri­erten Alpha], bildet das deutsch H etwa die Mitte. Noch eine Stufe tiefer, mehr dem Irdis­chen ver­wandt läge dann das CH [ach]. … Alle diese H‑Laute sind das Bild des Lebens. Das H … ist der Lebens-Hauch.” (Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 169) Der aspiri­erte Hauch entspricht also dem geisti­gen Pol des Lautes, dem geisti­gen Leben und das CH dem irdis­chen Pol, dem irdis­chen Leben. Dem entspricht, dass die Leben­skraft in Chi­na Chi genan­nt wird.

Der Laut H ist der am wenig­sten spezial­isierte Sprach­laut. Er ist noch fast Atem. Und mit diesem Atem verbinden wir auch heute noch das Leben. Mit dem ersten Atemzug zieht es in den neuge­bore­nen Kör­p­er ein, mit dem let­zten ver­lässt es ihn. Die Gen­e­sis erzählt, dass Gott dem Men­schen mit dem Atem das Leben ein­hauchte. “Da bildete Gott der HERR den Men­schen, Staub von der Erde, und blies den Odem des Lebens in seine Nase, und so wurde der Men­sch eine lebendi­ge Seele.” (1. Mose 2:4–25) Und Rudolf Stein­er ergänzt: “Im Alten Tes­ta­ment wird bedeut­sam angedeutet in den Worten: ‘Und Gott hauchte dem Men­schen den Odem ein, und er ward eine lebendi­ge Seele.’ In der Tat wurde dazu­mal dem Men­schen nicht nur der Luft­strom einge­haucht, son­dern das, was als geistiger Men­sch ihn durch­lebte. Sie müssen sich klar wer­den, dass das, was als Materie um uns lebt, keineswegs bloß Materie, bloß Stoff ist. Wenn Sie Luft spüren, dann müssen Sie sich klar sein, dass diese ein den physis­chen Kör­p­er ganz umgeben­des Geistiges ist, und dass Sie mit jedem Atemzug nicht nur physis­che Luft einat­men, son­dern Geist einat­men.” (GA 97, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 167) Und an ander­er Stelle sagt er: “Wenn man z.B. im alten Hebräis­chen das Wort ‘Wind’, ‘ruach’ gebrauchte, so meinte man nicht bloß etwas Äußeres, Physis­ches, son­dern ein Geistiges, das da hin­fegte durch den Raum. Wenn der Men­sch einat­met — nun, … in alten Zeit­en, da hat man nicht geglaubt, dass man die materielle Luft einat­met, da war man sich klar, dass man Geistiges, wenig­stens Seel­is­ches einat­met.” (GA 117, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 167f) Das hebräis­che ‘ruach’ entspricht dem griechis­chen psy­che, ani­ma, pneu­ma. ‘Ruach Elo­him’, (weib­lich) wird in der Bibel der Heilige Geist genan­nt. Im engeren Sinne beze­ich­net ‘ruach’ in der Geis­teswis­senschaft die Verstandesseele.

Vor diesem Hin­ter­grund wun­dert es nicht, dass das H der Laut des Him­mels, des Heili­gen, der Höhe, der Hel­ligkeit, des Helden und des men­schlichen Hauptes ist. Mit diesem Haupt, dem Bewusst­sein­spol des Men­schen, ist auch seine Ver­führbarkeit ver­bun­den. Rudolf Stein­er sagt, “dass der Men­sch zunächst das­jenige, was er durch sein Haupt in der Welt erringt, zwar der Weisheit der Welt ver­dankt, aber der luz­iferischen Weisheit. Völ­lig ver­hüllt hat sich der neueren Men­schheit der Ursprung des men­schlichen Hauptes, … die mit dem men­schlichen Haupte ver­bun­dene luz­iferische Geistigkeit. Indem das Haupt aus dem men­schlichen Organ­is­mus her­aus­ragt, ragt Luz­ifer aus dem men­schlichen Organ­is­mus her­aus. Die men­schliche Hauptes­bil­dung ist umgeben von luz­iferisch­er Wesen­heit. (GA 194, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 169) So ist das H auch der Laut des Her­ren, der besser­wis­serischen Hin­weise, der Hexe, der Hölle, des Ver­he­lens, Ver­höh­nens, Haderns, des Hochmuts und Hasses.

Das nordis­che Rune­nal­pha­bet nen­nt das H die ‘Hagal-Rune’, was ‘Hagel’ bedeutet. Ernst Moll zitiert einen alten englis­che und danach einen nor­wegis­chen Runenreim.

“Der Hagel ist das weißeste Korn,

es wird her­abgewirbelt aus Himmels-Lüften,

des Windes Schauer wehen es fort.”

Der Hagel ist das himm­lis­che, reine weiße Korn, der Him­melssame, der zur Erde fällt, irdisch-hart wird. Und der nor­wegis­che Runen­reim ergänzt, wer es ist, der mit dem Geheim­nis der Schöp­fung und damit mit dem Geheim­nis des Lebens, das den Weg vom Him­mel zur Erde nimmt, zusammenhängt.

“Hagel ist das käl­teste Korn;

Chris­tus schuf die uralte Welt.”

(Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 182) Zum H gehört also nicht nur der noch fast geistige Hauch, son­dern auch das, was den Weg auf die Erde genom­men und ‘hart’ gewor­den ist wie der Hagel.

Zum H der Geistigkeit im Außen gehört laut Rudolf Stein­er das CH “als ein sich Erfüllen mit der Geistigkeit, die her­an­we­ht im Lufthauch.” (zitiert nach Dubach Donath, Die Grun­dele­mente der Eury­th­mie, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 179) In dieser Weise legt der Men­sch Zeug­nis ab von Erfüllt-Sein mit dem Geist, vom Geist in seinem Innern durch das Wort ‘Ich’. Im Aus­ruf ‘ach’ wird diese Erfül­lung als staunenswerte, aber her­aus­fordernde Auf­gabe emp­fun­den. Lebt der Geist im Innern, und ist der Men­sch ‘wach’, ist er abge­gren­zt vom Him­mel durch ein ‘dicht­es’ ‘Dach’.

Als Blase­laute gehören H und CH zu den Feuer­laut­en. Dies bezeu­gen die Worte ‘Hitze’, ‘heiß’, ‘Herd’, ‘Hauchen’, ‘heizen’, ‘anfachen’ und ‘Rauch’. Als solch­es ist das H kaum greif­bar. Es ist hur­tig wie der Wind, der Haschen spielt und ist ‘hastig’, ‘het­zt’ mit dem ‘Hund’ den ‘Hirsch’ oder ‘Hasen’. Die flüchtige Zeit wird in der lateinis­chen Stunde, ‘hora’, erlebt und der ‘Hahn’ kün­det den kom­menden Tag.

Im Slaw­is­chen heißt der CH Laut ‘Cher’, die ‘Hand’. (Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 180) Wie die Hände zusam­me­nar­beit­en, ist das H das Verbindende von Him­mel und Erde, der ‘Hälften’, das ‘Har­mon­isierende’ und das Gemein­schaft­bildende. Das H find­et sich in den Worten ‘Heirat’, ‘Hil­fe’, ‘Han­del’, ‘Herde’, ‘Hirte’ und ‘Herz’. Es ist den Zwill­in­gen zuge­ord­net, den Schul­tern und damit auch den Hän­den. Die Hände führen zum ‘Hal­ten’, ‘Erhal­ten’, zum ‘Haben’ und ‘Holen’. Gotisch ‘hrains’ bedeutet ‘rein’, sich also in der Höhe erhal­ten. Im Han­deln, im sou­verä­nen Beherrschen ein­er Tätigkeit, offen­bart sich das geistige Ver­mö­gen. Gotisch ‘han­dus’ ist die ‘Hand’, ‘han­dugs’ bedeutet ‘weise’ und ‘han­dugei’ ist die ‘Weisheit’. So bedeutet das slaw­is­che ‘Cher’ nicht nur die Hand, son­dern auch ‘Cheru­bim’, die nach den höch­sten Engeln, den Seraphim, fol­gende Engel­hier­ar­chie der Cherubim.

Auch das Hören gehört zum H. Über das Wort ‘horchen’ sagt Rudolf Stein­er: “Eine Welt liegt darin. Das H in ‘horch’ hat so tiefe Begrün­dung wie nur möglich; auch dass es mit CH schließt. Es legt sich das CH in den ganzen Atem hinein; H gestal­tet plas­tisch, CH geht mit dem Atem sog­ar hinein in die Dinge. Es sagt uns: Höre zu … und gehe hinein in das, was du hörst, nimm es auf.” (GA 280, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S.173) Und an ander­er Stelle sagt er über die Wirk­samkeit des H: “Wenn man will den ganzen Stimm­strom in seine Gewalt brin­gen, muss man sich möglichst viel zu tun machen mit dem H. … Gute Dichter wer­den dann, wenn sie jeman­dem etwas einre­den wollen, viele H ver­wen­den. Nicht umson­st ist ‘horch!’ mit H gebildet” (GA 282 in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 173)

Über das wahre Wesen der Luft, für die H und CH der nachah­mende Aus­druck sind, sagt Rudolf Stein­er: “Das [die irdis­che Luft] ist nur Maya oder Illu­sion: das ist nur die äußere Offen­barung. Denn über­all, wo Luft ist in der Welt, sind die Tat­en der Geis­ter der Weisheit dahin­ter. Webende, wirk­ende Luft heißt Offen­barung der schenk­enden Tugend des Makrokos­mos. Und nur der sieht die Luft richtig an, der sich sagt: Ich nehme hier ‘Luft’ wahr: in Wahrheit aber wird da geschenkt von den Geis­tern der Weisheit an die Umge­bung, wird etwas aus­ges­trahlt an die Umge­bung. Jet­zt wis­sen wir, was es eigentlich ist, was wir von der alten Sonne beschrieben haben, in dem wir sagten, sie beste­ht aus ‘Luft’. Wir wis­sen jet­zt, dass es Schenken ist, dass die Geis­ter der Weisheit ihr eigenes Wesen aus­fließen lassen, und dass es äußer­lich als Luft erscheint.” (GA 132, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 181)

Und über den Geist, der im Men­schen und als Heiliger Geist in der Welt ist, sagt Rudolf Stein­er: “Was im Tier vorge­ht, geht zunächst in ihm selb­st vor: das abstrak­te Bewußt­sein. Alles Bewußt­sein der Welt lebt auch im Men­schen, im abstrak­ten Denken. In sich nen­nt es der Men­sch «Geist», insofern es draußen in der schaf­fend­en Natur wirkt, nen­nt er es «Heiliger Geist». Das ist, was allem Empfind­en und Bewußt­sein zugrunde liegt. Krankheit gibt es nur im Son­der­sein. Der Geist kann an sich nicht krank sein, son­dern nur, wenn er inkarniert ist in den unteren Kör­pern. Das Wort «heilig» bedeutet «heil sein»; es drückt aus, daß der Geist, der draußen die Welt durch­flutet, gesund ist. Der Heilige Geist ist nichts anderes als der durch und durch gesunde Geist; daher der, der sich mit dem Heili­gen Geist wirk­lich vere­inigt, die Kraft des Heilens erhält. Sie muß zu tun haben mit dem die Welt durch­flu­ten­den Heili­gen Geist. Das ist der Geist, der wirkt von Men­sch zu Men­sch als wirk­lich­er Heil­er.“ (GA 93a, S. 132)

Über die Gegensprüche 8 H und 34 h

Das Mantra 8 H ist das Pfin­gst-Mantra, denn dieser Son­ntag ist der fün­fzig­ste Tag nach dem Oster­son­ntag. In der Apos­telgeschichte wird dieses Fest nach­drück­lich mit den Luft Qual­itäten des H und CH und dem Feuer, das allen Blase­laut­en eigen ist, in Zusam­men­hang gebracht. „Als der Tag des Pfin­gst­festes gekom­men war, waren alle zusam­men am sel­ben Ort. Da kam plöt­zlich vom Him­mel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher­fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zun­gen wie von Feuer, die sich verteil­ten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Und alle wur­den vom Heili­gen Geist erfüllt und began­nen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“ (Apg 2,1–4 EU) Im hebräis­chen Tanach wird der Heilige Geist als Ruach HaQodesh (רוח הקודש), wörtlich „Heiliger Atem“, Ruach JHWH (יהוה‏ רוח) – „Atem des Her­rn“ oder als Ruach Elo­him – „Gotte­satem“ bezeichnet.

Das Pfin­gst­fest beruht auf dem jüdis­chen Wochen­fest Scha­wout. Neben dem Dank für die Vol­len­dung der Weizen­ernte war es ein Fest des Gedenkens an den Gottes­bund mit Jahve, der Moses auf dem Berg Sinai zum zweit­en Mal die Zehn Gebote übergeben hat­te. Schon dieses Fest hat­te also das Emp­fan­gen aus dem Geist zum The­ma. Mit diesem göt­tlichen Geschenk erneuerte Jahve den schon mit Abra­ham geschlosse­nen Bund und machte die Israeliten zu seinem auser­wählten Volk.

Auch das Mantra 34 h gehört zu einem beson­deren Son­ntag. Es ist das Mantra des Ewigkeits- oder Christ-König-Son­ntags (auch Toten­son­ntag). Es ist der Son­ntag vor dem ersten Advent, mit dessen Woche sich das Kirchen­jahr run­det. Der Zyk­lus schließt sich und mit dem Vor­abend des ersten Advents begin­nt ein neues Kirchen­jahr. Der Ewigkeits-Son­ntag ist der Erwartung der Wiederkun­ft Christi gewid­met, der Parou­sia Christi. “… Parou­sia [bedeutet] wörtlich: ‘Anwe­sen­heit, Gegen­wart, Da-Sein, an der Seite-Sein’ des Chris­tus im Jet­zt … und [bedeutet] nicht eine ‘Wiederkun­ft’ in unbes­timmter Zukun­ft.” (Els­beth Wey­mann, Wege im Buch der Büch­er, Aus­gewählte Orig­inal­texte der Bibel — neu über­set­zt und gedeutet, S. 81)

Durch diese bei­den Feste wird deut­lich, dass die Son­ntage eine beson­dere Gottes­nähe aufweisen, die in den Mantren 8 H und 34 h eben­so ver­mutet wer­den kann. Bei­de Mantren begin­nen mit ein­er neu­tralen Schilderung, zeigen jedoch im Ver­lauf, dass die Beobach­tun­gen von einem Ich-Sprech­er stam­men, der Prozesse sein­er Seele bzw. seines Inneren beschreibt. Es han­delt sich also deshalb um Vorgänge, die dem wachen, men­schlichen Bewusst­sein zugänglich sind.

Das Mantra 8 H, das Pfin­gst-Mantra, spricht zunächst von der wach­senden Macht der Sinne, die im sel­ben Ver­hält­nis zunimmt, wie auch das Schaf­fen der Göt­ter vor sich geht. Die Sinne und das Göt­ter­schaf­fen ste­hen miteinan­der im Bunde. Die Wahrnehmungs­fähigkeit des Men­schen wächst im gle­ichen Ver­hält­nis wie das Schaf­fen der Göt­ter, wie die Ent­fal­tung der Früh­lings-Natur. Ganz deut­lich klingt hier der oben erwäh­nte Bund Jahves mit dem Volk Israels an — nun jedoch nicht als moralis­che Ord­nungs­macht für die Seele, son­dern als “Sinnes-Nahrung” für den die Sin­ne­sein­drücke ver­ste­hen wol­len­den Geist. Rudolf Stein­er führt aus, dass der Wahrnehmungsvor­gang dem Ein­schlafen gle­icht und erst, wenn ein winziger Bruchteil später denk­end der Begriff zur Wahrnehmung hinzuge­fügt wird, erwacht der Men­sch wieder. Der Men­sch pen­delt also in einem außer­halb der Zeit stat­tfind­en­den Wahrnehmungs- und Gedanken­rhyth­mus zwis­chen Ein­schlafen und Aufwachen hin und her. So ver­wun­dert es nicht, dass die Macht der Sinne, da sie mit dem fortschre­i­t­en­den Som­mer-Hal­b­jahr wächst, die Kraft des Denkens zur Traumes Dumpfheit her­ab­drückt. Die Wahrnehmungs­seite der Seele erlangt das Übergewicht, für die das Som­mer-Hal­b­jahr ste­ht. Der Ich-Sprech­er nimmt also seine in die Wahrnehmung hinein­schlafende, in ihr träu­mende Seele wahr. Je inten­siv­er die Seele in der Sinneswahrnehmung lebt, je hingegeben­er und deshalb sym­pa­this­ch­er sie mit der Wahrnehmung ver­schmilzt, desto dumpfer, weniger lichtvoll ist die auf Antipathiekräften beruhende Denkkraft.

Das Mantra 34 h schildert einen Prozess, der im Innern sich ger­ade jet­zt vol­lzieht. Drei Ver­ben ste­hen in der Ver­laufs­form und verdeut­lichen, dass das Geschehen ein fort­dauern­der Prozess ist und kein Abschluss in Sicht ist. Das Alt-Bewahrte fühlt der Ich-Sprech­er sich beleben mit neuer­standen­em Eigen­sein. Das Alt-Bewahrte im Innern sind die Er-inner-ungen, die sich aus den ein­st­mals wahrgenomme­nen Erleb­nis­sen gebildet haben. Diese ruhen in der Seele wie kleine Mumien, wie Men­schen­phan­tome, laut Rudolf Stein­er. Wenn also eine Erin­nerung wieder in das Bewusst­sein her­aufge­holt wer­den soll, muss dieses Men­schen­phan­tom belebt wer­den. Dann kann der Men­sch daraus das Erlebte her­ausle­sen, so wie er beim gewöhn­lichen Lesen auch nicht die Buch­staben­for­men studiert, son­dern den Inhalt des Textes. Dieser Vor­gang ist also tat­säch­lich geheimnisvoll. Mit neuer­standen­em Eigen­sein fühlt der Ich-Sprech­er das Alt-Bewahrte sich beleben. Dieses neuer­standene Eigen­sein ist nach mein­er Mei­n­ung das fortwährend sich neu­bildende Bewusst­sein. Der unun­ter­brochen auf­steigende Strom des Lebens, der sich im Herzen durch die soge­nan­nte Ätheri­sa­tion des Blutes in Bewusst­sein ver­wan­delt, ist das, was das Alt-Bewahrte beleben kann. Es ist die eigene Leben­skraft, die zum eige­nen Bewusst­seinslicht wird, mit dem der Men­sch als ein Eigen­we­sen der Welt gegenüber­ste­ht. Das ist das Eigen­sein, das in die mumien­haften Erin­nerun­gen hine­in­fließt und sie fortwährend neu belebt. Und dieser Vor­gang dauert so lange, wie die Erin­nerun­gen im inneren Bild aufleuchten.

Im Mantra 34 h fol­gt hier ein Dop­pelpunkt, im Mantra 8 H endet der erste Satz. In bei­den Mantren gibt es einen zweit­en Teil, der vom ersten durch das Satzze­ichen abge­gren­zt ist. Im Mantra 8 H ist dieser zweite Teil eine Bedin­gung für eine außergewöhn­liche Sit­u­a­tion. Im Mantra 34 h wer­den zwei Ziele genan­nt, die mit dem Beleben der Erin­nerung erre­icht wer­den sollen, die also dauer­haft ver­fol­gt werden.

Im Pfin­gst-Mantra 8 H wird geschildert, was sich verän­dern muss, wenn ein göt­tlich­es Wesen sich mit der Seele vere­inen will, wenn also die Seele dem Gott Raum geben soll. Wenn das göt­tliche Wesen sich gnaden­voll naht, ist es zwin­gend, dass die Seele eine wahrnehmende ist und das men­schliche Denken sich mit dem Traumzu­s­tand zufrieden­gibt. Das Denken darf nicht mit sein­er antipathis­chen Kraft neugierig analysierend diese heilige Hochzeit der Seele stören. Nur der Ich-Sprech­er als stiller Beobachter darf durch die Traum­bilder des Denkens Zeuge dieser Vere­ini­gung sein.

Um welchen Gott kön­nte es sich han­deln, der sich der Seele einen will? Da es sich um das Pfin­gst­mantra han­delt, ist an den von Chris­tus gesandten Heili­gen Geist und dadurch auch an Chris­tus sel­ber zu denken. Doch in vorchristlich­er Zeit war es Jahve, der sich der Seele offen­barte. Rudolf Stein­er sagt im Zusam­men­hang mit dem Emp­fang der Zehn Gebote: “Was zeigen uns diese Zehn Gebote vor allen Din­gen? Wir wer­den sehen, sie zeigen uns über­all, nicht nur in dem ersten Teil, son­dern auch in dem let­zten Teil, wo es schein­bar ver­bor­gen ist, daß durch Moses zu dem jüdis­chen Volke gesprochen wird in dem Sinne, daß jene Macht nun­mehr bei dem jüdis­chen Volke sein soll, die sich im bren­nen­den Dorn­busch dem Moses angekündigt hat mit den Worten als der Beze­ich­nung seines Namens: «Ich bin der Ich bin!» — «Ehjeh ash­er ehjeh!» Hingewiesen ist darauf, daß die anderen Völk­er in der Entwick­elung unser­er Erde jenes «Ich bin», den eigentlichen Urgrund des vierten Teiles der men­schlichen Wesen­heit, nicht so inten­siv, so klar haben erken­nen kön­nen, wie das jüdis­che Volk das erken­nen soll. Jen­er Gott, der einen Tropfen seines Wesens in den Men­schen gegossen hat, so daß das vierte Glied der men­schlichen Wesen­heit der Träger dieses Tropfens wurde, der Ich-Träger, jen­er Gott wird zum ersten Male seinem Volke bewußt durch Moses.” (GA 107, S. 118) In Jahve spiegelte sich der kos­mis­che Chris­tus, wie der Mond das Son­nen­licht spiegelt, sagt Rudolf Stein­er an ander­er Stelle.

Im Mantra 34 h soll durch das Beleben des Alt-Bewahrten, durch die zum Leben erweck­te Erin­nerung, zweier­lei bewirkt wer­den. Zum einen soll das Alt-Bewahrte erweck­ende Wel­tenkräfte in das Außen­werk meines, des Ich-Sprech­ers Leben ergießen, zum anderen soll dadurch der Ich-Sprech­er sich als ein Wer­den­der ins Dasein prä­gen. Die mit Leben erfüllte Erin­nerung soll also etwas bewirken im Werk, das im Außen, in der Welt han­del­nd geschaf­fen wird. Für den Men­schen bedeutet die Möglichkeit, sich zu erin­nern, dass er lern­fähig ist. Die Erin­nerungs­fähigkeit macht ihn zu einem Werdenden.

Das mit Eigen­sein belebte, Alt-Bewahrte, das Erin­nerte, soll erweck­ende Wel­tenkräfte in das Außen­werk, das heißt in die Hand­lu­gen ergießen. Es ist also beab­sichtigt, es soll so sein, dass sich die Tat­en des Men­schen aus dem Erinnerungs‑, dem Erfahrungs- und dadurch aus dem Erken­nt­niss­chatz des ganzen Lebens speisen. Die Gesamtheit der Hand­lun­gen bilden das Werk im Außen, das Lebenswerk. Und in dieses Außen­werk des Lebens soll ein­fließen, was ein Men­sch im Leben erfahren und gel­ernt hat. Indem der Geist des Men­schen in sein Werk ein­fließt, prägt er sich selb­st ins Dasein ein. Er gibt sich seinen Tat­en mit und bleibt dadurch karmisch mit seinem Werk ver­bun­den, denn auch die Welt hat ein Gedächtnis.

Das Mantra 8 H schildert die Qual­ität des H, des wirk­enden Geistes im Außen: zum einen in Gestalt der schaf­fend­en Göt­ter und zum anderen in Gestalt des einen göt­tlichen Wesens, das sich mit dem Men­schen einen will. Die Bewe­gung des Geistes ist von außen nach innen. Das Mantra 34 h schildert dage­gen das Wirken des Geistes im men­schlichen Innern als das neuer­standene Eigen­sein, das das Alt-Bewahrte, die Erin­nerun­gen belebt. Indem sich das so aktivierte Alt-Bewahrte in das Außen­werk des Lebens ergießt und dafür sorgt, dass der Men­sch sich wer­dend ins Dasein prägt, ergießt sich der Geist nach außen und wird wieder ein Heiliger Geist. So kann er für die heilende, karmis­che Gerechtigkeit sorgen.

Ergänzung

Der Gute Hirte

- das frühe Chris­tus­bild aus den Katakomben -

die zwis­chen Som­mer- und Win­ter-Hal­b­jahr einge­fügte Osterzeit

In den Katakomben Roms wurde Chris­tus immer wieder als der Gute Hirte dargestellt – gerne zwis­chen zwei Bäu­men. Was “sahen” die Men­schen damals in Christus?

Schon beim ersten christlichen Konzil von Nicäa im Jahr 325 ging es um das richtige Oster­da­tum. Schon damals war es wichtig, ein beweglich­es Oster­fest zu haben und damit eine her­aus­ge­hobene Zeit, die bis Pfin­g­sten reichte. Diese Zeitspanne, die vom Son­nen­stand d.h. von fes­ten Dat­en unab­hängig ist, wurde also zwis­chen das Win­ter- und Som­mer-Hal­b­jahr „einge­fügt“.

Die Darstel­lun­gen des Chris­tus zwis­chen zwei Bäu­men erin­nern ent­fer­nt an die Bilder der Verk­lärung, die Chris­tus stets zwis­chen Elias und Moses zeigen. Elias und Moses repräsen­tieren zwei Kräfte, auf die nach mein­er Mei­n­ung auch die bei­den Bäume hin­weisen. Diese Kräfte betra­chte ich als die bei­den Hal­b­jahre, die im See­lenkalen­der für die bei­den Aspek­te der Seele ste­hen: ihre nach außen gerichtete Wahrnehmungs­seite, die die Sin­nes­reize empfängt und ihre nach innen gerichtete Denk­seite, die die Reak­tion bewirkt. Diese bei­den naturgegeben miteinan­der verwach­se­nen seel­is­chen Eigen­schaften müssen voneinan­der gelöst wer­den. Vik­tor Fran­kl sagt: „Zwis­chen Reiz und Reak­tion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl, unsere Entwick­lung und unsere Frei­heit.“ Zwis­chen Reiz und Reak­tion muss also etwas ein­treten, dass diesen Raum der Frei­heit ermöglicht. Eine dritte Kraft muss zwis­chen die bei­den Naturkräfte treten. Diese dritte Kraft erkenne ich ein­er­seits im Chris­tus als dem Guten Hirten zwis­chen den bei­den Bäu­men, ander­er­seits in der Ein­fü­gung der an Ostern gebun­de­nen Zeitspanne zwis­chen dem Win­ter- und dem Sommer-Halbjahr.

Chris­tus, der Gute Hirte und die an Ostern gebun­dene Zeit als das einge­fügte Dritte, Priscil­la Katakombe, 3. Jhd., 2. Hälfte

Damit wer­den die Bäume erkennbar als Repräsen­tan­ten der Hal­b­jahre. Auf dem Baum, der beim Win­ter-Hal­b­jahr ste­ht, sitzt eine Taube mit dem Frieden­szweig. Auf dem Baum, der beim Som­mer-Hal­b­jahr ste­ht, sitzt nach meinem Dafürhal­ten eine Ente, ein Wasser­vo­gel. Die Taube bringt mit dem Chris­tus dem Denken Frieden, die Ente weist auf die geistige Wahrnehmungs­fähigkeit hin, auf das Schauen der Äther­welt, die dem Wäss­ri­gen ver­wandt ist.

Auch die Buch­staben­form unseres H kann inter­pretiert wer­den als diese drei Kräfte: die bei­den Senkrecht­en als die Naturkräfte von Wahrnehmung (Reiz) und Denken (Her­vor­bringer der Reak­tion) und der Quer­strich in der Mitte als die Freiraum schaf­fende, die bei­den Senkrecht­en tren­nende dritte Kraft.

Bestätigt füh­le ich mich durch eine Zeich­nung Rudolf Stein­ers, in der er die drei Säulen, Jachin, Boas und M (meist als Säule der Milde beze­ich­net) wie den unteren Teil des Buch­staben H darstellt.

Die Pforte des Salomonis­chen Tem­pels — die Säulen Jachin, Boas und M., die nur der Reine durch­schre­it­en kon­nte (GA 265, Notizblatt 6954)

 Rudolf Stein­er bezieht sich hier auf die Kreuzhol­zle­gende, die besagt, dass die Tem­pel­säulen aus dem Holz hergestellt wur­den, das später zum Kreuz Christi wurde. Das Holz stammte von drei Trieben, deren Samen Seth vom Cherub bekom­men hat­te und die er seinem Vater Adam nach dessen Tod in den Mund legte. Ohne weit­er auf diese Leg­ende einge­hen zu wollen wird deut­lich, dass die bei­den Bäume auf dem frühchristlichen Bild tat­säch­lich auch als diese Säulen gedacht wor­den sein könnten.