Die Gegensprüche 2 B und 28 b

2 B

Ins Äußre des Sinnesalls

Ver­liert Gedanken­macht ihr Eigensein;

Es find­en Geisteswelten

Den Men­schen­sprossen wieder,

Der seinen Keim in ihnen,

Doch seine Seelenfrucht

In sich muss finden.

28 b

Ich kann im Innern neu belebt

Erfühlen eignen Wesens Weiten

Und krafter­füllt Gedankenstrahlen

Aus See­len­son­nen­macht

Den Leben­srät­seln lösend spenden,

Erfül­lung manchem Wun­sche leihen,

Dem Hoff­nung schon die Schwin­gen lähmte.

Die Eurythmieformen zu den Mantren 2 B und 28 b

Über den Buchstaben “B”

Das B ist der erste Kon­so­nant nach dem Vokal A. So wie das A als der Ur-Laut und im spezielleren als der Ur-Vokal ange­se­hen wer­den kann, so ist das B der Ur-Kon­so­nant, das Hülle und Form gebende, Leib­liche schlechthin. Rudolf Stein­er sagt: „Die Griechen haben nicht ein A, ein Alpha, so gedacht, ohne an den Men­schen zu denken. Sie wur­den gle­ich an den Men­schen erin­nert. Und sie haben nicht ein Beta gehabt, ohne sich an ein Haus zu erin­nern, worin der Men­sch wohnt. Das Alpha ist immer der Men­sch. Sie stell­ten sich etwas dem Men­schen Ähn­lich­es vor. Und bei Beta, da stell­ten sie sich etwas, was um den Men­schen herum ist, vor. Da wurde dann das jüdis­che Beth und das griechis­che Beta das Umhül­lende um das Alpha, das noch drin­nen ist als geistiges Wesen. So würde auch der Kör­p­er das Beth, Beta sein, und das Alpha der Geist darin­nen. Und nun reden wir heute vom «Alpha­bet» — das heißt aber für die Griechen: «der Men­sch in seinem Haus», oder auch: «der Men­sch in seinem Kör­p­er», in sein­er Umhül­lung.” (GA 353, S. 226) Und an ander­er Stelle nen­nt Rudolf Stein­er dieses Haus des B den Tempel.

Das griechis­che Beta (Β, β) stammt vom hebräis­chen Beth (ב) (bjt) und bedeutet ‘Haus’, man kön­nte auch sagen ‘Bau’. Rudolf Stein­er beschreibt das Erleb­nis des Beth als eine Hohlkugel: Der Buch­stabe “Beth — der regt an alles, das, was Sie im Bilde bekom­men, wenn Sie sich eine mächtige große Kugel, eine Hohlkugel denken, sich selb­st im Innern vorstellen, und nun von allen Punk­ten von allen inneren Punk­ten dieser Hohlkugel wiederum Strahlen nach innen sich denken, nach dem Mit­telpunkt here­in­strahlend.” (GA 122, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 68)

Dieses umschließende Erleb­nis des B find­et sich in den Worten ‘Burg’, ‘Bude’, Baracke’ (von spanisch ‘bar­ro’, der ‘Lehm’, aus dem die Ziegel gemacht wur­den), ‘Bett’ und ‘Beet’. Beim ‘Bach’ ist die Umhül­lung das Ufer, das ‘Boot’ zeigt das B in der Bootswand, sodass das Wass­er das Boot trägt wie der ‘Erd-boden’ den Men­schen. Der ‘Ball’ und der ‘Bal­lon’ sind Hohlkugeln. Die Nach­silbe ‑bar drückt das Tra­gende aus z.B. ‘frucht-bar’ ist das Frucht tra­gende; ‘belast-bar’ ist das Last tra­gende und ‘begreif-bar’ ist das Greifen ertra­gende. Dieses Suf­fix geht zurück auf gotisch ‘bairan’, ‘tra­gen’.

Beim ‘Beten’ zieht sich der Men­sch in sein Inneres, in seinen geisti­gen Raum zurück. Kör­per­lich ist dieser Innen­raum der ‘Bauch’. ‘Leib’ heißt auf hebräisch ‘béten’, sodass für den Hebräer der ‘Tem­pel’ ‘beth’ (bjth) und der Leib ‘béten’ klan­glich zusam­menge­hören und im über­tra­ge­nen Sinne das gle­iche meinen.

Der ‘Leib’ ist die Ver­hül­lung, die dem Men­schen das Geistige ver­birgt, das seine Inkar­na­tion hin­dern würde. Rudolf Stein­er sagt, dass dem Men­schen alles “ver­hüllt [wird], was ihm die Ver­suchung ein­flößen kon­nte, nur in der geisti­gen Welt zu bleiben. Und diese Ver­hül­lung drückt sich aus eben in sein­er Umhül­lung mit der Leib­lichkeit. Er wird in die Leib­lichkeit einge­fügt, damit er nicht schaut, was Luz­ifer vor ihn hin­stellen will.” (GA 153, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 72)

Das B ist auch der Laut des Ärm­lichen und Kleinen. Aramäisch heißt der ‘Sohn’ ‘bar’ (br), gotisch das ‘Kind’ barn’, ital­ienisch ‘bam­bi­no’ das Kleinkind. Eng ver­wand mit dem B ist das P. Lateinisch ‘pau­cus’ bedeutet ‘klein, ger­ing’, ‘paulus’ eben­so, sodass der Apos­tel Paulus der ‘Kleine’ ist. ‘Pau­per’ bedeutet ‘arm, beschränkt, bedürftig’.

Auch der dicke Pelz des ‘Bären’ und die ‘Wabe’ der ‘Bienen’ zeigen die B‑Gebärde.

Rudolf Stein­er nutzt zur Beschrei­bung der Kör­per­lichkeit des Men­schen, zur Unter­schei­dung von Kopf und Kör­p­er, A und B; und es kön­nte sein, dass er mit den Qual­itäten dieser Laute auch die Kör­per­par­tien charak­ter­isieren wollte: “Der Kopf des Men­schen ist ja ein … weit älteres Instru­ment als die übrige Kör­per­lichkeit. … Er ist … schon herübergekom­men von der Sat­urn, Son­nen- und Mon­den­twick­lung [von den drei früheren Erdinkar­na­tio­nen]. Aber wenn der Men­sch so sich aus­ge­bildet hätte, wie er von der Mon­de­nen­twick­lung herübergekom­men ist, dann wäre er nicht so gewor­den, wie er jet­zt ist. … Schema­tisch kön­nte man sagen: der Men­sch wäre eine Art Gespenst, aus dem nur etwas deut­lich­er die Kopfes­form her­aus­ra­gen würde. … Dazu war eigentlich der Men­sch bes­timmt. … Die übrige Kör­per­lichkeit würde … bloße ele­men­tarische Wesen­heit sein; und es würde dann wirk­sam sein in seinem Haupt alles das­jenige — ich nenne es A — was Erb­stück ist des von der Erde ver­wan­del­ten Mon­den­seins. Also das, was ich da A nenne … das ist eigentlich der Men­sch. Der Men­sch in Wirk­lichkeit ist … das Haupt mit nur einem ganz gerin­gen Ansatz. Das andere, was der Men­sch noch hat — nen­nen wir es B — … ist … die Gestal­tung der kos­mis­chen Hier­ar­chien; wie aus dem Schoß der kos­mis­chen Hier­ar­chien ragt der Men­sch, d.h. das­jenige, was von ihm gewor­den ist seit der Sat­urnzeit, her­aus. … [Erst durch die luz­iferische Ver­führung wird diese] ele­men­tarische Leib­lichkeit …, [der] Kör­p­er kos­mis­ch­er Hier­ar­chien [verdichtet zum heuti­gen] Men­schenkör­p­er” (GA 177, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 73)

Der gotis­che Name des B ist ‘bjarkan’ (ᛒ), die ‘Birke’. Die über­liefer­ten Runen­reime brin­gen diesen Baum in Beziehung zu Loki, dem nordis­chen Luzifer.

Der nor­wegis­che Runen­reim lautet:

Birken­zweig ist das laub­grün­ste Reis;

Loki brachte Falschheitsglück.

Ganz ähn­lich der isländis­che Spruch:

Birken­reis ist ein Laubre­ich­er Zweig

und ein klein­er Baum

und ein jugendlich­es Holz.

Auf dem­sel­ben Perga­ment heißt es weiter:

Flos (floris, latein.) ist eine Blume

die Blume ist eine Pflanze

eine Pflanze ist die Birke

die Birke ist ein Runenstab.

(Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 74)

Die Birke heißt auf Latein ‘betu­la’. Das­selbe Wort, ‘betu­la’ (btvlh) bedeutet auf hebräisch ‘Jungfrau’, eigentlich ‘die abgeson­dert Lebende’, die in ihrem Hause, beth (bjt), Lebende. Die ‘Tochter’, das ‘Mäd­chen’ heißt ‘bath’ (bt). Bei den Ger­ma­nen wurde die Birke mit ihrem weißen Stamm als Jungfrau emp­fun­den. Rudolf Stein­er ord­net das B (und das P) dem Stern­bild der Jungfrau zu.

Die innere Stimme, die Stimme der Seele, die Jesus in jun­gen Jahren ver­nahm, beschreibt Rudolf Stein­er als Bath-Kol: „Die Bath-Kol nan­nte man jene eigen­tüm­liche, inspiri­erende Stimme, zwar eine schwächere Stimme der Einge­bung, eine Stimme min­der­er Art als der Geist, der die alten Propheten inspiri­erte, aber doch noch etwas Ähn­lich­es stellte diese Stimme dar. So sprach manch­er in der Umge­bung des Jesus von der Bath-Kol. Von dieser Bath-Kol wird uns in späteren jüdis­chen Schriften manch­es erzählt. …

Während in dem Hause des Jesus von Nazareth die dort ver­sam­melten Schrift­gelehrten von dieser inspiri­eren­den Stimme der Bath-Kol sprachen, und der junge Jesus das alles hörte, fühlte und empf­ing er in sich sel­ber die Inspi­ra­tion durch die Bath-Kol. Das war das Merk­würdi­ge, daß durch die Befruch­tung dieser Seele mit dem Ich des Zarathus­tra in der Tat Jesus von Nazareth fähig war, rasch alles aufzunehmen, was die anderen um ihn herum wußten. Nicht nur, daß er den Schrift­gelehrten in seinem zwölften Jahre die gewalti­gen Antworten hat­te geben kön­nen, son­dern er kon­nte auch die Bath-Kol in der eige­nen Brust vernehmen. Aber ger­ade dieser Umstand der Inspi­ra­tion durch die Bath-Kol wirk­te auf den Jesus von Nazareth, als er sechzehn, siebzehn Jahre alt war und er oft­mals diese offen­barende Stimme der Bath-Kol fühlte, so daß er in bit­tere, schwere innere See­lenkämpfe dadurch geführt wurde. Denn ihm offen­barte die Bath-Kol — und das glaubte er alles sich­er zu vernehmen -, daß nicht mehr fern wäre der Zeit­punkt, daß im Fort­gang der alten Strö­mung des Alten Tes­ta­mentes dieser Geist nicht mehr sprechen würde zu den alten jüdis­chen Lehrern, wie er früher zu ihnen gesprochen habe. Und eines Tages, und das war furcht­bar für die Seele des Jesus, glaubte er, daß die Bath-Kol ihm offen­barte: Ich reiche jet­zt nicht mehr hin­auf zu den Höhen, wo mir wirk­lich der Geist offen­baren kann die Wahrheit über den Fort­gang des jüdis­chen Volkes. — Das war ein furcht­bar­er Augen­blick, ein furcht­bar­er Ein­druck, den die Seele des jun­gen Jesus empf­ing, als die Bath-Kol ihm sel­ber zu offen­baren schien, daß sie nicht Fort­set­zer sein könne des alten Offen­bar­ertums, daß sie sich sel­ber sozusagen für unfähig erk­lärte, Fort­set­zer der alten Offen­barun­gen des Juden­tums zu sein. So glaubte Jesus von Nazareth in seinem sechzehn­ten, siebzehn­ten Jahre, daß ihm aller Boden unter den Füßen ent­zo­gen wäre, und er hat­te manche Tage, wo er sich sagen mußte: Alle See­lenkräfte, mit denen ich glaubte beg­nadet zu sein, sie brin­gen mich nur dazu, zu begreifen, wie in der Sub­stanz der Evo­lu­tion des Juden­tums kein Ver­mö­gen mehr beste­ht, her­aufzure­ichen zu den Offen­barun­gen des Gottes­geistes.“ (Lit.: GA 148, S. 58ff)

Rudolf Stein­er emp­fiehlt das B zu üben, um der Stimme Geschlossen­heit zu geben: “Unter Geschlossen­heit der Stimme ver­ste­he ich, dass die einzel­nen Laute nicht nackt und unbek­lei­det in die Welt hin­aus­ge­lassen wer­den. Alles was lebt, bildet eine Haut um sich. Das kle­in­ste Tier tut es. Das muss auch der Laut tun, so dass er nicht spritzt, nicht nackt hin­aus­ge­ht, son­dern ange­zo­gen ist. Im B- erre­icht man eine Empfind­ung für die Geschlossen­heit der Laute: Bei biedern Bauern bleib brav.” (GA 280, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 74)

Die Umhül­lung des Lebens kann auch ein fein­er Schleier sein, wie ihn die ‘Blät­ter’ des ‘Baumes’ bilden, die ‘Blüte’ durch den ‘Pollen’ ver­streut oder das ‘Blau’ des Him­mels­gewölbes zeigt. Rudolf Stein­er sagt: Im Blau “will die Seele so recht inner­lich sein.” (GA 136, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 75)

Im slaw­is­chen Alpha­bet heißt das B ‘búky’, der ‘Buch­stabe’ und in weit­er­er Bedeu­tung ‘die ver­bor­gene Zukun­ft’. Im B von ‘búky’ wurde das Geheim­nis, die Magie der Schrift erlebt, sozusagen ver­schlossen im ‘Buch mit sieben Siegeln’. Das Wort ‘búky’ stammt vom gotis­chen ‘boka’ was sich zu den deutschen Wörtern ‘Buche’ und ‘Buch’ entwick­elte. Und unser Wort ‘lesen’ kommt vom Aufle­sen, vom Aufheben der Runen. Auf einem weißen Tuch wur­den die Buchen­stäbe, in die die Runen ger­itzt waren, aus­geschüt­tet. Dann wur­den drei davon aufge­hoben, um das Schick­sal daraus zu deuten, zu lesen. In B ‘búky’ herrscht das Erleb­nis des Ver­schlosse­nen, Geheimnisvollen vor. Hier erlebt sich der Men­sch nicht umschlossen, son­dern ausgeschlossen.

Das Bergende, Bewahrende des B‑Lautes impliziert im Sprechen, dass diese Begren­zung durch­brochen wird. Auf den Ver­schluss beim B fol­gt die Spren­gung der Lip­pen. Her­mann Beckh sagt, dass dem Namen des indis­chen Schöpfer­gottes Brah­man das seel­is­che Erleben des sich Ausweit­ens, sich Aus­dehnens ins Kos­mis­che zugrunde liegt, denn die Wurzel ‘brh’, auf die auch das deutsche Wort Berg zurück­ge­ht, bedeutet ‘groß sein, weit sein, sich ausweit­en’. “Das B von ‘Brah­man’ ist der Sinnes-Schleier, der durch-‘brochen’ wird, über den hin­aus die Seele sich aus-‘breitet’ in das A und H der göt­tlichen Welt, des göt­tlichen Hauch­es.” (Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 80)

Beson­ders lustig beschreibt Rudolf Stein­er das Öff­nen bei der Artiku­la­tion des B im Bild des Froschs, auf Griechisch ‘bátra­chos’: “Stellen Sie sich einen grü­nen Frosch vor, den Sie mit offen­em Mund vor sich haben, … der sie anguckt mit etwas aufges­pan­nten Lip­pen.” (GA 280, in: Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 79)

Worte wie ‘brechen’, die ‘Brache’, ‘Bresche’, der ‘Brock­en’ gehören ety­mol­o­gisch zusam­men. Das Umbrechen der Erde in der ‘Brache’, das Her­aus­brechen eines Stück­es, dem ‘Brock­en’, das Durch­brechen bei der ‘Bresche’, alle diese Worte gehören ety­mol­o­gisch zusam­men. Im ‘Brand’ lodert die Flamme aus dem Innern und es entste­ht die ‘Brun­st’. Ist es ein Ton, der aus der ‘Brust’ her­aus­dringt, so kann es ein ‘Brüllen’ sein. Aus dem ‘Brun­nen’ quillt das Wass­er, es ‘brodelt’, wenn es kocht.

Zu diesem Her­vor­brechen gehört auch das Schlüpfen der ‘Brut’, der Vögel. Mit ‘Brut’ ver­wandt ist das Wort ‘Braut’. Rudolf Stein­er erk­lärt: “Wir ler­nen zum Beispiel aus dem Ulfi­las, daß die Braut im Gotis­chen bruths ist. Und bruths wie es uns in der Bibelüber­set­zung des Ulfi­las auftritt, das ist urver­wandt mit der Brut, mit Brüten, so daß, wenn geheiratet wird, ein­fach die Brut fest­gelegt wird durch die Braut. Die Braut ist das, was die Brut fes­tlegt, wenn geheiratet wird.” (GA 299, S. 26) Wenn Kinder ge’­boren’, her­vorge’bracht’ wer­den, wird der Mut­ter­schoß durch’brochen’.

Über die Gegensprüche 2 B und 28 b

Schon beim ersten Lesen fällt auf, dass bei­den Mantren, 2 B und 28 b, die sich wei­t­ende, sich aus­bre­i­t­ende Geste gemein­sam ist. Im Mantra 2 B wird der Zusam­men­hang des Men­schen — ich würde sagen sog­ar der Men­schheit — mit den Geis­teswel­ten, also mit dem, was nicht Innen­welt ist geschildert. Diese Beschrei­bung erfol­gt sach­lich, all­ge­me­ingültig. Sie ist in der neu­tralen drit­ten Per­son ver­fasst. Im Mantra 28 b beschreibt der Ich-Sprech­er sein eigenes Erleben im Innen­raum sein­er Seele. Hier fühlt er die Weite seines eige­nen Wesens und auch die See­len­son­nen­macht ist eine ausstrahlende Macht. Schaut das Mantra 2 B wie von außen auf den Men­schen, über­mit­telt das Mantra 28 b das nur von einem einzel­nen Ich zu erfahrende Innenerlebnis.

Das Mantra 2 B schildert das Objek­tivw­er­den der Gedanken­macht, indem sich diese nach außen an die Sinne, genauer an das Sin­nesall, die gesamte Wahrnehmungswelt wen­det — mit der Wahrnehmung ausstrahlt. Das Gegen­teil ist der Fall, wenn die Macht der Gedanken sich nach innen wen­det, denn dann kann es passieren, dass diese Macht phan­tastis­che, unre­al­is­tis­che und unwahre Gedanken bildet. Die Wahrnehmungswelt ist das Kor­rek­tiv für zu eigen­mächtige Gedankenschöpfungen.

Dem Ver­lieren des Eigen­seins (2 B) durch die Hingabe an die Wahrnehmung, an das Sin­nesall, ste­ht das inten­sivierte, neu belebte Erleben des eige­nen Innen­raumes im Mantra 28 b gegenüber. Der Ich-Sprech­er kann die Weit­en des eige­nen Wesens erfühlen und sich sel­ber als neu belebt wahrnehmen. Im Mantra 2 B ist der Prozess ein Ver­lieren, im Mantra 28 b kam neue Leben­skraft hinzu.

Bei­de Mantren sprechen von der See­len­fähigkeit des Denkens und der Macht, der Gedankenmacht (2 B) und der See­len­son­nenmacht (28 b). Von der See­len­son­nen­macht heißt es, dass sie die Gedanken­strahlen spendet, dass sie die Quelle der Gedanken­strahlen ist und sie aussendet. Im Mantra 2 B üben die Gedanken sel­ber, d.h. die Ideen Macht aus, im Mantra 28 b ist es die See­len­sonne, die Macht innehat. Im Mantra 2 B ist es die Macht der Gedanken, die ihr Eigen­sein, ihre Willkür ver­liert, wenn die an der Außen­welt gemacht­en Wahrnehmungen zugrunde gelegt wer­den. Dann wer­den die Ideen wirk­lichkeits­gemäß, objek­tiv bzw. objek­tiv­er. Die Gedanken wer­den klar­er. Im Mantra 28 b kann der Ich-Sprech­er, der sel­ber mit Kraft, mit Leben­skraft erfüllt ist, Gedanken­strahlen aus der Son­nen­macht sein­er Seele spenden. Die See­len­son­nen­macht ist die ausstrahlende Macht des Bewusst­seins, die Sonne des Bewusst­seins. Der Strahl dieser Lichtquelle des Bewusst­seins ist ein Gedanken­strahl, eine strin­gent und logisch, am roten Faden entwick­elte Idee. Der Ich-Sprech­er kann sein Denk‑, sein Erken­nt­nis­licht dor­thin senden, wo es dunkel ist — zu den Leben­srät­seln. Bei der Gedanken­macht (2 B) geht es um Ideen­zusam­men­hänge, um men­schheitliche, Macht ausübende Hypothe­sen über das Dasein, die wenn sie nicht wirk­lichkeits­gemäß sind, die Men­schen täuschen. Dann weisen sie Eigen­sein auf, men­schliche Begren­ztheit. Die Gedanken­strahlen meinen dage­gen die vom einzel­nen Indi­vidu­um auszuführende Tätigkeit des Denkens, die wie alle Betä­ti­gung Kraft und Hingabe — Spende — braucht.

Wenn der Ideenge­halt der geisti­gen Real­ität entspricht, die durch die Schöp­fung in allen Din­gen liegt, find­en die Geis­teswel­ten den Men­schen wieder (2 B). Der Men­sch wird sicht­bar für die geistige Welt, weil geist­gemäßes Denken sozusagen leuchtet. Im Mantra 28 b beleuchtet der Ich-Sprech­er dage­gen die Leben­srät­sel mit seinen eige­nen Gedanken­strahlen. Er ist durch die Son­nen­macht sein­er Seele sel­ber Lichtquelle.

Die Geis­teswel­ten des Mantras 2 B sind nicht geistige Wesen, geistige Lichtquellen, son­dern sie sind das Gewebe der Weisheit, der Schein des Licht­es. Allerd­ings kön­nen diese geisti­gen Wel­ten sel­ber han­deln. Sie kön­nen den Men­schen wiederfind­en, wenn der Men­sch das ihn begren­zende Eigen­sein ver­liert. Der Aktiv­ität der Geis­teswel­ten ste­ht der pas­sive Ver­lust des Eigen­seins auf Seit­en des Men­schen gegenüber. Mit dem Ver­lust des Eigen­seins, der Willkür im Denken, wird der Men­sch pflanzen­haft. Er wird als Spross, als Men­schen­spross geschildert, dann als Keim, der in Zukun­ft Frucht her­vor­brin­gen wird. Als Pflanze ist der Men­sch ein­st­mals den geisti­gen Wel­ten entkeimt. Wie die Pflanze in den Geset­zmäßigkeit­en ihrer Bil­dung Aus­druck der kos­mis­chen Ster­nenge­set­ze ist, so find­et der Men­sch seinen Keim, seinen Ursprung in der Weisheit dieser Wel­ten. Weisheit hat ihn gebildet. Anders sieht es mit sein­er Zukun­ft aus. Seine See­len­frucht kann er dort im Reich der Weisheit nicht find­en. Für diese See­len­frucht muss er sich verän­dern. Er muss sein Pflanzen­leben aufgeben und Innen­raum bilden, denn seine See­len­frucht muss er in sich find­en. Innen­raum­bil­dung ist das Charak­ter­is­tikum des Tier- und auch des Menschenreiches.

Durch Keim und Frucht beschreibt das Mantra den großen Bogen men­schlich­er Entwick­lung in ein­er ewig gülti­gen Art und Weise.

Auch das Mantra 28 b zeigt am Ende eine Zukun­ft­saus­rich­tung der Seele. Jed­er Wun­sch ist eine vorstel­lungsmäßige Vor­weg­nahme ein­er erwün­scht­en Zukun­ft. Wird der Wun­sch erfüllt, füllt er sich mit Real­ität. Doch diese Real­ität ist stets eine vergängliche, denn alles Sein ist der Zeit und damit der Verän­derung unter­wor­fen — die Erfül­lung, die Real­isierung des Wun­sches kann nur geliehen wer­den. Das Mantra spricht also ein­deutig vom Men­schen in der irdis­chen Welt.

Ver­wen­dete das Mantra 2 B Pflanzen­bilder, um den Men­schen zu beschreiben, so erscheint im Mantra 28 b ein Hin­weis auf die Vogel­welt. Der Wun­sch hat Schwin­gen wie ein Vogel — oder ein Engel, doch die Hoff­nung lähmt diese Flugfähigkeit der Seele. Der Wun­sch entstammt dem Inner­sten, dem Herzen und hebt den Men­schen über sich hin­aus. Deshalb hat er Schwin­gen. Der Wun­sch sel­ber lässt sich mit der Blüte ein­er Pflanze ver­gle­ichen, die Erfül­lung des Wun­sches mit der gereiften Frucht. Eine läh­mende Hoff­nung ist eine pas­sive, wartende Hal­tung der Seele, die durch die krafter­füll­ten Gedanken­strahlen über­wun­den wird.

Das Mantra 2 B schildert den Men­schen auf­fal­l­end pas­siv. Zunächst geht es um die Gedanken­macht als solche, die nur durch ihr Eigen­sein als men­schlich zu erken­nen ist. Danach wird der Men­sch durch Bilder aus dem Pflanzen­re­ich beschrieben. Ver­lieren und Gefun­den-wer­den ist das, was ihm passiert. Nur am Schluss find­et sich eine Auf­forderung zur Aktiv­ität, zum Find­en der See­len­frucht in sich sel­ber. Doch diese Aktiv­ität ist kein Ange­bot, son­dern Notwendigkeit, Gesetz, dem der Men­sch unter­wor­fen ist. Er muss. Von Frei­heit ist in diesem Mantra keine Spur.

Ganz anders im Mantra 28 b. Es begin­nt schon mit “Ich kann” und macht deut­lich, dass der Ich-Sprech­er nicht muss. Er kann die Weit­en des eige­nen Wesens erfühlen; er kann die krafter­füll­ten Gedanken­strahlen aus der Son­nen­macht sein­er Seele den Leben­srät­seln zur Lösung spenden; er kann dem Wun­sch Erfül­lung lei­hen. Dieses Mantra ist ganz Möglichkeit, ganz Ange­bot eigen­er Aktiv­ität. Hier herrscht Frei­heit, wie der Ich-Sprech­er seine Möglichkeit­en nutzen will.

Im Mantra 2 B erscheint der begren­zende, halt­gebende Aspekt des B, die Geset­zmäßigkeit und Notwendigkeit der Umhül­lung. Im Mantra 28 b ist der Ich-Sprech­er das Wesen, das die Umhül­lung bewohnt und durch den Wun­sch das Gewor­dene über­windet, die Begren­zung durch­bricht. Auch diese Qual­ität gehört zum B, wer­den die Lip­pen bei sein­er Aussprache doch san­ft gesprengt.