Eine Stiftung für den Seelenkalender?

… ist der See­lenkalen­der das erste und einzige Ergeb­nis dieser Stiftung (Vir­ginia Sease, Rudolf Stein­ers Ver­such ein­er Stiftung für Theosophis­che Art und Kun­st 15. Dezem­ber 1911, Eine Betra­ch­tung nach 100 Jahren, Dor­nach 2012, S. 101). Ist es nicht denkbar, dass der See­lenkalen­der und die Ziele der Stiftung zusam­men betra­chtet wer­den müssen? Liegt es nicht nahe zu ver­muten, dass Rudolf Stein­er den See­lenkalen­der schuf, um den Men­schen, die hier aktiv wer­den soll­ten, etwas an die Hand zu geben? Oder war es umgekehrt? Rief er die Stiftung für den schon im Entste­hen begrif­f­e­nen See­lenkalen­der ins Leben? Da die Stiftung aus Grün­den, auf die hier nicht einge­gan­gen wer­den soll scheit­erte, musste der See­lenkalen­der ohne dieses men­schliche Umfeld ins Leben treten.

 

Das Ziel der Stiftung für Thesophische Art und Kunst

In der Stiftungsansprache for­mulierte Rudolf Stein­er die Auf­gabe der Stiftung auf­fal­l­end unkonkret und müh­sam. Das, um was es ihm ging, ist noch nicht da, ist noch unaussprech­bar. Die Ver­mu­tung liegt nahe, hier an den See­lenkalen­der zu denken, da er mit großer Wahrschein­lichkeit bere­its in Vor­bere­itung war. Nach eige­nen Aus­sagen hat Rudolf Stein­er viele Jahre an ihm geforscht. „Jene Med­i­ta­tio­nen sind das Ergeb­nis vieljähriger okkul­ter Unter­suchun­gen und Erfahrun­gen.“ (GA 143, Vor­trag vom 16.5.1912, in Beiträge der Rudolf Stein­er Gesam­taus­gabe, Der Anthro­posophis­che See­lenkalen­der und der Kalen­der 1912/13, 1972, S. 31).

 

Die Stiftungsansprache

Um das Unsag­bare hin­ter den vie­len Worten der Stiftungsansprache erleb­bar zu machen, zitiere ich eine län­gere Pas­sage. Die Her­vorhe­bun­gen stam­men von mir und sollen die wesentlichen Aus­sagen mit einem rot­er Faden verbinden. „Daher soll Ihnen in diesem Augen­blicke verkün­det wer­den, dass unter den­jeni­gen Men­schen, die sich in entsprechen­der Weise dazu find­en wer­den, ges­tiftet wer­den soll eine Arbeitsweise, welche durch die Art und Weise der Stiftung zum direk­ten Aus­gangspunkt hat diejenige Indi­vid­u­al­ität, die wir seit den abendländis­chen Vorzeit­en mit dem Namen Chris­t­ian Rosenkreutz bele­gen. Das­jenige, was heute schon über diese Stiftung gesagt wer­den kann, das bleibt prälim­i­nar­isch. Denn was bish­er ges­tiftet wer­den kon­nte, bezieht sich nur auf einen Teil dieser Stiftung, die in einem umfassenden Sinne, wenn die Möglichkeit­en gegeben sind, in die Welt treten soll. Das, was bish­er ges­tiftet wer­den kon­nte, bezieht sich auf die eine Abteilung, auf den einen Zweig dieser Stiftung, näm­lich auf die kün­st­lerische Vertre­tung des rosenkreuzerischen Okkultismus.

Der erste Punkt, den ich Ihnen mitzuteilen habe, ist der, dass unter dem unmit­tel­baren Pro­tek­torat …. Chris­t­ian Rosenkreutz als Stiftung ins Leben treten soll eine Arbeitsweise, welche zunächst dadurch sich charak­ter­isieren will, dass sie für einige Zeit , für die näch­ste Zeit, den pro­vi­sorischen Namen tra­gen soll: <Gesellschaft für theosophis­che Art und Kun­st>. Dieser Name ist nicht der defin­i­tive, son­dern es wird ein defin­i­tiv­er Name an die Stelle treten, wenn in entsprechen­der Weise die ersten Vor­bere­itun­gen für das Hin­aus­tra­gen dieser Stiftung in die Welt haben gemacht wer­den kön­nen. Das­jenige, was umfassen soll die <theosophis­che Art>, das ist aber noch völ­lig im Keimzu­s­tande, denn es wird sich erst darum han­deln, dass noch die Vor­bere­itun­gen dazu getrof­fen wer­den, die zu einem Ver­ständ­nis führen kön­nen dessen, was damit gemeint ist. Das aber, was unter dem Begriff der theosophis­chen Kun­st gefasst wer­den kann, hat ja in man­nig­faltiger Weise schon einen Anfang genom­men durch unsere Ver­suche …. (Aufzäh­lung ver­schieden­er Ini­tia­tiv­en, A.F). Das ist alles etwas, das einen Anfang genom­men hat. In Bezug darauf ist etwas da, dem als in ein­er gewis­sen Weise Erprobtem die Sank­tion erteilt wer­den darf.

Es han­delt sich darum, dass inner­halb des Arbeit­skreis­es eine rein geistige Auf­gabe erwachen soll, eine Auf­gabe, welche sich erschöpfen wird in ein­er geisti­gen Arbeitsweise und in dem, was resul­tiert aus ein­er solchen geisti­gen Arbeitsweise. …

Nun, das­jenige was schon geschehen kon­nte inner­halb dieser Stiftung, beste­ht eigentlich darin, dass nach rein okkul­ten Grund­sätzen (Geset­zen) ein zunächst ganz klein­er, winzig klein­er Kreis geschaf­fen wurde, welch­er seine Verpflich­tung darin sehen soll, mitzuwirken an dem, worum es sich dabei han­delt. Dieser winzig kleine Kreis ist zunächst so beschaf­fen, dass mit ihm ein Anfang gemacht wer­den soll für diese Stiftung, um in einem gewis­sen Sinne das­jenige, was unsere geistige Strö­mung ist, von mir sel­ber abzulösen und ihr einen eige­nen, in sich selb­st begrün­de­ten Bestand (Sub­stanz) zu geben, einen in sich selb­st begrün­de­ten Bestand!

Sodass also zunächst dieser kleine Kreis mit der Sank­tion vor Sie hin­tritt, dass er als solch­er seine Auf­gabe emp­fan­gen hat ver­möge sein­er eige­nen Anerken­nung unser­er geisti­gen Strö­mung, und dass er in ein­er gewis­sen Weise das Prinzip der Sou­veränität des geisti­gen Strebens, das Prinzip des Föder­al­is­mus und der Selb­ständigkeit alles geisti­gen Strebens als die unbe­d­ingt Notwendigkeit für die geistige Zukun­ft sieht, und es in der Art, wie er es für angemessen hält, in die Men­schheit hinein­tra­gen soll. Daher werde ich selb­st inner­halb der Stiftung, um die es sich han­delt, nur zu gel­ten haben als der Inter­pret zunächst der Grund­sätze, die als solche nur in der geisti­gen Welt allein vorhan­den sind, als Inter­pret desjeni­gen, was auf diese Weise zu sagen ist über die Inten­tio­nen, die der Sache zugrunde liegen“ (in: Vir­ginia Sease, s.o. S. 113ff; aus GA 264).

Knapp zwei Jahre vor Erscheinen des See­lenkalen­ders spricht Rudolf Stein­er über das Pfin­gst­fest, dessen Bedeu­tung eben­so eine Stiftung wäre — die Stiftung ein­er neuen Art von Men­schenge­mein­schaft: „Nach der Ord­nung der geisti­gen Welt soll das Kar­ma des einzel­nen mit dem Gesamtkar­ma ver­bun­den sein, nicht in beliebiger Weise, son­dern so, dass der Gemein­de­or­gan­is­mus ein Abbild der Ord­nung im Him­mel werde … Es ist sozusagen die Stiftung der auf die Ich-Natur gebaut­en Men­schheit der Zukun­ft“ (GA 123, Vor­trag in Bern, 11.9. 1910). Ist es denkbar, dass die Stiftung für Art und Kun­st eine Art pfin­gstliche Gemein­schaft sein sollte, nach der Ord­nung der geisti­gen Welt gebildet, die den See­lenkalen­der pfle­gen und in die Welt tra­gen sollte?